Gesellschaft Doppelverdiener-Paare werden zum Ideal

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Die Politik wird in die Pflicht genommen


Die Dominanz des Doppelverdienerideals stellt nicht nur die Paare selbst vor enorme Probleme im beruflichen und familiären Alltag. "Beide Elternteile müssen und wollen gleichermaßen familiär verantwortlich und beruflich erfolgreich sein. Eine Bereicherung des Lebens sicherlich, aber auch eine mögliche Konfliktquelle für die Partnerschaft", so Opaschowski. In Jahrhunderten geprägte Rollenverständnisse lösen sich nun innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit. Eine soziale Revolution, deren Gelingen von den passenden politischen Rahmenbedingungen abhängig ist. Zumindest sehen das die meisten Deutschen so. Insbesondere Singles (96 Prozent) wollen die Vereinbarkeit verwirklicht sehen, bevor sie sich zu festen Bindungen oder Familiengründungen entschließen.

So gehen die Kommunen davon aus, dass rund 40 Prozent der Eltern sich auf den ab 1. August diesen Jahres bestehenden Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für ein- bis dreijährige Kinder berufen werden und einen Kita- oder Kindergartenplatz beanspruchen. "Dieser Betreuungsanteil kann sich in den nächsten zwanzig Jahren verdoppeln, wenn aus dem sich abzeichnenden Einstellungswandel ein Lebenswandel wird," vermutet Opaschowski.

Kinderbetreuung: Eine Aufgabe des Staates?
Aus dem formalen Rechtsanspruch kann eine mentale Anspruchshaltung werden, wonach der Staat in Zukunft für die Ganztages- und auch Ganzjahresbetreuung von Kindern berufstätiger Eltern Verantwortung tragen soll. Für eine solche Entwicklung spricht insbesondere der Appell der Bevölkerung, die Ausbildung von Erziehern und Kindergärtnern zu verbessern, damit sie "in Zukunft verstärkt in die Erziehungsverantwortung einbezogen werden" können. Das fordern schon heute 81 Prozent der Deutschen.

Soll der Staat weitgehend die Erziehung übernehmen, um beide Eltern für den Arbeitsmarkt freizumachen? Dieser Anspruch ist jedenfalls vorhanden. Vier von zehn Bundesbürgern fordern bereits: Kinder aller Altersgruppen sollten zukünftig "das ganze Jahr über" ganztags in Kindergärten betreut werden (Frauen: 37 Prozent - Männer: 43 Prozent), notfalls auch an Wochenenden oder in den Ferien. Erfolgreiche Familienpolitik wird in Zukunft vermutlich an der Zahl von Kinderbetreuungsplätzen gemessen, am flächendeckenden Ausbau von Kitas, Krippen und Ganztagsschulen. "Wenn dieser Trend zur 24-Stunden-Betreuung so anhält, wird eines Tages Artikel 6/Absatz 2 des Grundgesetzes neu bewertet werden müssen, weil die Erziehung der Kinder dann nicht mehr als die 'zuvörderst obliegende Pflicht' der Eltern gilt".

Aber auch ihre Arbeitgeber sehen die Deutschen in Pflicht: Drei Viertel der Berufstätigen in Deutschland (75 Prozent) erwarten mittlerweile von den Unternehmen zur Betreuung ihrer Kinder Betriebskindergärten (berufstätige Frauen: 79 Prozent - berufstätige Männer: 71 Prozent). Unternehmen, die gute Mitarbeiter suchen, werden sich bei diesen in regelrecht bewerben müssen. Und ihr Engagement für Betriebskindergärten oder betriebsnahe Kitas dürfte dabei eine wichtige Rolle spielen.

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