Innovationsmanagement Warum Unternehmen oft Angst vor ihren Kunden haben

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Öfters auf den Kunden hören

Nah am Käufer - Der Technologiekonzern 3M lässt Kunden bei wichtigen Produktentscheidungen mitdiskutieren Quelle: dapd

Dass es sich lohnt, dem Kunden zuzuhören, stellt auch der US-Technologiekonzern 3M immer wieder fest. So wie im Sommer 2011, als sich eine italienische Werft bei Diplom-Chemiker Adrian Jung meldete. Das Unternehmen hatte Probleme mit seinen vielen ungelernten Arbeitskräften, die nicht abschätzen konnten, wann der Klebstoff für die tragenden Teile der Luxusyachten durchgehärtet war. Den Kitt, der in der Industrie zunehmend das Schweißen ablöst, gab es bereits. Doch anders als beim Schweißen fehlten beim Leimverfahren bislang Indikatoren, die signalisierten, wann der Stoff hart genug war.

Der Anruf war Auftrag zugleich. Auf Basis der Schilderungen des Werft-Managements entwickelten die 3M-Forscher einen Klebstoff, der den Aushärtungsverlauf während des Klebevorgangs durch die Ampelfarben Rot, Gelb und Grün anzeigt. Nun kann der chemische Garzustand kontrolliert und eine zu frühe Belastung der zusammengefügten Bauteile vermieden werden – Rot heißt schlicht und einfach: Stopp! Selbst an Farbenblinde haben die 3M-Forscher gedacht und eine Kartusche entwickelt, die durch Kontrastfarben und eine simple Skalierung für das richtige Mischungsverhältnis des Zweikomponentenklebers sorgt. Zehn Monate dauerte es vom Telefonanruf der italienischen Kunden bis zum Prototyp. Eingeführt wird der innovative Klebstoff voraussichtlich Anfang 2013. Bei 3M sind sich die Verkaufsstrategen einig, dass durch die Veredelung des ursprünglichen Klebstoffs auch die Nachfrage in diesem speziellen Segment weiter anziehen wird.

Was Versicherer von ihren Kunden denken
Frühnebel, Dunkelheit und Frost - nicht nur für Autofahrer werden die kommenden Monate gefährlich. Für die Versicherer heißt es sogar auf Jahre hinaus: "Augen auf" und "Licht an"! Damit sie die Kunden und ihre Bedürfnisse besser erkennen! Sonst sieht es bald ganz düster aus. Quelle: dpa
Versicherer verlieren Kunden aus den AugenKein gutes Umfeld für Versicherungsgeschäfte sehen die Berater: Die Beitragseinnahmen der Versicherungsgesellschaften stagnierten oder gingen sogar zurück. Der Wettbewerbsdruck in allen Sparten steige. Und die Regulierungsdichte wachse: Deutschlands Versicherer bewegten sich aktuell in einem schwierigen Marktumfeld und müssten - auch mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung der Branche - einen weitreichenden Umbau ihrer Geschäftsmodelle bewältigen. "Angesichts dieser Herausforderungen laufen viele Anbieter Gefahr, ihr wichtigstes Kapital aus den Augen zu verlieren: ihre Kunden", stellen die Berater fest. In der Folge steige die Unzufriedenheit und Wechselbereitschaft bei den Kunden, wie die aktuelle Bain-Befragung von mehr als 2.500 Kunden aller großen deutschen Versicherer belege. Quelle: Handelsblatt Online
Wie die Berater zufriedene Kunden erkennenBain & Company misst die Kundenzufriedenheit seit mehr als zehn Jahren mit dem Net Promoter® Score (NPS). Diese Kennzahl ergibt sich aus den Antworten auf eine einzige Frage: „Auf einer Skala von null bis zehn, wie wahrscheinlich ist es, dass Sie diese Versicherung einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ Die Antworten werden drei Kategorien zugeordnet. Dabei habe sich gezeigt, dass nur Werte von neun oder zehn für wirklich begeisterte Kunden stehen („Promotoren“), sieben und acht eher „passiv Zufriedene“ sind und Bewertungen von sechs oder weniger als „Kritiker“ eingestuft werden müssen. Minuswerte bedeuten, dass es weit mehr Kritiker als Anhänger gibt. Ein hoher NPS-Wert, insbesondere im Vergleich zum Wettbewerb, besitzt eine enorme wirtschaftliche Bedeutung. Quelle: Handelsblatt Online
Versicherte auf dem SprungDeutschlands Versicherern droht eine Abstimmung mit den Füßen, glauben die Bain-Berater aufgrund ihrer Befragungsmethode. 70 Prozent der Kritiker seien wechselwillig, und auch bei den neutral Eingestellten könne sich jeder Dritte einen Wechsel seiner bisherigen Versicherung vorstellen. Zwar befänden sich damit Millionen Versicherte der Bain-Umfrage zufolge auf dem Sprung. Doch noch hätten die Versicherer Zeit zu reagieren. Denn bislang suche nur eine Minderheit der Wechselwilligen aktiv nach alternativen Angeboten; die Mehrzahl würde erst handeln, wenn ein solches vorläge. Quelle: Handelsblatt Online
Aktiengesellschaften sind schlecht angesehenDie Unzufriedenheit der Kunden betrifft Vertreter aller Unternehmensgruppen. Allerdings differenzieren die Bundesbürger zwischen den einzelnen Anbietern und treffen keine Pauschalurteile. Bei einer Betrachtung der durchschnittlichen NPS-Werte für die großen Aktiengesellschaften, Versicherungsvereine, öffentliche Versicherer und Direktversicherer komme es daher zu erheblichen Unterschieden, so die Berater. "Das Nachsehen haben die großen Aktiengesellschaften." Dazu zählen die Branchengrößen Allianz, Munich Re mit der Ergo sowie Talanx. Quelle: Handelsblatt Online
Loyalität fördert EmpfehlungsbereitschaftBesonders loyale Kunden bleiben ihrem Anbieter länger treu als Kritiker oder neutral Eingestellte: Im Durchschnitt liegt die Vertragslaufzeit mit 9,4 Jahren rund eineinhalb Jahre bzw. 22 Prozent höher als bei anderen Kunden. Solche Kunden agieren zudem freiwillig als Markenbotschafter. Sie empfehlen ihre Versicherung im Durchschnitt 1,7-mal pro Jahr einem Freund oder Kollegen. Alle anderen können sich nicht durchringen, jemandem auch nur einmal pro Jahr zu einem Wechsel zu ihrem Anbieter zu raten. Besonders ausgeprägt ist die Empfehlungsbereitschaft bei den oftmals stark in einer Region verwurzelten öffentlichen Versicherern: Hier raten besonders loyale Kunden durchschnittlich sogar mehr als 2,1-mal pro Jahr einem Wechselwilligen zu. Generell steigt die Bereitschaft zur Weiterempfehlung, wenn Kunden mehrere Produkte eines Anbieters nutzen. Quelle: Handelsblatt Online
Begeisterung steigert den AbsatzBegeisterte Kunden bringen fast doppelt so hohe Prämieneinnahmen, stellen die Berater fest. Der Wert einer Empfehlung lasse sich nur schwer beziffern. Anders sehe dies beim Erwerb einer größeren Zahl von Produkten und längeren Vertragslaufzeiten aus. Diese beiden Faktoren führten dazu, dass die kumulierten Prämieneinnahmen eines loyalen Kunden mehr als doppelt so hoch liegen wie die eines Kritikers. Schon wenn es gelinge, einen Kritiker zu einem neutral eingestellten Kunden zu machen, steige die kumulierte Prämie um 42 Prozent. Quelle: Handelsblatt Online

