Manche Dinge halten so gut wie ewig, wenn man sie halbwegs gut behandelt. Das Meißener Porzellan zum Beispiel, das Oma vorm Krieg als Aussteuer bekam, erfüllt immer noch seinen Zweck, solange man es nicht auf den Boden fallen lässt. Für die weltberühmte Meißener Manufaktur ist der lange Lebenszyklus ihres Edel-Geschirrs allerdings auch ein großes Problem und wohl auch ein Hauptgrund dafür, dass sie ohne staatliche Subventionen aus Dresden längst nicht mehr bestehen würde. Was Jahrhunderte übersteht, muss man nicht neu kaufen.
Nutzungsdauer von Elektrogeräten
Das Umweltbundesamt untersucht in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut und der Universität Bonn, wie lange Elektro- und Elektronikgeräte genutzt werden. Außerdem wird erhoben, wann die Geräte das erste Mal Defekte aufweisen und warum sie ausgetauscht werden. Erste Zwischenergebnisse wurden am 1. März 2015 vorgestellt, die Studie soll bis Ende 2015 abgeschlossen sein.
Schneller, größer, mehr Funktionen: Besonders bei TV-Geräten ist die Bereitschaft der Verbraucher hoch, nach kurzer Zeit ein neues anzuschaffen - auch, wenn es der alte noch tut. Im Jahr 2012 wurden mehr als 60 Prozent der noch funktionstüchtigen Flachbildfernseher durch ein besseres Gerät ersetzt. Nur ein Viertel der Neukäufe wurde getätigt, weil das alte Gerät kaputt war. Durchschnittlich waren die ausgetauschten Fernseher 2012 gerade einmal 5,6 Jahre alt. Zum Vergleich: Der gute alte Röhrenfernseher brachte es im Schnitt auf zehn bis zwölf Jahre Nutzungsdauer.
Hierzu zählen etwa Waschmaschine, Trockner oder Kühlschrank. Die durchschnittliche "Erst-Nutzungsdauer" hat sich im Untersuchungszeitraum 2004 bis 2012 um ein Jahr verkürzt: Im Schnitt sind die Produkte ab Kauf 13 Jahre im Einsatz. Ein Drittel der Geräte war zum Zeitpunkt des Ersatzkaufs noch funktionstüchtig. Die Verbraucher trieb vor allem der Wunsch nach einem besseren Gerät an. Zugleich hat sich aber auch der Anteil der Geräte, die wegen eines Defekts schon innerhalb von fünf Jahren ersetzt werden mussten, mehr als verdoppelt: Von 3,5 auf 8,3 Prozent.
Die tragbaren Computer stellen eine Ausnahme dar. Ihre "Erst-Nutzungsdauer" blieb über die Jahre nahezu konstant. Im Schnitt ist ein Laptop fünf bis sechs Jahre im Einsatz. Die Gründe für den Neukauf haben sich aber trotzdem gewandelt: Während im Jahr 2004 noch 70 Prozent der funktionsfähigen Notebooks wegen einer technischen Neuerung ausgetauscht wurden, war der Wunsch nach einem besseren Gerät 2012/13 nur noch bei einem Viertel ausschlaggebend. Technische Defekte hingegen waren für ein Viertel der Neukäufe verantwortlich.
Viele Elektrogeräte dagegen überstehen nicht mal ein Jahrzehnt. Bei vielen Druckern, Computerbildschirmen oder Waschmaschinen ist oft schon kurz nach Ablauf der Garantie Schluss. Steckt eine Absicht dahinter? Dass Hersteller bewusst Schwachstellen einbauen, um Kunden zum Kauf neuer Geräte oder zumindest zu teurer Reparaturen zu zwingen, galt bis vor einigen Jahren noch als eine Legende von Verschwörungstheoretikern. Doch den Erfahrungen vieler Konsumenten zufolge liegt es nahe, dass es tatsächlich so etwas wie „geplante Obsoleszenz“ gibt. Worunter nicht nur der Verbraucher, sondern vor allem die Natur zu leiden hat, weil sie mehr Rohstoffe liefern und Abfälle zurücknehmen muss, als notwendig wären.
