Gesundheit Burn-out: Gefahr für das Leben

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Frank Krause Quelle: Hardy Müller für WirtschaftsWoche

Als ich das erkannte, habe ich mich ganz bewusst für einen Ausstieg entschieden. Möglichst weit weg. Ein Sabbatical in Australien. Warum Australien? Ganz einfach: Ich wollte die Hürde für eine vorzeitige Rückkehr so hoch wie möglich legen. Wäre ich nach Südeuropa gegangen, wäre ich garantiert nach vier Wochen wieder zurückgekehrt. So aber musste ich durch den Prozess der Persönlichkeitsarbeit hindurch, ohne Ausweg.

Trotzdem empfehle ich heute jedem, eine organisatorische Mischung aus fester Struktur und genügend Freiheitsgraden, um wirklich loslassen zu können. Gerade Menschen, die aus einer Führungsposition aussteigen, brauchen anfangs eine solche Struktur. Denn als Manager ist man einfach gewohnt, zu planen, nach Terminen zu arbeiten, klar definierte Ziele zu haben. Der Übergang vom Job in die Auszeit fällt leichter, wenn diese gewohnten Strukturen nicht über Nacht wegfallen.

Ich selbst allerdings wollte in der ersten Zeit bewusst keinen menschlichen Kontakt. Vor meinem Ausstieg hatte ich beruflich intensiv mit Menschen zu tun gehabt, meist in der Beraterrolle. Davon fühlte ich mich noch immer ausgesaugt.

Daher ging es mir in der ersten Phase darum, den Zähler auf null zu stellen und mich zu fragen: Wer bin ich? Was möchte ich? Wie sehe ich meine Zukunft? Alleine zu sein und eine neue Lebensgeschwindigkeit zu entwickeln, mit der ich zurechtkomme – das war für mich sehr wichtig.

Gesünderer Rhythmus

So entschied ich mich für einen sogenannten Homestay auf einer Farm. Dort wohnte ich in dem Gartenhaus, das so weit vom Haupthaus entfernt lag, dass ich wirklich sagen konnte: „Nun bin ich allein für mich.“ Das hat mir sehr gut getan.

Außer einem kleinen Kurzwellenradio hatte ich keinen Kontakt zur Außenwelt. Ich hatte kein Auto, und der nächste Ort war zu Fuß eine halbe Stunde entfernt. Okay, das war nicht wirklich weit, aber weit genug, um mir das Gefühl von Einsamkeit zu vermitteln.

Meine Tätigkeit bestand nicht mehr darin, stundenlang vor dem Computer zu sitzen oder in irgendwelchen Besprechungen. Stattdessen konnte ich wieder Dinge tun, die mir früher Spaß gemacht hatten: Ich fing zum Beispiel an, Gartenmöbel abzuschleifen und zu lackieren. Ich habe mit Holz gearbeitet, habe einen Pferdeanhänger repariert. Und ich fing an, für mich selbst zu kochen – etwas, das ich seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte.

Nun muss man wissen: In Australien wird es selbst im Sommer schon ab sieben Uhr dunkel, dafür ist es morgens früh bereits um fünf Uhr hell. Abends früh ins Bett zu gehen und morgens früh aufzustehen – das gab auch meinem Tagesablauf einen anderen, gesünderen Rhythmus.

Mir hat das physisch und psychisch viel besser getan, als nächtelang am Schreibtisch zu sitzen und dann verschlafen wie ein Zombie durch die Büroflure zu laufen. Das Farmleben hat meinen Körper und meine Psyche neu kalibriert.

Nichts bleibt, wie es war

Die ersten Wochen waren eine harte Zeit. Ich war tatsächlich auf Entzug – auf kaltem Entzug von meiner Arbeitssucht.

Ich machte in dieser Zeit verschiedene Phasen durch, die alle sehr angstbeladen waren. Fast täglich stellte ich mir die Fragen: Was tust du hier überhaupt? Was soll das? Ich grübelte über die Vergangenheit und reflektierte viel, wie es so weit kommen konnte. Das war ein schwieriger Prozess. Mein bisheriges Wertesystem brach komplett zusammen.

Australien war für mich in mehrfacher Hinsicht ein Einblick in eine andere Kultur. Ich hatte mich ja für ein einfaches Landleben entschieden und spürte, wie viel mehr Lebensqualität sich erzeugen lässt, auch oder gerade mit einem geringerem Lebensstandard.

So ein Sabbatical verändert die Persönlichkeit. Ich bin jetzt wachsamer, sensibler gegenüber meinem eigenen Verhalten. Und meine Toleranzgrenzen hinsichtlich meiner Selbstausbeutung sind deutlich enger geworden.

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