Laborexperimente verändern die Ökonomie "Wer Gier beobachtet, wird selber gierig"

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Wer Gier sieht, wird gierig.

Nach Erkenntnissen der Verhaltensökonomie beobachten Menschen auch das Verhalten ihrer Mitmenschen, um zu Entscheidungen zu gelangen. Sind die Menschen also von äußeren Einflüssen determiniert?

Ja. Es gibt eine Reihe rationaler und nicht rationaler Gründe, das Verhalten anderer bei eigenen Entscheidungen zu berücksichtigen. Dazu gehören Lernen und normkonformes Verhalten. Unsere Studien untersuchen solche Aspekte und bauen sie in die Modelle ein.

Wer Gier beobachtet, ist also geneigt, selber gierig zu werden?

Ja, wir neigen dazu, uns mit anderen Menschen zu vergleichen. Dies gilt nicht nur für Gier, sei es Geldgier oder Neugier, sondern in fast allen sozialen Kontexten. Menschen mögen es insbesondere nicht, hinter andere zurückzufallen. Die dem zugrunde liegenden evolutionären Gründe und kognitiven Mechanismen sind recht gut verstanden. Die Auswirkungen auf das Verhalten werden allerdings noch unterschätzt.

Lassen sich Menschen in Richtung Kooperation und Fairness steuern? Braucht es nur den richtigen Rahmen, der Handlungen vorstrukturiert?

Wenn das so einfach wäre, könnten wir einige große Herausforderungen unserer Zeit abhaken. Doch tendenziell stimmt es schon: Wer die Spielregeln macht, kann Verhalten lenken. Tatsächlich hat die Kooperationsforschung in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. Zum Beispiel haben wir gelernt, wie sich in Auktionen eine unerwünschte Kooperation zwischen Bietern durch kluges Marktdesign verhindern lässt. Derlei Erkenntnisse darüber, was Kooperation erleichtert oder erschwert, hilft uns wiederum, in anderen Situationen für mehr Kooperation und Vertrauen zu sorgen.

Zum Beispiel?

Ein Beispiel ist die Schaffung von Spielregeln, die das Vertrauen zwischen Millionen anonymer Menschen in großen Internet-Märkten erleichtern können. Eine Stellschraube dabei ist die Kanalisierung von Informationen, die es den Akteuren erlauben, Kooperation möglichst genau zu identifizieren und etwa durch Weiterempfehlung zu belohnen. Der Impuls zu belohnen ist zwar auf rationaler Basis oft nicht zu erklären, aber tief im Menschen verankert. Gleichzeitig aber müssen wir Anreize vermeiden, kooperative Verhaltensmuster strategisch auszubeuten.

Wie akquirieren Sie eigentlich die Probanden für Ihre Experimente?

An der Universität zu Köln haben wir einen Pool von mehreren Tausend Studenten, die an Experimenten in Computerlaboren der Wirtschaftswissenschaft und Psychologie teilnehmen. In anderen Studien führen wir unsere Experimente mit Managern und anderen Marktakteuren im Feld durch.

Wie viele Probanden haben Sie im Schnitt pro Experiment?

Das ist sehr unterschiedlich. In Laborstudien sind in der Regel über 100 Versuchspersonen beteiligt. In Feldstudien variieren die Beobachtungszahlen von ein paar Dutzend bis zu einigen Tausend.

Was können Wirtschaft und Politik aus Laborversuchen lernen?

Experimente können helfen, zuverlässigere Verhaltensmodelle zu entwerfen, unsere Erkenntnisse in die Praxis zu kommunizieren und neue Ideen gewissermaßen im Windkanal zu testen. Praktiker lassen sich nämlich selten allein durch mathematische Beweise überzeugen. Die Internet-Ökonomie setzt experimentelle Methoden bereits im großen Maßstab ein, und einige andere Industrien ziehen nach.

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