Lampenfieber Warum wir Angst vor der Blamage haben

Viele Menschen zittern vor öffentlichen Auftritten, Manager ebenso wie Musiker. Perfektionisten leiden besonders häufig unter Lampenfieber. Warum die Angst vor dem Scheitern so dominant ist.

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Lampenfieber: Angst vor der Blamage. Quelle: Getty Images

Es gibt Ereignisse, an die man sich auch 25 Jahre später noch so gut erinnern kann, als seien sie gestern erst passiert. In meinem Fall ist das eine Schulaufführung im letzten Jahr an der Grundschule. Nachmittags sollte ein kleines Theaterstück gezeigt werden, das wir wochenlang einstudiert hatten. Meine Rolle im Stück war nicht besonders groß, genauer gesagt beschränkte sie sich auf einen einzigen Satz, den ich kurz vor der Pause auf der Bühne aufzusagen hatte. Und genau das war das Problem.

Ich lugte während der Vorstellung hinter dem Vorhang auf meine Mitschüler, die mit geschwellter Brust ihre Dialoge vortrugen. Und je näher mein Einsatz kam, desto nervöser wurde ich plötzlich. Etwa fünf Minuten vor der Pause begann ich mir der Tatsache bewusst zu werden, dass ich diese Bühne niemals würde betreten können. Auf. Keinen. Fall.

Zehn Tipps gegen Lampenfieber
Ein Mann steht in einem dunklen Raum Quelle: dpa Picture-Alliance
"Sheldon Cooper" (Jim Parsons) aus der Fernsehserie "The Big Bang Theory" steht an einer Tafel Quelle: obs
Angela Merkel schaut auf ihre Uhr Quelle: dpa
Symbolbild mit Strichmännchen und dem Wort "Team" Quelle: Fotolia
Ein Mann im Anzug hockt in Startposition am Rand einer Straße
Ein Mann blickt lächelnd in die Kamera und hält den Daumen nach oben Quelle: Fotolia
Eine Frau sitzt an einem Schreibtisch und verschränkt die Arme hinter ihrem Kopf Quelle: Fotolia

Ich zitterte, in meinem Hals pochte es, und ich hatte tatsächlich meinen Text vergessen – obwohl der nur aus drei Wörtern bestand: „Himmel, der Watzmann!“ Also blieb ich hinter der Bühne stehen, der dunkle Samtvorhang wurde für mich zu einer eisernen, undurchdringbaren Wand. Die Kinder auf der Bühne wiederholten dreimal meinen Einsatz, im Publikum wurde geräuspert, die Lehrerin schob mich mit der flachen Hand auf dem Rücken nach vorn. Ich aber klammerte mich am Vorhang fest und konnte durch einen Spalt meine Eltern erkennen, Fotoapparat in der Hand, enttäuschte Miene im Gesicht.

Nachdem ein anderes Kind meinen Satz aufgesagt hatte, überfiel mich Scham, aber auch Erleichterung – und das jämmerliche Gefühl des Versagens. Gleichzeitig war ich überrascht. Im Vorjahr hatte ich noch stolz auf dem 65. Geburtstag meiner Großmutter live und in Fantasie-Englisch einen Celine-Dion-Hit geträllert. Was war in der Zwischenzeit bloß mit mir passiert?

Kleine Kinder haben kein Lampenfieber

Die amerikanische Journalistin Sara Solovitch hat sich intensiv mit dem Thema Lampenfieber auseinandergesetzt und gerade ein Buch dazu veröffentlicht: „Playing Scared“, also „ängstlich spielen“. Darin widmet sich Solovitch, die als Kind eine talentierte Pianistin war, der Geschichte, Psychologie und Philosophie des Lampenfiebers; beschreibt, wie sie ein Leben lang Angst vor Auftritten hatte; und schildert in einem Selbstversuch, wie sie sich ein Jahr lang bewusst damit auseinandersetzte. Denn auch bei ihr begann das Lampenfieber erst mit der Jugend.