Die immer lauter werdenden Vorwürfe haben die Politik auf den Plan gerufen. Unter anderem forderte die Verbraucherschutzministerkonferenz bereits 2013 Maßnahmen auf bundesweiter Ebene. Das erste Ergebnis dieser Maßnahmen liegt jetzt vor. In Form einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, die über die tatsächliche Bedeutung des Problems aufklären soll. Die Diskussion über das Phänomen hat dadurch eine neue Richtung erhalten.
Wie Sie Elektronik recyclen können
Auktionsportale wie eBay oder Kleinanzeigenplattformen sind eine gute Anlaufstelle, um Altgeräte loszuwerden. Was bei Auktionen zu beachten ist: Es kann passieren, dass Geräte unter Wert den Besitzer wechseln.
Über Portale wie reBuy, Wirkaufens oder Flip4New können alte Geräte noch zu Geld gemacht werden: Oft liegen die Angebote der Portale deutlich unter den Preisen, die man auf zum Beispiel auf eBay erzielen würde, dafür spart man sich das Risiko, Smartphone und Co. unter Wert zu verkaufen.
Wer möchte, kann mit seinen alten Geräten einen guten Zweck unterstützen. Einige Mobilfunkanbieter arbeiten dafür mit gemeinnützigen Organisationen zusammen. Alternativen: Vor Ort nach Institutionen wie der Obdachlosenhilfe schauen.
Ist ein Gerät kaputt, kann man es bei einer lokalen Sammelstelle, zum Beispiel beim Wertstoffhof, abgeben. Die Entsorgung kostet in den meisten Kommunen nichts, sofern man haushaltsübliche Mengen anliefert.
Wer sich den Weg zum Wertstoffhof sparen will, kann seine Elektrokleingeräte per Post verschicken. Die Deutsche Post bietet mit Electroreturn einen einfachen Dienst an. Online lassen sich kostenlose Versandmarken herunterladen und ausdrucken, mit denen die Geräte in die Post gegeben werden dürfen.
Zwar stellen die Autoren der Studie, Wissenschaftler des Öko-Instituts in Freiburg und der Universität Bonn, fest, dass die negativen Umweltauswirkungen von kurzlebigen Geräten in sehr vielen Fällen eindeutig sind. „Viele Geräte haben eine zu kurze Lebensdauer. Aus ökologischer Sicht ist das nicht akzeptabel“, gab die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger bei der Vorstellung der Studie zu Protokoll. Man müsse daher über „eine Art Mindesthaltbarkeit für Elektro- und Elektronikgeräte“ nachdenken.
Aber die Tendenz der Schlussfolgerungen und Handlungsstrategien, die die Autoren vorschlagen, widerspricht stark den Forderungen der Aktivisten, die das Thema in den vergangenen Jahren ins öffentliche Bewusstsein gebracht haben. Die Studie stellt nämlich fest, dass Obsoleszenz „nicht so eindimensional“ sei, wie das die Medienberichterstattung darstelle. Letztere sei meist „sehr emotional“ und zeige Hersteller und Industrie als „Täter“, die das Design ihrer Produkte manipulieren, um sie nach Ablauf einer definierten Dauer geplant ausfallen zu lassen, um den Absatz anzukurbeln. Die Verbraucher seien in dieser Darstellung „Opfer“ einer „Verschwörung“.
Dem hält die Studie entgegen: „Hersteller und Verbraucher interagieren miteinander in einer sich stetig wandelnden Umgebung und beeinflussen gegenseitig die Produktentwicklung und Konsummuster.“ Die Produktlebensdauer sei zwar „in der Regel eine planbare Größe, an der sich die Produktentwickler orientieren.“ Deren Prinzip sei also, „Produkte so zu gestalten, dass sie so lange wie nötig und nicht so lange wie möglich halten.“ Zu Deutsch: Wenn der Konsument nun einmal alle paar Jahre einen neuen Fernseher haben möchte, wird die Industrie keine Fernseher bauen, die Jahrzehnte halten.
