Karriere Der Bürofreund - Segen oder Fluch?

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Die Silhouette eines Mannes Quelle: dpa

Besonders eindrucksvoll demonstrierte das kürzlich eine Auszubildende aus Düsseldorf: "Ab zum Arzt und dann Koffer packen", verkündete die ihren "Freunden" auf Facebook das geplante Blaumachen. Dummerweise dem im Netzwerk ebenfalls assoziierten Chef genauso.

Selbst wenn ein Lapsus selten so gravierend ist: Der Dortmunder Arbeitspsychologe Michael Kastner rät zu einer "gesunden Halbdistanz" unter Kollegen. Das ist die andere Seite der Medaille: Enge Beziehungen am Arbeitsplatz können auch zu Interessenkonflikten, Enttäuschung und Neid führen. Dann etwa, wenn freundschaftliche Gefühle mit den Anforderungen der Arbeit kollidieren. Zum Beispiel wenn aus Kollegen und Freunden durch eine Beförderung Chef und Mitarbeiter werden.

Als Faustformel gilt: Je größer die Konkurrenz zwischen Gleichgestellten oder je stärker die berufliche Abhängigkeit voneinander, desto mehr Vorsicht ist bei der privaten Beziehung geboten.

Gerade im Top-Management sind enge Freundschaften unter Vorstandskollegen eher die Ausnahme. Nur selten schließen die Chefs Freundschaften im direkten Arbeitsumfeld. Zwar würde die überwiegende Mehrheit der Manager privaten Beziehungen am Arbeitsplatz Positives abgewinnen, hat Psychologe Refisch bei seiner Dissertation über "Führung und Freundschaft" herausgefunden. Jeder vierte Manager aber trennte persönlich lieber zwischen beruflichen und privaten Kontakten.

Dafür aber vernetzen sie sich umso öfter mit Gleichgesinnten, die in ihrer jeweiligen Branche zur Spitze zählen. Das gemeinsame Leistungsethos verbindet, wissen Soziologen – und das unterschiedliche Betätigungsfeld ermöglicht den ungeschminkten Austausch.

Wichtige Ab- und Aussprachen

Klar ist, Büro-Freundschaften müssen weder am Wettbewerb noch an Hierarchien scheitern. Es bedarf allerdings offener Aussprachen über unterschiedliche Rollen und den damit verbundenen Erwartungen – etwa wenn sich befreundete Kollegen um den gleichen vakanten Posten bewerben oder der Freund zum Vorgesetzten wird.

Ehrlichkeit ist im Umgang miteinander das oberste Gebot. Dennoch muss klar sein: "Es gibt Dinge im Job, die man einfach nicht weitersagen kann", sagt die Targobank-Managerin Alexandra Frenz.

Derlei Fingerspitzengefühl ist nicht nur in der Zweierbeziehung am Arbeitsplatz gefragt, sondern auch gegenüber Dritten.

Häufig werden befreundete Kollegen der Kumpanei verdächtigt. Für Freundschaften im Büro gilt dasselbe wie für Liebespaare, die sich bei der Arbeit kennengelernt haben: nicht ständig zusammen glucken oder gar das Gespräch verstummen lassen, wenn Kollegen hinzukommen.

Wer seine Freundschaft demonstrativ zur Schau stellt, riskiert, von Informationen abgeschnitten zu werden, und sät Misstrauen: Bevorzugt der Vorgesetzte den Freund? Oder trägt der Details aus Kollegengesprächen nach oben? "Sobald man das Gefühl hat, Kollegen könnten die Freundschaft negativ interpretieren, sollte man sich erklären und die anderen auch dazu einladen", sagt Unternehmensberater Moritz Freiherr Knigge, der unter anderem Seminare zum Thema gibt.

Über den Wert von Freundschaft sinnierte bereits 1788 dessen berühmter Vorfahr Adolph Freiherr von Knigge. In seinem Standard-Werk "Über den Umgang mit Menschen" schrieb er: "Es gibt Menschen, die gar keinen vertrauten Freund haben. Andre sind aller Welt Freunde. Lasset uns zu keiner von beiden Klassen gehören!"

Mehr als 200 Jahre später und in Zeiten von Online-Netzwerken gilt das Bonmot mehr denn je.

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