Kein Wunder: Kinder unter zehn Jahren kennen in der Regel keine Angst vor Auftritten, weil sie soziale Bewertung noch nicht scheuen und außerdem einen sehr geringen Erwartungsdruck an sich selbst haben. Ihnen ist das Gefühl fremd, sich lächerlich zu machen (was wahrscheinlich in meinem Fall auch besser war, weil ich ansonsten niemals freiwillig einen Celine-Dion-Song vor Publikum vorgetragen hätte).

Aber warum fürchten sich so viele Menschen davor, öffentlich zu sprechen oder aufzutreten? Warum löst die Angst vor einer Blamage so starke Regungen in uns aus, die den einen erst beflügeln, den anderen aber vollkommen lähmen? Steckt dahinter ein Überbleibsel aus der Evolution – oder deutet es auf eine fehlerhafte, frühkindliche Prägung hin?

Perfektionisten haben Lampenfieber

Je älter wir werden, desto mehr manifestiert sich unser soziales Wesen. Ihm ist es wichtig, wie es von anderen wahrgenommen wird. Psychologisch betrachtet ist die Angst vor Auftritten schlichtweg die Furcht vor einer negativen Beurteilung durch andere. Solche Ängste haben vor allem diejenigen, die sich persönlich stark von ihrem Auftritt abhängig machen. Menschen, die berufsbedingt ständig Präsentationen halten müssen: Manager, Politiker, Moderatoren, aber auch Musiker oder Sportler.

Einer amerikanischen Studie zufolge geben 74 Prozent der Menschen „Sprechen in der Öffentlichkeit“ als eine ihrer größten Ängste an. Selbst Cicero, der berühmteste Redner Roms, soll unter Lampenfieber gelitten haben. Und der große Schriftsteller Mark Twain hat es auf den Punkt gebracht: „Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Augenblick der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.“

Ängstliche und Perfektionisten sind besonders häufig betroffen

Herzrasen, Schwitzen, Kreislaufprobleme, Magenverstimmungen und Konzentrationsschwierigkeiten: Die Symptome des Lampenfiebers sind unterschiedlich und basieren alle auf einer erhöhten Cortisol-Ausschüttung. Das Stresshormon bewirkt einen Zustand, den manche Verhaltensforscher „Flüchten oder Kämpfen“ nennen. Was angesichts einer Gefahrensituation sicher hilfreich sein kann, hat im Alltag allerdings weder Sinn noch Platz – und erst recht nicht auf einer öffentlichen Bühne. Doch gerade dort grassiert das Lampenfieber besonders gerne.

So tricksen Sie Ihren Schweinehund aus

Unter Musikern sei es ein bekannter und verhasster Zustand, der oft „ängstliche Menschen trifft“, sagt Déirdre Mahkorn, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Sie hat vor fünf Jahren eine Lampenfieber-Ambulanz an der Universität in Bonn gegründet, die sie gemeinsam mit einem Kollegen führt.

Dort lassen sich aus beinahe allen deutschen Theatern und Rundfunkorchestern Musiker behandeln, genauso wie Politiker aus Landesregierungen oder Führungskräfte großer Unternehmen. Die Auftrittsangst, sagt die Expertin, treffe fast ausnahmslos Perfektionisten: „Sie sind oft die Besten. Absurderweise wissen die Besten aber oft nicht, dass sie die Besten sind.“

Ein Persönlichkeitsmerkmal, das vor allem Manager und Politiker eint: „Viele von ihnen sind süchtig nach positivem Feedback, streben nach Bedeutung und verlieren leicht das Maß ihrer Arbeit aus den Augen.“ Kann man Lampenfieber also als eine Art narzisstische Zwangsstörung verstehen? Nicht unbedingt. Eher ist sie eine soziale Phobie, die viele betrifft und sogar bis zur Todesangst steigerungsfähig ist. „In den vergangenen Monaten kommen sogar Köche zu uns in die Ambulanz“, sagt Mahkorn, „weil sie Kochkurse anbieten wollen, aber Panik beim Gedanken daran bekommen, vor mehr als drei Teilnehmern zu sprechen.“

