Info-Stress Manager-Auszeit: Ich bin dann mal weg

Raus aus dem Büro, rein ins Kloster: Immer mehr Manager haben den Wunsch, sich eine spirituelle Auszeit zu gönnen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Kloster für die Quelle: dpa-dpaweb

Der Klostersee blitzt im Sonnenlicht. Weise und gütige Mönche schneiden mit Hingabe Rosen, backen Dinkelkekse und stellen Ringelblumen-Balsam her. Im Kreuzgang zwitschern Vögel und am Abend laben sich die klösterlichen Bewohner am selbst gebrauten Klosterlikör. So gemächlich wie im Kloster Seeon auf halber Strecke zwischen München und Salzburg geht es in vielen Klöstern zu.

Seit Kurzem erleben die verstaubten Glaubensstätten eine Renaissance. „Kloster auf Zeit“ nennt sich der neue Trend. Denn Orte der Stille und Einkehr boomen in Zeiten pausenloser Kommunikationspflicht. Unabhängig von der Konfession, stehen in Deutschland mittlerweile in mehr als 200 Glaubensstätten die Türen für eine wachsende Schar von Klosterfans offen.

Insbesondere ausgebrannte Manager nehmen sich dort zunehmend eine klösterliche Auszeit – ohne Handy, Fernseher und Telefon. Um abzuschalten, Kraft zu tanken, zu sich selbst zu finden. Die Gründe für den Wunsch nach Besinnung und spirituellem Purismus ähneln sich häufig: hohes Tempo und ständiger Erfolgsdruck, ein enges Zeitkorsett sowie der Zwang, immer erreichbar zu sein. Jeder Unternehmer kennt das, Alltag eben. Wenn Symptome wie Schweißausbrüche, Herzrasen und Schlaflosigkeit hinzukommen, sollte das Leben dringend entschleunigt werden. Fast immer steckt der falsche Umgang mit Zeit hinter dem Erschöpfungszustand.

Wilhelm Schmid-Bode, Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Experte für Stressforschung, rät: „Wer kurz vor einem Burnout steht, muss die Notbremse ziehen und sich eine Auszeit gönnen.“ In seinem Buch „Maß und Zeit. Entdecken Sie die neue Kraft der klösterlichen Werte und Rituale“, das gerade im Campus Verlag erschienen ist, beschreibt der Experte, warum Arbeitnehmer in einer karrierebetonten, besitzorientierten Gesellschaft früher oder später eine Sinnkrise erfahren.

Ein Klosteraufenthalt kann eine entscheidende Maßnahme sein, um dieser Krise zu begegnen. „Das, was man aber unbedingt mitbringen muss, ist die Bereitschaft zur Selbstdiagnose“, mahnt Schmid-Bode. Auch die Wirkung der für das Kloster charakteristischen Stille ist nicht zu unterschätzen. Insbesondere an Lärm gewöhnte Stadtmenschen haben häufig Probleme, mit der fehlenden Geräuschkulisse. Mitunter fühlen sich die Betroffenen beklommen und rastlos, im schlimmsten Fall nimmt der Stress dadurch sogar noch weiter zu.

Trotzdem hoffen viele, sich mit „Unterstützung von oben“ schnell zu erholen, und die Ordensbrüder bemühen sich nach Kräften, die Wünsche der Urlaubsreifen zu erfüllen. So ist in den meisten Klöstern von Exerzitien, Heilfasten und Wellnessprogrammen über Schweigen, Gesprächsbegleitung und Einkehrtage bis hin zu Kombi-Angeboten aus Kneipp-Kuren und Nordic Walking alles denk- und buchbar. Die Dauer des Aufenthaltes bestimmt jeder Besucher in der Regel selbst. Für den ersten Aufenthalt im Kloster hat sich die Dauer von einer Woche bewährt. Längere Aufenthalte sind möglich.

Die geistlichen Domizile verfügen meist über einfache, aber gut ausgestattete Gästezimmer. In einigen Klöstern wohnt der Besucher direkt mit den Mönchen zusammen, andere haben separate Schlafstätten. Teilweise ist die Mitarbeit im Kloster möglich, Kost und Logis dafür frei. In der Regel sind Klosterferien günstig, Spenden dafür willkommen.

Sinnsucher sollten dennoch nicht den Beweggrund für ihren Besuch, die Suche nach Ruhe und Kontemplation, aus den Augen verlieren. Dazu gehört meist auch, das Leben nach dem Klosteraufenthalt grundlegend zu ändern. Schmid-Bode warnt: „Eine Blitzdiät ist genauso wenig sinnvoll wie ein Klosteraufenthalt ohne Nachhaltigkeit.“ Das bringe allenfalls kurzfristige Effekte. Seine Empfehlung deshalb: Jeder stressgeplagte Arbeitnehmer müsse lernen, Prioritäten zu setzen, Nein zu sagen und sich von unnützem Tand zu befreien.

Der Stressexperte lebt selbst nach diesem Grundsatz: Er besitzt weder Eigenheim noch Auto, weder Handy noch Fernseher – dafür aber viele Freunde, ausreichend Muße und massenhaft Zeit für seine Frau.

Klostergang in Seeon Die bayrische Benediktinerabtei lockt Manager mit handyfreier Auszeit

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%