Die Marktforscher befragten im Auftrag der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC mehr als 1100 Führungskräfte weltweit. Zwar hatten etwa zwei Drittel der CEOs keinen Zweifel daran, dass Big Data die Art verändert, wie Entscheidungen getroffen werden. Doch selbst wenn es um wichtige strategische Entscheidungen ging, vertrauten 30 Prozent der befragten Unternehmenslenker immer noch mehr ihrer Intuition und Erfahrung als den harten Zahlen.
Aber woher kommt dieses Gefühl, dem nicht nur Firmenvorstände gehorchen, sondern dem fast jeder schon bei wichtigen Entscheidung vertraut hat? Und was will es uns damit sagen? Sollten wir darauf hören – oder es lieber ignorieren?
Sobald sich eine Entscheidung anbahnt, läuft der intuitive Denkprozess unterbewusst ab. Gefüttert wird er von den verfügbaren Informationen einerseits und dem Wissen und den Erfahrungen andererseits, die im Langzeitgedächtnis gespeichert sind. Automatisch beginnen Tausende von vernetzten Neuronen zu feuern. Sie formen aus den verfügbaren Daten und Fakten eine Interpretation, die sich in einem Gefühl ausdrückt. Und das eigentlich Verblüffende ist: Dieses Wissen – etwas zu wissen, ohne zu wissen, warum –, das ohne bewusstes Zutun entsteht, liefert nicht nur schnelle, sondern oft auch die richtigen Antworten.
Besser entscheiden
Hätte eine Fehlentscheidung ernsthafte, unwiderrufliche Konsequenzen? Stehen Jobs auf dem Spiel? Falls nein – dann trauen Sie sich!
Nehmen Sie die Position eines hartnäckigen Kritikers ein: Was können Sie aus seinen Argumenten lernen?
Stellen Sie sich auch mal andere Fragen: Womit rechnen Sie keinesfalls – und wie reagieren Sie, falls es trotzdem passiert?
Schlafen Sie eine Nacht drüber: So kann Ihr Unterbewusstsein das Problem durchdringen.
Seien Sie skeptisch im Hinblick auf Daten und Dogmen: Vielleicht hatte der frühere Erfolg in Wahrheit andere Gründe? Ursache und Wirkung werden gerne mal verwechselt.
In einer aktuellen Studie konnte Jacob Sherson von der Aarhus Universität das ausgerechnet am Beispiel der Quantenmechanik zeigen. Einem Feld, das so kompliziert ist, dass selbst Experten behaupten: Wenn man glaubt, es zu verstehen, hat man es nicht richtig verstanden.
Bauchgefühl übertraf den Computer
Sherson und seine Kollegen hatten ein Problem. Sie wollten ein einzelnes Atom bewegen, ohne dass ihm dabei die für quantenmechanische Prozesse wichtigen Informationen abhandenkommen. Ihnen war klar, dass dafür eine bestimmte Technik und Geschwindigkeit gefragt ist – aber nicht, welche genau. Um den optimalen Transportmechanismus für die einzelnen Atome herauszufinden, fütterten sie einen Computer mit der Aufgabenstellung und den nötigen Daten. Außerdem programmierten sie ein Videospiel, das das Problem simulieren sollte. Testpersonen konnten darin spielend eigene Lösungen ausprobieren.
Und siehe da: Das Bauchgefühl schlug den Algorithmus. Intuitiv fanden die menschlichen Teilnehmer oftmals eine annähernd optimale Methode, für die der Algorithmus Hunderttausende Versuche benötigte.
Shersons Studie zeigt, dass selbst im Angesicht höchster Komplexität die Intuition ein guter Ratgeber sein kann. Doch auch für im Vergleich dazu trivialere Unternehmensentscheidungen kann das Bauchgefühl äußerst hilfreich sein, wie eine Gruppe um die Marketing- und Innovationsforscherin Katrin Eling von der Technischen Universität Eindhoven in einer kürzlich veröffentlichten Studie herausfand. Darin sollten Produktentwicklungsexperten das Potenzial von verschiedenen Ideen beurteilen. Die Qualität der Ideen legten die Forscher fest, indem sie ihnen je zwölf Eigenschaften gaben, die entweder positiv oder negativ sein konnten. Zum Beispiel konnte eine Produktidee eine lange oder kurze Entwicklungszeit haben oder mit bestehenden oder neuen Zulieferern realisiert werden. Je mehr positive Ausprägungen eine Idee hatte, desto besser war sie objektiv gesehen.
Wer sich bewusst von einem Problem ablenken kann, trifft bessere Entscheidungen
Die Probanden wurden nun in verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine Hälfte der Teilnehmer musste sich nach dem Anschauen der Ideen drei Minuten lang bewusst mit deren Vor- und Nachteilen auseinandersetzen. Die zweite Hälfte wurde durch ein Puzzlespiel abgelenkt, dadurch sollte sich nur ihr Unterbewusstsein mit den Ideen beschäftigen. Darauf folgte eine Entscheidungsphase, in der sowohl die Abwägenden als auch die Abgelenkten wieder je in zwei Gruppen unterteilt wurden. Eine erhielt die Anweisung, sich rational für die beste Idee zu entscheiden. Die andere sollte aus dem Bauch heraus handeln.
Wenig überraschend: Insgesamt verbesserte das Wechselspiel zwischen Intuition und rationaler Beurteilung die Entscheidungsqualität. Schon überraschender: Wer zunächst durch das Puzzlespiel abgelenkt wurde, kam deutlich schneller zu einem Urteil. „Die unbewusste Verarbeitung ist ein viel besserer Startpunkt, um eine Idee abschließend zu beurteilen, als eine bewusste Abwägung“, schreiben die Autoren. In der Praxis sei es deshalb wichtig, dass sich die Entscheider bewusst ablenken können, um dem intuitiven Prozess genug Platz einzuräumen.