Man könnte diesen Text mit einem Witz anfangen. Mit einem Kinderreim. Oder mit einem bekannten Zitat von Loriot. Aber beginnen wir doch mit der Porzellanmanufaktur Nymphenburg.
„Preis auf Anfrage“, steht auf der Homepage neben dem Bild eines kleinen Mopses. Nach zwei Tagen kommt die Antwort: „2910 Euro“. Im Preis inbegriffen sei die Mitgliedschaft in einem erlesenen Kreis von „Connaisseuren“ und „Visionären“. Wo ein Angebot, da meist eine Nachfrage.
Möpse sind schon seit vielen Jahren ein beliebtes Motiv in der Populärkultur, nicht nur als Porzellanfigur. Sie glotzen uns von Taschen, Sofakissen, Feuerzeugen und weiteren Ausgeburten der Tierkitschindustrie mit ihren glubschigen Wasseraugen entgegen. Beim Onlineversandhändler Amazon trifft man auf Kuscheltiere, Keksausstecher und Magnete. Doch auch auf den Straßen von Paris, Berlin und London scheint das Tier enorm in Mode, dafür reicht ein Blick auf die Hundeleinen der Hipster im Marais, in Neukölln und Notting Hill.
Unter Promis, tatsächlichen und solchen, die es gerne wären, hat der Mops den Chihuahua als High-Society-Hund abgelöst: Hotelerbin Paris Hilton hat einen, der deutsche Maler Neo Rauch ebenfalls und auch der Fußballweltmeister Mesut Özil.
Unerklärlicher Erfolg
Bei einer bestimmten Klientel ist die Liebe zum Mops anscheinend grenzenlos: Die österreichische Schauspielerin Christiane Hörbiger wurde im vergangenen Jahr von einem Tierheim-Mops so stark gebissen, dass sie eine Woche lang mit Blutvergiftung im Krankenhaus lag. Kurze Zeit später gab sie zu Protokoll, unbedingt und so schnell wie möglich wieder einen neuen Mops erwerben zu wollen. Der Witwe des Münchner Feinkosthändlers Gerd Käfer erteilte die Stadt eine Sondergenehmigung, damit dessen Tiere an der Beerdigung teilnehmen durften. „Die Möpse haben geweint“, sagte die Witwe anschließend – als spräche sie über ihre Kinder.
Schon seltsam. Das Tier ist, rein optisch betrachtet, alles andere als schön, im Gegenteil: Der Mops hat kurze Beine, einen gedrungenen, massigen Körper und eine platte Nase. Er macht beim Atmen seltsame Geräusche und neigt zu Übergewicht. Ein Mensch mit diesen Merkmalen hätte es schon schwer, Fans zu gewinnen. Ein Hund kann noch weniger mit inneren Werten aufwarten.
Ein Hund ohne Eigenschaften
Im Gegensatz zu Katzenbabys, die alle Menschen süß finden, hat der Mops neben seiner äußerst grotesken Ausdrucksform nicht mal einen speziellen Charakter. Er scheint sogar ganz und gar ein Tier ohne Eigenschaften zu sein. Sein Gemüt jedenfalls kann man bestenfalls als unauffällig und anspruchslos beschreiben. Was macht dieses ulkige Tier bloß so beliebt?
„Der Mops passt sich seinem Besitzer an“, sagt Stefan Lemmermann, der seit 25 Jahren Möpse züchtet und beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) registriert ist. „Er bellt nicht viel, er ist nicht sehr wild, und er braucht nicht viel Ausgang“, sagt Lemmermann. „Meistens liegt er einfach nur neben seinem Besitzer und ist froh, dass er da sein darf. Er ist sehr friedlich.“ Man könnte auch sagen: langweilig.
„Der Mops ist ein merkwürdiges Tier“, sagt auch Katharina Teutsch. Die Journalistin widmet sich in einem amüsant geschriebenen Buch der „Kulturgeschichte eines Gesellschaftshundes“. Ursprünglich stammt der Mops aus China und wurde aus einer Doggenart herausgezüchtet. Wer einmal vor einem Tempel in Asien stand, wird dort den Fu-Hunden begegnet sein, den heiligen Hunden des Kontinents. Sie stehen als gruselige Wächter vor vielen Tempeln und erinnern in Statur und Ausdruck an den Mops. Wie der Hund von China nach Europa gelangt ist, lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren – wohl aber der Beginn seiner Erfolgsgeschichte.