Vollständig Heilung ausgeschlossen

Die schlechte Nachricht: Es fällt auch der Fachärztin nicht leicht, ihnen zu helfen. Vollständige Heilung ist bei Lampenfieber nämlich ausgeschlossen. Aber: „Je öfter Sie sich einer Situation aussetzen, vor der Sie Angst haben, desto eher können Sie damit umgehen.“ Wichtig sei es, dass sich die Betroffenen an echte Experten wenden und nicht an selbst ernannte Coaches: „Ängste und Panikattacken gehören grundsätzlich in die Hände von Ärzten.“

Liest man die unzähligen Ratgeber zum Thema, sollen Rollenspiele, positive Autosuggestion und Übungen zur Muskelentspannung helfen. Weil sich das aber so unbefriedigend anhört, wie es wahrscheinlich auch ist, suchen Betroffene die Hilfe längst nicht allein bei anerkannten Fachleuten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche Profimusiker sich vor Auftritten Betablocker einschmeißen, weil die Bluthochdrucksenker die körperlichen Folgen der Adrenalinausschüttung unterdrücken. Und trinken die ehrgeizigen Figuren in der Fernsehserie „Mad Men“ nicht auch andauernd Alkohol vor wichtigen Kundenpräsentationen? Es scheint, als würde sich der Gedanke ans Scheitern beinahe zur Existenzbedrohung entwickeln – erst recht in einer Gesellschaft, die viel Wert auf Erfolg legt.

Die Angst vor der Angst

Die australische Musikprofessorin Dianna Kenny beschrieb vor einigen Jahren in einem Buch, wie Menschen sich von der „Angst vor der Angst“ regelrecht fertig machen lassen: Einer jungen Musikerin zitterten bei einem Konzert die Finger so arg, dass sie die Klaviertasten nicht mehr treffen konnte. Ein erfahrener Pianist musste eine Aufführung in der Londoner Royal Albert Hall fünf Minuten vor Vorstellungsbeginn hinschmeißen, weil er nicht mehr richtig einatmen konnte. 1994 wurde die „music performance anxiety“ sogar als offizielles Krankheitsbild durch die American Psychiatric Society klassifiziert.

Stage Fright gibt es auch im Privaten

Dabei klingt im Deutschen der Begriff Lampenfieber ja fast ein wenig putzig. Nach Angaben des Duden leitet er sich von der Beleuchtung auf einer Bühne ab, den sogenannten Rampenlichtern. Im Englischen klingt das schon weniger harmlos: „Stage Fright“, was übersetzt so viel heißt wie „Bühnenangst“.

Um dieses Thema dreht sich passenderweise gleich ein Dutzend Horrorfilme – der bekannteste von Alfred Hitchcock handelt von einem Mord in der kalifornischen Schauspielszene; im gleichnamigen Horror-Musical aus dem Jahr 2014 hat der Sänger Meat Loaf eine Nebenrolle und lässt die Geschichte mit einem blutigen Massaker auf der Bühne enden. Beide Filme spielen mit einer Art Worst-Case-Szenario des Lampenfiebers: dem tatsächlichen Sterben auf der Bühne. Denn den psychischen Tod kennen die Betroffenen ja bereits recht gut.

Auch im privaten Rahmen gibt es Beispiele für Auftrittsangst: Vor drei Jahren war ich auf der Hochzeit einer Freundin am Bodensee eingeladen. Die Tische auf der Terrasse des feinen Hotels waren mit schneeweißen Tischdecken geschmückt, die Sonne ging gerade unter und spiegelte sich in den Kristallgläsern, die Luft vibrierte von den Lachsalven und enthusiastischen Begrüßungen alter Freunde. Alles war perfekt – bis zu jenem Moment, an dem der Brautvater beschloss, eine Rede zu halten.

Tipps für die perfekte Rede

Der Mann, ein erfolgreicher oberschwäbischer Geschäftsmann, dem man jede Eloquenz und Redegewandtheit dieser Welt zugetraut hätte, wurde zunächst unnatürlich blass. Dann klopfte er an ein Glas und das fiepende Mikro („Äh, könnt ihr mich alle hören?“). Bereits bei der Begrüßung der Gäste verhaspelte er sich dreimal; räusperte sich nach jedem Wort so laut, als hätte er eine mittelschwere Halsentzündung; begann nur noch ziellos vor sich hinzustottern. Meine Freundin, inzwischen ebenso blass wie ihr Vater, trat irgendwann nach vorn, um ihn zu retten.

