St. Moritz erwacht wie auf geheimen Befehl. Hotelpagen, Serviererinnen, Barkellner und Commis de Rang beziehen ihre Personalzimmer. Gourmetkünstler füllen die Küchen der Hotelpaläste wieder mit Leben, Techniker lassen frisches Wasser in die Hallenbäder ein, und Floristen platzieren ihre Blumengebinde. Seit Anfang Dezember geht das so. Rund 3.000 Angestellte bauen an der großen Kulisse des Welttheaters, dessen Vorhang sich zu Weihnachten geöffnet hat. Sie erwarten gespannt ihre Gäste, die Allrad-Limousinen entsteigen oder mit Learjets auf dem Flugfeld in Samedan einschweben. So soll es sein, so war es stets in den vergangenen Jahrzehnten. Trotz Krisen oder Rezessionen spielte das St.-Moritz-Theater immer auf. Die Hautevolee wollte unterhalten sein, die Reichen und Superreichen kannten keine Flaute.
Doch diese Saison ist es anders. St. Moritz ist von einer stillen Verstimmtheit ergriffen. Unter den Einheimischen ist die Zuversicht gewichen. Hoteliers bangen um ihr Auslastung, Baumeister um ihre Zukunft. Immobilienmakler drehen Däumchen in ihren Büros. St. Moritz ist in Sorge.
Die globale Showbühne 1.850 Meter über dem Meer bedeutet alljährlich einen gewaltigen Kraftakt. 5.300 Betten in 40 Traditionshäusern und etlichen kleinen Boutiquehotels sollen bezogen werden, die Hälfte davon im Segment mit vier oder fünf Sternen. Wenn alles gut geht, sollen im 5.000-Seelen-Dorf über die Feiertage mehr als 110.000 Feriengäste übernachten. Und das alles mit Weltklasse, chic und elegant. "Top of the World", wie das Dorf wirbt.
Tiefer Schnee und die Engadiner Sonne können weitgehend risikofrei einkalkuliert werden, wie seit je. "Dieses besondere Licht", dichtete der Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Engadiner Haus, "durchsichtig, glühend in den Farben, alle Gegensätze, alle Mitten zwischen Eis und Süden in sich schließen, zweitausend Meter über allen menschlichen Dingen."
Dem Himmel am nächsten sind die Villenbesitzer am Suvretta, dem Beverley Hills der Alpen. Hier wohnen sie über die ruhigen Tage, die Superreichen, in ihrer Parallelwelt in gebührender Distanz zu den Einheimischen im Dorf. Die Besitzer wechseln selten. Früher betraf es zwei oder drei Villen pro Jahr. Heute sind es eher nur noch ein bis zwei, und dann werden zumeist mehr als 30 Millionen Franken fällig. Wie zuletzt beim Verkauf zweier Chalets der Versandhaus-Erbin Madeleine Schickedanz.
Schönster Winterwinkel
Die Grundbuchchronik am Suvretta-Hang erzählt die gleiche Geschichte vom Kommen und Gehen wie die Liste der reichsten Menschen der Welt. Die Agnellis aus Italien bleiben in ihrer Chesa Alcyon, die Heinekens aus Holland und Niarchos aus Griechenland behalten ihre Häuser. Sie sind die Exponenten generationenübergreifenden, stabilen Reichtums.
Die Verlierer hingegen werden verdrängt durch die Neureichen von heute: russische Industriemagnaten wie Andrej Melnitschenko, Ölbarone wie Jan Kulczyk, dem reichsten Mann Polens, und Banker wie Philip von Mallinckrodt, der eine Schickedanz-Villa übernahm. Oder durch Helden der wundersamen Vermögensbildung wie den Deutschen Luftfahrtunternehmer Thomas Flohr, der sich erst für 25 Millionen Franken eine Villa an der Via Margruns kaufte, sodann Sprengmeister und Abrissbagger bestellte, den ganzen Berg aushöhlte, mit 500 Kubikmeter Beton und modernster Felstechnik eine Grube sicherte, um ein neues Bauwerk mit vier Untergeschossen und zwei sichtbaren Stockwerken zu erstellen und es dann Ches’Aivla zu nennen. Flohr betreibt seit 2004 in Salzburg VistaJet, ein Charterunternehmen für Businessflugzeuge.