Parallelen zum uralten Glaubenskampf der Ökonomie
Der Vorwurf der Eindimensionalität der bisherigen Debatte richtet sich letztlich auch gegen die Aktivisten, die in den vergangenen Jahren diese Debatte überhaupt erst angestoßen haben. Gegen Leute also wie Stefan Schridde und seinen Verein „Murks? Nein Danke!“. Schridde ist dementsprechend mit der Studie ganz und gar nicht einverstanden. Denn: „Das Papier liest sich insgesamt eher wie eine Verteidigung für die Position der Hersteller in Reaktion auf die seitens der Studie kritisierte öffentliche und mediale Debatte“. Er macht den Autoren in einer Pressemitteilung den schwersten denkbaren Vorwurf: „Zweifel an der gebotenen Neutralität“, und listet zahlreiche Mängel auf.
Schriddes Argument ist die Erfahrung zahlreicher Konsumenten, die auf seiner Website über Geräte klagen, die verdächtigerweise kurz nach Ablauf der Garantie nicht mehr funktionieren. Es geht zum Beispiel um Drucker, die von einem Tag auf den anderen den Geist aufgeben. So schreibt jemand auf der Website des Vereins über seinen Canon-Drucker: „Fehler trat während des laufenden Druckvorgangs auf, einige Seiten waren grade frisch gedruckt. Zudem ist rein zufällig die Garantie seit drei Wochen abgelaufen (der Drucker war ein Sonderposten bei Media Markt mit zwei Wochen Angebotsdauer…). Ich habe daher nicht nur das Gefühl der generellen geplanten Obsoleszenz dieses Produktes, sondern sogar der an das Angebot von Media Markt angepassten geplanten Obsoleszenz dieses Druckers.“
In manchen Fällen, können Schridde und seine Mitstreiter den Murks konkret benennen: einen Computerbildschirm, in dem hitzeempfindliche Bauteile unnötigerweise direkt neben Hitzequellen eingebaut sind; einen Staubsauger, dessen Filterhalterung leicht bricht; einen Drehstuhl, dessen Scharniere aus weichem Plastik statt Eisen bestehen.
Auch wenn diese Vorwürfe nur schwerlich juristisch angreifbar sind, solange es in Deutschland - anders als etwa in Frankreich - keine Gesetze gegen geplante Obsoleszenz gibt: Die im Verdacht stehenden Hersteller sind mittlerweile höchst sensibilisiert für das Thema. Andreas Beck, Director Service bei Samsung Deutschland bekundet: „Wir haben keine Geräte, die darauf ausgelegt sind, kurz nach Ablauf der Garantie kaputt zu gehen, wie das manchmal unterstellt wird. Wir werten die Zahlen über Materialverbrauch und Reparaturen sehr genau aus und die deuten nicht darauf hin, dass wir ein solches Problem haben.“ Auch Samsung-Geräte kommen in Schriddes „Murksbarometer“ vor – neben vielen anderen großen Marken-Namen wie Philips, Apple, Panasonic, Bosch und Bauknecht.
Die Debatte um die Obsoleszenz erinnert an den uralten Glaubenskampf der Ökonomie: Kommt die verändernde Dynamik in einer Marktwirtschaft eher von den Anbietern oder von den Nachfragern? Konkret: Produzieren die Hersteller Murks, weil die Konsumenten es nicht anders wollen, oder müssen die Konsumenten ihn kaufen, weil die Hersteller es so wollen?
Für Schridde ist klar, dass die Hauptverantwortung für Murks und dadurch bedingte Ressourcenverschwendung vor allem bei den Herstellern liegt. Diese wiederum argumentieren mit Marktbedingungen.
„Die Lebensdauer eines Samsung Geräts ist in Verkaufsgesprächen nie ein Thema“, sagt Andreas Beck. „Irgendwann reicht den Kunden die Leistung des Handys für eine neue App nicht mehr aus. Sie kaufen dann ein neues, leistungsfähigeres, obwohl das alte Gerät noch läuft.“ Bei stark technologiegetriebenen Produkten, wie Smartphones, deren Verkaufserfolg außerdem noch von Modetrends bei jungen Zielgruppen geprägt ist, ist die absichtliche Verkürzung der Lebensdauer also aus Sicht der Hersteller gar nicht notwendig, um den Konsum anzukurbeln.
