Geplante Obsoleszenz Wenn Murks zum Verkaufsprogramm wird

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Wie wird Obsoleszenz obsolet?

Geplante Obsoleszenz ist aus zwei Gründen ein Ärgernis. Es ist erstens ein Betrug am Kunden, der gezwungen wird, Dinge zu ersetzen, die eigentlich noch funktionieren. In einer im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen 2013 erstellten Studie hat Schridde ausgerechnet, dass die deutschen Haushalte 100 Milliarden Euro im Jahr sparen würden, wenn die Produkte nur so lange hielten wie vor dreißig Jahren.

Dieses Geld bleibt also übrig, um andere Dinge zu kaufen, möglichst dezentral gefertigt für regionale Märkte. „Haltbarkeit ist so gesehen ein Konjunkturprogramm“, behauptet Schridde.

Das zweite und größere Ärgernis ist die absurde Verschwendung von Ressourcen, die sich innerhalb kürzester Zeit in Müll verwandeln. „Ressourceneffizienz wird in allen Industrieunternehmen verstärkt thematisiert. Aber es macht doch keinen Sinn, solange man weiterhin kurzlebige Produkte herstellt“, sagt Schridde.

Gewollter oder zumindest billigend in Kauf genommener Murks als Massenphänomen sei nur zu verstehen, glaubt Schridde, weil in der gegenwärtigen Wirtschaft grundlegend falsche Prioritäten verfolgt würden: „Unsere Wirtschaft ist von falschen Zielvorstellungen geprägt. Unter der Perspektive einer werdenden Kreislaufgesellschaft gehören die komplett auf den Prüfstand.“

Der Abschied vom Wahnsinn des gewollten Murkses ist darum für Schridde und seine Mitstreiter zunächst eine Frage der Aufklärung des einzelnen Käufers und Nutzers: Murks erkennen, nicht kaufen, haltbare Dinge verlangen, Geräte reparieren (lassen), statt sie gleich zu ersetzen.

Jeder Käufer wird zum Glied der Kette

Wenn man das langfristige Ziel einer ressourcenneutralen Kreislaufwirtschaft ernst nimmt, in der es keinen Müll mehr geben soll, sondern nur Produkte aus wiederverwertbaren Bestandteilen, dann gibt es keinen Endverbraucher mehr, sondern jeder Käufer wird zum Glied einer endlosen Kette.

Aber Obsoleszenz obsolet werden zu lassen, hat auch eine politische Dimension. Frankreich, dem sich Deutschland in ökologischen Angelegenheiten sonst überlegen fühlt, ist da schon weiter. Gerade hat ein Gesetzesentwurf der französischen Grünen in der Pariser Nationalversammlung eine Mehrheit gefunden, der es möglich machen wird Produkthersteller oder – importeure wegen geplanter Obsoleszenz („obsolescence programmée“) zu verurteilen.

Und die Hersteller selbst? Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hat Schridde schon vor einem Jahr zu einem Vortrag geladen. Das Problem wurde nicht verleugnet. Man sei an einem fairen Diskurs interessiert, verlautete aus dem BDI.

„Ich glaube, viele Betriebe würden gerne rauskommen aus der Nummer“, sagt Schridde. „Sie wissen nur noch nicht wie.“

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