Der Mann errötete vor Scham und trank sein Champagnerglas in einem Schluck leer, keiner hätte in diesem Moment mit ihm tauschen wollen. Ihm blieben nur noch das Mitgefühl und die Sympathien der Gäste. Immerhin, auch das macht den Menschen als soziales Wesen aus: Er kann sich in die Situation des anderen hineinversetzen. Hätte der Brautvater den plötzlichen Aussetzer offen kommuniziert, hätte das sicher für Lacher anstatt peinlicher Stille gesorgt – und er hätte zurück in seine Rede gefunden.

Je höher die Erwartungen, desto größer die Angst

Bei einer Gehaltsverhandlung oder während eines Vorstellungsgesprächs kann man sich darauf freilich nicht verlassen. Wohl aber auf die Chance, die die Cortisol-Ausschüttung ebenfalls mit sich bringen kann: eine Art Gehirn-Doping – Wachheit, Konzentration –, das professionelle Redner oft sogar noch beflügelt, anstatt sie zu hemmen. Und es bleibt die tröstende Gewissheit, dass wir im Zustand der Verliebtheit fast die gleichen Hormonschwankungen durchleben wie beim Lampenfieber.

Bewerbungstipps für Schüchterne
Vorbereitung ist die halbe MieteSetzen Sie sich intensiv mit Ihrem eigenen Lebenslauf auseinander. Nichts ist peinlicher, als wenn man seinen eigenen Werdegang nicht wiedergeben kann. Versuchen Sie auch, sich für die Stelle, auf die Sie sich bewerben, die jeweils wichtigsten Stationen Ihres Werdegangs klarzumachen und denken Sie darüber nach, wie sie Sie persönlich weitergebracht haben. Bereiten Sie sich also gut auf die ausgeschriebene Stelle vor und machen Sie sich mit den Anforderungen vertraut, die man dort an Sie stellen wird. So können Sie nicht so leicht überrascht werden und routiniert auf Fragen zu Kompetenzen antworten. Quelle: Fotolia
Perfektion gibt es nichtIntrovertierte Menschen sind oft extrem selbstkritisch und neigen zum Perfektionismus. Sie sollten sich klar machen, dass Ihre Ansprüche an sich selbst vermutlich viel höher sind, als die Anforderungen der Personaler. Sie erwarten keine Perfektion, keinen durchgestylten Lebenslauf, sondern wollen Sie persönlich und Ihre Fähigkeiten kennenlernen – und natürlich auch prüfen, ob Sie charakterlich ins Team passen. Eine eventuelle Absage hat also nichts mit „versagen“ zu tun – vielleicht wären Sie mit den potentiellen zukünftigen Kollegen auch überhaupt nicht klar gekommen. Quelle: Fotolia
Rollenspiele können helfen…Hier geht es nicht darum, sich in einen Elfen oder Zauberer zu verwandeln und mit Gummischwertern zu kämpfen – finden Sie sich in Ihre Rolle als Sie selbst ein. Üben Sie mit vertrauten Menschen, etwa dem Partner oder engen Freunden das Vorstellungsgespräch ein, bei denen es Ihnen nicht peinlich ist ins Stottern zu geraten, rot zu werden und so weiter. Es werden immer wieder ähnliche Fragen auftauchen und je vertrauter Sie damit sind, umso weniger unangenehm wird mit der Zeit auch die Situation. Quelle: Fotolia
…aber spielen Sie keine RolleWählen Sie Kleidung, in der Sie sich wohl fühlen und sich nicht verkleidet vorkommen. Wählen Sie Farben und Muster, bei denen man eventuelle Schweißausbrüche nicht sofort sieht. Stehen Sie auf jeden Fall zu Ihrer Schüchternheit und Nervosität. Authentisch herüberzukommen ist besser, als zu versuchen den Obercoolen zu spielen. Das wird Ihnen vermutlich in der Stress-Situation des Bewerbungsgesprächs sowieso nicht durchgehend gelingen – und erst recht nicht, falls so die Hürde übersprungen wird und man sich nun tagtäglich im Büro verstellen muss. Wenn Sie im Vorstellungsgespräch unehrlich sind und zum Beispiel vorgeben, total gerne Vorträge vor Gruppen zu halten, kann es zwar sein, dass genau das für die Stelle gesucht wird – aber dann müssen Sie diese Erwartungen auch im Alltag erfüllen können. So wird der Job schnell zum Albtraum.
Lassen Sie sich ZeitIm Vorstellungsgespräch kommt der Blackout – vor lauter Nervosität verlieren Sie den Faden. Nun bloß nicht in Panik verfallen. Nehmen Sie sich Zeit, sagen Sie ehrlich, dass Sie nervös sind und kurz nachdenken müssen. Das wird Ihnen jeder seriöse Personaler zugestehen – und wenn nicht, sind Sie sowieso an der falschen Adresse. Quelle: Fotolia
Eigenlob umgehenAnstatt darzustellen, wie toll Sie sind und sich dabei unwohl zu fühlen, umgehen Sie dies einfach, indem Sie vor allem über Ihre Erfolge und Erfahrungen berichten. Hier hilft es wieder, wenn man den eigenen Lebenslauf gut vor Augen hat und sich daran entlang hangeln kann. Sowas gibt Sicherheit, und reale Beispiele aus Ihrem Leben lassen sich leichter erzählen als dick aufgetragenes Eigenlob. Quelle: Fotolia
Einen „Spickzettel“ schreibenEin Trick um die flatternden Nerven zu beruhigen ist sich auf typische Fragen, die im Gespräch auftauchen können, vorzubereiten – und die Antworten aufzuschreiben. Vielen Menschen hilft es, so die Antworten zu verinnerlichen. Wiederholtes Lesen der Liste mit den eigenen Stärken verhilft zu einer positiven Einstellung. Auch Fragen, die man meist am Ende des Gesprächs stellen kann, kann man sich vorher aufschreiben. Nehmen Sie sich Ihren „Spicker“ mit. Wahrscheinlich müssen Sie ihn nicht einmal aufschlagen, allein die Sicherheit, dass Sie die Fragen und Antworten vor sich oder sicher in Ihrer Tasche wissen, beruhigt die Nerven. Quelle: Fotolia