Nicht immer im Sinne des Umweltschutzes
Anders könnte es bei Geräten sein, die weder besonders modisch sind, noch extrem technologiegetrieben. Die Waschmaschine steht im Keller, man kann mit ihr weder den neusten digitalen Unterhaltungsschnickschnack genießen, noch sich im Bekanntenkreis profilieren. Sie soll einfach zuverlässig waschen. Doch auch bei solchen reinen Gebrauchsgeräten, die im Fokus der Murks-Kritik stehen, will sich die Studie des Umweltbundesamts nicht auf eine moralische Verantwortung der Hersteller für die Haltbarkeit festlegen: „Die Analyse hat gezeigt, dass es in der Realität sehr vielfältige Gründe gibt, Produkte zu ersetzen: werkstoffliche, funktionale, ökonomische und psychologische Gründe. Selbst die auftretenden technischen Defekte von Produkten haben wiederum vielfältige Ursachen. Schwerpunkte auch im Hinblick auf bewusst eingebaute Schwachstellen, konnten im Rahmen der Studie nicht identifiziert werden.“
Statt auf rechtliche Vorgaben und Kontrollen der Industrie, setzen die Autoren darauf, „die Informationsasymetrien zwischen Herstellern und Verbrauchern bezüglich der zu erwartenden Produktlebensdauer sowie der von Herstellern vorgesehenen Nutzungsintensitäten zu beheben.“ Zu Deutsch: Die Hersteller sollen genauer mitteilen, wie lange bei welcher Beanspruchung ihr Gerät halten dürfte. Der Kunde kann dann entscheiden.
Auch Alexander Holst, Leiter der Nachhaltigkeitspraxis bei der Unternehmensberatung Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz, sieht nicht unlautere Motive der Hersteller als Ursache geplanter Obsoleszenz, sondern Marktdruck. Ein Hersteller von Lichtanlagen, der Kommunen beliefert, habe ihm berichtet: „Wenn der Kunde, also in diesem Fall Stadtverwaltungen, nur die billigsten Lampen will, dann wirkt sich dies eben auf die Lebensdauer aus.“ Billig produzieren heißt, weniger haltbar produzieren.
Holst macht aber auch, ähnlich wie die Autoren der Studie des Umweltbundesamtes, darauf aufmerksam, dass es auch nicht immer im Sinne des Umweltschutzes sei, den Lebenszyklus eines Gerätes unbedingt zu verlängern: „Das betrifft vor allem Geräte, deren Betrieb deutlich mehr Ressourcen beansprucht als die Herstellung, zum Beispiel Kühlschränke.“ Die Effizienzsteigerungen durch neue Technologie sind bei solchen Geräten schließlich enorm. Ein ökologisch und ökonomisch sinnvolles Geschäftsmodell für Hersteller von Kühlschränken und Waschmaschinen könnte daher sein, die für den Stromverbrauch entscheidenden Teile im Gerät austauschbar zu machen, während der Rest des Gerätes in der Küche stehen bleibt. Dazu braucht der Hersteller aber eine Beziehung zum Kunden. Er muss wissen, dass die Waschmaschine sechs Jahre alt ist.
Holst glaubt daher, dass immer mehr Hersteller dazu übergehen könnten, nicht mehr die Geräte als solche zu verkaufen, sondern die Leistungen. „Product as a service“ heißt das im Berater-Slang. Der Leuchtenhersteller würde der Stadtverwaltung also keine Leuchten, sondern Beleuchtungsstunden verkaufen. „In einem solchen Servicemodell könnte er eine neue, effizientere Beleuchtungstechnologie einfach einbauen, ohne dass sich der Kämmerer um höhere Kosten sorgen müsste“, sagt Holst.
Außerdem sei ein solches Geschäftsmodell ist innovationsfördernd, glaubt Holst. Die psychologische Hürde für den Konsumenten, in eine neue Technologie zu investieren, ist oft hoch. 20 Euro für eine neue, sparsamere Lampe auszugeben, statt wie bisher einen Euro, fällt schwer, selbst wenn man weiß, dass es sich nach einiger Zeit auf jeden Fall lohnt. Diese Hürde verschwindet, wenn der Kunde kein neues Gerät kauft, sondern sein Dienstleister das Gerät oder ein entscheidendes Bauteil einfach austauscht.