Großer Erfolg im Barock
Seine Glanzzeiten erlebte der Mops im europäischen Barock. „Damals gab es eine starke Vorliebe für unnatürliche Figuren“, sagt Teutsch. Zwerge, Narren und Kälber mit zwei Köpfen wurden den Königen und ihrer gelangweilten Entourage zur Belustigung vorgeführt. Der Mops war bei Hofe ein beliebter Possenreißer, der zwar kaum ein Kunststückchen vorführen konnte, dafür aber durch seine Hässlichkeit für Lacher sorgte.
Belege dafür finden sich auf alten Ölporträts und Porzellanmodellen.
Die Zeit des Barock und des Rokoko haben sein Image als Schoßhündchen geprägt: Marie Antoinette, Frau von Ludwig XVI., soll ihre Möpse so geliebt haben, dass sie ihr angeblich bis ans Schafott folgten. Napoleon Bonaparte musste sich das Bett nicht nur mit Josephine teilen, sondern auch mit deren Mops Monsieur Fortune (der in mehreren Dokumenten als größenwahnsinnig und fresssüchtig beschrieben wird). Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Frankreich gar ein katholischer, papstkritischer Mopsorden gegründet. Das Tier war also schon immer ein klassischer High-Society-Hund, Accessoire und Symbol zugleich.
In den 40ern ein Animal non grata
Nun hat die Moderne mit dem Barock nicht mehr viel gemeinsam: Maßlosigkeit und Dekadenz wurden als erstrebenswerte Haltung längst von Disziplin und Zurückhaltung abgelöst. Die Popularität des Tieres muss also einen anderen Grund haben. Ist es einfach nur Mitleid mit dem tapsigen Tierchen? Denn er war nicht immer so beliebt wie unter den französischen Königen: Seine groteske Statur und der Status als verzärteltes Frauenhündchen machten den Mops zum tierischen Feindbild der deutschen Nationalsozialisten.
Wasseraugen, Hängebacken, dicke Lippen: 1940 erschien im Stürmer-Verlag ein bitterböses Kinderbuch, das den Mops als animal non grata beschreibt – und tatsächlich ist der Mops das genaue Gegenteil des archaischen Schäferhundes, der mit seinem scharfen Gebiss und der aggressiven Haltung von den Nationalsozialisten verehrt wurde.
In den Fünfzigerjahren mutierte der Mops zum Symbol der Spießbürgerlichkeit und der alten Jungfern, die allein leben und zum Kaffee Kirschsahnetorten auf Häkeltischdecken servieren. Der Mops wurde überzüchtet – und bekam Atemprobleme. Heute kämpft er vor allem mit seiner Linie. Auf der Homepage des VDH wird das Idealgewicht des Mopses zwischen sechs und acht Kilo angegeben. „Die meisten Möpse wiegen aber weit über zehn“, sagt Züchter Lemmermann. Er schiebt die Moppeligkeit auf die Maßlosigkeit der Besitzer.
Ein Meister der Ironie
In den vergangenen 40 Jahren wurde der Mops auch von Komikern bewundert. Der österreichische Schriftsteller Ernst Jandl widmete ihm ein Gedicht, Loriot setzte ihm ein humoristisches Denkmal. Von ihm stammt auch der berühmte Satz: „Ein Leben ohne Mops ist möglich, aber sinnlos.“
Darin steckt der Grund für den neuen Popularitätsschub: Der Mops ist ein Meister der Ironie. In Zeiten, in denen Männer Hornbrillen wie ihre Großväter tragen und Frauen mit Einhorn-Shirts durch die Straßen laufen, ist das Tier das perfekte, nicht ganz ernst gemeinte Accessoire. Sein Besitzer kann sich als humoristischer, exzentrischer und vor allem kulturell interessierter Mensch darstellen, der von seinem Hund weder Leistung noch Charakter und schon gar nicht Schönheit erwartet – und sich selbst nicht zu ernst nimmt. Der Mops als eine Art Lebenseinstellung.
Schön beobachten konnte man das im August in Berlin. 500 Menschen und fast 200 Möpse trafen sich zum 6. Internationalen Mops-Treffen auf einer Wiese. Einige Hunde waren als Superman verkleidet, andere traten bei einem Wettrennen gegeneinander an, als Belohnung gab es Eis mit Rindfleischgeschmack.
Ein japanisches Pärchen war ebenso samt Mops angereist wie eine Schöneberger Schwulen-Clique. Irgendein Promi-Mops aus dem Regionalfernsehen namens Frida trat auf und wurde von seinen Fans fotografiert. Irgendjemand stimmte den Kinderreim „Ein Mops kam um die Ecke …“ an, und jeder wusste, dass dem Koch gleich ein Ei gestohlen wird. Kann man sich eine ähnliche Veranstaltung mit Schäferhunden, Bernhardinern oder Labradoren vorstellen?
Es wäre möglich. Aber sinnlos.