Der Kunde muss mitdiskutieren dürfen

„Die Idee ist der embryonale Zustand eines zukünftigen Produktes“, betont Stephan Rahn, bei 3M in Neuss verantwortlich für das Innovationsmanagement. Dass die Kunden dabei ein gewichtiges Wort mitreden, ist ausgemachte Sache. In weltweit 30 sogenannten Customer Technical Center können sie mit Forschern diskutieren und sagen, was sie wie verbessern würden. Diese Zentren sind somit eine Art Umschlagplatz für Ideen. „Rund 80 Prozent unserer Innovationen stammen aus den Dialogen mit Kunden“, betont Rahn.

Allein ins Neusser Customer Technical Center, mit rund 300 Wissenschaftlern und Technikern aus 14 Nationen das größte 3M-Labor in Europa, pilgern jährlich rund 7.000 Besucher. Dort testen und bewerten sie die neuen Produkte.

Kritische Kunden

Dem Urteil einer solchen Kundenjury mussten sich auch zehn verschiedene Displayschutzfolien für Laptops stellen. Mit Stiften und Radierern malträtierten die Hobby-Tester die Folien und überprüften sie auf verschiedene Eigenschaften: Wie schnell lösen sich die Folien vom Display? Wie gut lassen sie sich säubern? Sind sie anfällig für Kratzer? Reflektieren sie zu stark? Danach kürten sie ihr favorisiertes Modell. Es gehört heute genauso zur 3M-Produktpalette wie reflektierende Folien für Autokennzeichen und Straßenschilder oder Verschlusssysteme für Windeln. Mehr als 52.000 Produkte sind es mittlerweile, hinter denen weltweit über 26.000 Patente stehen.

Auch der Hausgerätehersteller Miele macht sich mit seinen Innovationen einen Namen. Selbst der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs lobte das ostwestfälische Familienunternehmen aus Gütersloh für seine Produktentwicklung. Das Erfolgsrezept: „Die Abteilung ist bei uns in den jeweiligen Werken angesiedelt“, sagt Markus Miele, Mitglied der Geschäftsführung und Urenkel des Firmengründers Carl Miele, „eine zentrale Entwicklungsabteilung auf der grünen Wiese nebst zentralem F&E-Chef gibt es nicht.“

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