Als Erstes wurde die zentrale Wochenkonferenz auf Englisch abgehalten und jeder Wegweiser in den Firmengebäuden auf Englisch umgestellt. Mittags standen die Mitarbeiter vor dem Speiseplan in der Kantine und rätselten, welches japanische Gericht sich etwa hinter „Spicy tofu and pork bowl“ verbergen mochte.
Einige fühlten sich durch den Druck so gestresst, dass sie kündigten. „Aber es waren weniger als gedacht“, zieht Mikitani jetzt zufrieden Bilanz.
Die Übersetzerkabine im Konferenzraum für Vorstand und Verwaltungsrat bleibt inzwischen leer. Der Anteil der Mitarbeiter, deren Englisch-Vermögen als „grün“, also gut, eingestuft wird, stieg von 29 auf 84 Prozent. Ihr Ergebnis beim „Test of English for International Communication“ kletterte in anderthalb Jahren um ein Drittel auf 695 von 990 möglichen Punkten. Bei einem Durchschnittsalter von 31 Jahren ist die Lernbereitschaft sehr hoch. „Einige sprechen annehmbares Englisch, einige kämpfen“, so Mikitani, „aber niemand hat mehr Angst vor dem Sprechen.“
Gleichzeitig erleichtert der neue Sprachkurs die Expansion: Seit 2010 expandierte das Internet-Unternehmen in 13 Länder, 14 weitere sind anvisiert. Fast ein Drittel aller neuen Trainees sind bereits Ausländer – von chinesischen Austauschstudenten in Tokio bis zu Absolventen der besten US-Universitäten. Drei der sechs Top-Ingenieure für Software sprechen nicht mal mehr Japanisch.
Enthusiasmus, Produktivität und Sicherheit
Bei aller Unkonventionalität bewahrt sich Rakuten dennoch wesentliche Züge seines Charakters. Wie es sich für ein japanisches Unternehmen gehört, hat der Online-Dienstleister mit dem „Rakuten-Weg“ eine eigene Geschäftsphilosophie. Alle Angestellten weltweit sollen acht Praktiken folgen: Bei der wöchentlichen Morgenkonferenz werden Informationen ausgetauscht und danach das Büro und der Schreibtisch aufgeräumt. Das Rakuten-Abzeichen ist mit Stolz zu tragen. Die Angestellten sollen sich enthusiastisch begrüßen, ihre Produktivität steigern und auf Sicherheit achten. Zum Arbeitsende wird der Tag in einem kurzen Bericht zusammengefasst, etwa damit quantitative Firmenziele nicht aus den Augen verloren werden. „So hat man täglich die Gelegenheit, sich zu verbessern“, berichtet die deutsche Rakuten-Geschäftsführerin Beate Rank.
Der Rakuten-Weg hat ihre Neugier auf diese Firmenkultur so geweckt, dass sie jetzt Japanisch lernt.