So wie der Personalleiter eines mittelständischen Unternehmens. Bei Betriebsversammlungen muss er oft vor der gesamten Belegschaft sprechen, obwohl ihn das jedes Mal an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt. Vor lauter Herzrasen und Luftwegbleiben muss er seinen Vortrag grundsätzlich schneller beenden als ursprünglich geplant. Als er kurz nach einer der letzten Versammlungen in der Kantine einem Vorstand begegnete, lobte der explizit seine knappe, präzise Redeweise. Dass er währenddessen vor Aufregung innerlich kochte, hatten seine Zuhörer nicht mal bemerkt.

Die zehn Stärken introvertierter Personen

Der Pädagoge Gerhard Mantel schreibt in seinem Buch „Mut zum Lampenfieber“: Je größer der freie gestalterische Spielraum, den man sich selbst bei einem Auftritt zugesteht, desto geringer die Angst, einen Fehler zu machen. Oder andersrum: Je höher die Erwartungen an sich selbst und je starrer das Korsett des Vortrags, desto schwerer macht man es sich.

Meistens sind die Situationen nachträglich sowieso viel harmloser. Der Brautvater tanzte in jener Hochzeitsnacht beschwingt bis fünf Uhr morgens, offensichtlich war er froh darüber, dass die Anspannung seiner Rede endlich abfiel. Bei der Hochzeit seiner zweiten Tochter will er sich bei der Gästebegrüßung durch seine Frau vertreten lassen.

Und die Schulaufführung in der Grundschule? 25 Jahre später kann sich keiner meiner Klassenkameraden mehr an meinen Nichtauftritt erinnern. Von der Celine-Dion-Interpretation gibt es dagegen leider Videoaufnahmen.

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