Dass es sich lohnt, dem Kunden zuzuhören, stellt auch der US-Technologiekonzern 3M immer wieder fest. So wie im Sommer 2011, als sich eine italienische Werft bei Diplom-Chemiker Adrian Jung meldete. Das Unternehmen hatte Probleme mit seinen vielen ungelernten Arbeitskräften, die nicht abschätzen konnten, wann der Klebstoff für die tragenden Teile der Luxusyachten durchgehärtet war. Den Kitt, der in der Industrie zunehmend das Schweißen ablöst, gab es bereits. Doch anders als beim Schweißen fehlten beim Leimverfahren bislang Indikatoren, die signalisierten, wann der Stoff hart genug war.
Der Anruf war Auftrag zugleich. Auf Basis der Schilderungen des Werft-Managements entwickelten die 3M-Forscher einen Klebstoff, der den Aushärtungsverlauf während des Klebevorgangs durch die Ampelfarben Rot, Gelb und Grün anzeigt. Nun kann der chemische Garzustand kontrolliert und eine zu frühe Belastung der zusammengefügten Bauteile vermieden werden – Rot heißt schlicht und einfach: Stopp! Selbst an Farbenblinde haben die 3M-Forscher gedacht und eine Kartusche entwickelt, die durch Kontrastfarben und eine simple Skalierung für das richtige Mischungsverhältnis des Zweikomponentenklebers sorgt. Zehn Monate dauerte es vom Telefonanruf der italienischen Kunden bis zum Prototyp. Eingeführt wird der innovative Klebstoff voraussichtlich Anfang 2013. Bei 3M sind sich die Verkaufsstrategen einig, dass durch die Veredelung des ursprünglichen Klebstoffs auch die Nachfrage in diesem speziellen Segment weiter anziehen wird.
Der Kunde muss mitdiskutieren dürfen
„Die Idee ist der embryonale Zustand eines zukünftigen Produktes“, betont Stephan Rahn, bei 3M in Neuss verantwortlich für das Innovationsmanagement. Dass die Kunden dabei ein gewichtiges Wort mitreden, ist ausgemachte Sache. In weltweit 30 sogenannten Customer Technical Center können sie mit Forschern diskutieren und sagen, was sie wie verbessern würden. Diese Zentren sind somit eine Art Umschlagplatz für Ideen. „Rund 80 Prozent unserer Innovationen stammen aus den Dialogen mit Kunden“, betont Rahn.
Allein ins Neusser Customer Technical Center, mit rund 300 Wissenschaftlern und Technikern aus 14 Nationen das größte 3M-Labor in Europa, pilgern jährlich rund 7.000 Besucher. Dort testen und bewerten sie die neuen Produkte.
Kritische Kunden
Dem Urteil einer solchen Kundenjury mussten sich auch zehn verschiedene Displayschutzfolien für Laptops stellen. Mit Stiften und Radierern malträtierten die Hobby-Tester die Folien und überprüften sie auf verschiedene Eigenschaften: Wie schnell lösen sich die Folien vom Display? Wie gut lassen sie sich säubern? Sind sie anfällig für Kratzer? Reflektieren sie zu stark? Danach kürten sie ihr favorisiertes Modell. Es gehört heute genauso zur 3M-Produktpalette wie reflektierende Folien für Autokennzeichen und Straßenschilder oder Verschlusssysteme für Windeln. Mehr als 52.000 Produkte sind es mittlerweile, hinter denen weltweit über 26.000 Patente stehen.
Auch der Hausgerätehersteller Miele macht sich mit seinen Innovationen einen Namen. Selbst der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs lobte das ostwestfälische Familienunternehmen aus Gütersloh für seine Produktentwicklung. Das Erfolgsrezept: „Die Abteilung ist bei uns in den jeweiligen Werken angesiedelt“, sagt Markus Miele, Mitglied der Geschäftsführung und Urenkel des Firmengründers Carl Miele, „eine zentrale Entwicklungsabteilung auf der grünen Wiese nebst zentralem F&E-Chef gibt es nicht.“