Ökonomieprofessor forscht zu Lügen "Männer lügen häufiger als Frauen"

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Ein Faktor bei der Zusammensetzung von Vorständen und Aufsichtsräten?

Anders als bei Gruppen?

Genau. In der zweiten Phase unseres Experiments haben wir die Teilnehmer zufällig zu rein männlichen, gemischten und rein weiblichen Zweiergruppen geordnet. Es gab wieder nur einen Würfel und einen Zettel. Das heißt: Die Gruppenmitglieder mussten gemeinsam entscheiden, wer den Würfel wirft und welches Ergebnis danach aufgeschrieben wird. Dabei konnten wieder viele der Versuchung nicht wiederstehen, zu flunkern, um sich selbst einen geldwerten Vorteil zu verschaffen.

Die rein männlichen Zweierteams berichteten im Schnitt ein Würfelergebnis von 4,0. Die gemischten Gruppen mit je einem Mann und einer Frau, meldeten ein Ergebnis von 3,71. Wirklich interessant ist aber das Ergebnis der reinen Frauenteams: Sie berichteten ein durchschnittliches Ergebnis von 2,74. Statistisch gesehen, haben die reinen Frauengruppen im Gegensatz zu den Männern  gar nicht gelogen.

Wie erklären Sie sich diese deutlichen Geschlechterunterschiede?

Wir wussten, dass Gruppen sich oft anders verhalten als Individuen. Aber dass es so starke geschlechterspezifische Unterschiede gibt, hat uns selbst überrascht. Was wirklich dahintersteckt, müssen wir aber noch eingehender untersuchen.

Sind Männer anfälliger für unethisches Verhalten?

Nein, das kann man so nicht sagen. Denn wenn man sich die Individualergebnisse ansieht, dann gibt es zwischen Männern und Frauen praktisch keinen Unterschied. Aber in Gruppen entwickeln sich offensichtlich je nach Geschlecht unterschiedliche Dynamiken.

Zur Person

Was bedeuten Ihre Erkenntnisse für Wirtschaft und Politik?

Das Geschlecht spielt offensichtlich bei Entscheidungsprozessen in Gruppen eine weitaus größere Rolle als bisher angenommen. Konkret zeigen die Ergebnisse unseres Experiments, dass eine stärkere Berücksichtigung der geschlechterspezifischen Zusammensetzung von Entscheidungsgremien wie Vorständen und Aufsichtsräten, ein wesentlicher Faktor sein könnte, um das Ausmaß von unethischem Verhalten zu reduzieren. Auch vor diesem Hintergrund ist die Diskussion, um Frauenquoten in derartigen Gremien zu sehen.

In Deutschland beträgt der Frauenanteil in den Vorstandsetagen der 160 wichtigsten börsennotierten Unternehmen gerade einmal sechs Prozent. Müssen wir also davon ausgehen, dass dieser Männerüberhang zu tendenziell unethischerem Verhalten führt?

Inwieweit sich die Ergebnisse des Experiments auf die Realität übertragen lassen, ist natürlich noch offen. Aber unsere Erkenntnisse sind zumindest kein Argument gegen eine stärkere Beteiligung von Frauen in Führungsgremien.

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