Es sind diese "Sorglosen", wie der Schriftsteller Stefan Zweig sie einst nannte, die sich an Poloturnieren und dem spektakulären Pferderennen "White Turf" auf dem Eis des St. Moritzersees vergnügen. "Sie sind in die Höhe geflüchtet, in den schönsten Winterwinkel der Welt", schrieb Zweig, "von der goldenen Quelle des Reichtums getragen, die große Gemeinschaft der Sorglosen, weltumspannend, weltgenießend, nutzlos und schön, die Schmetterling des Lebens."
Ski-Orte im Test
Testsieger in Österreich ist das Skigebiet am Wilden Kaiser. Lediglich die Kosten für den Tagesbedarf sind hier "durchschnittlich" hoch. Die Gastronomie wird mit "günstig" bewertet. Die anderen Kategorien "Verleih", "Aktivitäten" und "Zubehör" erhielten das Urteil "sehr günstig". Besonders schlecht schneidet in Österreich der Ort Lech mit dem Skigebiet Arlberg Lech Zürs ab. Lediglich der Tagesbedarf erhält hier die Note "sehr günstig". Alle anderen Kategorien fallen mit "sehr teuer" durch.
In der Schweiz wurden die Orte Samnaun, Grindelwald und Zermatt bewertet, die alle mit unterdurchschnittlichen Werten durchfallen. Alle Orte erhalten in allen Kategorien die Bewertung "sehr teuer". Einzige Ausnahme ist der Ort "Samnaun". Hier ist der Tagesbedarf "sehr günstig".
In Tschechien wurde nur der Ort Spindlermühle bewertet. Er ist der absolute Testsieger und erhielt in allen Kategorien (Gastronomie, Tagesbedarf, Verleih, Aktivitäten und Zubehör) die Bewertung "sehr günstig".
Sieger Nummer zwei im ADAC-Test ist der polnische Skiort Zakopane. In allen Kategorien wird der Ort mit "sehr günstig" bewertet.
Bei den Ski-Orten in Italien lohnt sich ein genauer Blick. Während der Ort Livigno in nahezu allen Kategorien gut bis sehr gut abschneidet (lediglich der Tagesbedarf wird mit "teuer" bewertet), steht St. Ulrich eher schlecht da. Der Ort mit dem Skigebiet Seiser Alm kann in keiner Kategorie ein "günstig" oder "sehr günstig" vom ADAC ergattern.
Frankreich schließt im Test eher schlecht ab. Vor allem in Val d'Isère sind sämtliche Kategorien besonders teuer. Der Ski-Ort Charmonix kann lediglich in der Kategorie "Verleih" mit einem "sehr günstig" punkten.
Auch die deutschen Skigebiete schneiden im ADAC-Test sehr gut ab. Die Gebiete wurden alle mit "günstig" oder "sehr günstig" bewertet. Lediglich in Garmisch-Partenkirchen sind die Ski-Verleihe überdurchschnittlich teuer.
Doch dort oben, dem Himmel so nah, gibt es eine zweite Welt: die Welt der besorgten Bürger von St. Moritz. Sie fürchten sich vor sehr irdischen Plagen. Im Dorf erzählt man sich trübselige Geschichten von Steuervögten, die einigen Gästen das schöne Leben zur Tortur machten, und über leer stehende, luxuriöse Ferienwohnungen, die schon seit vielen Monaten keine Käufer fänden. Es sind die Sorgen um das Wohl ihrer Gäste, die nun seit mehr als 100 Jahren für Wohlstand im Dorf sorgen.
"Die Deutschen bleiben weg", berichten die einen Einwohner, "die Italiener kommen nicht mehr", klagen die anderen. Ihre erste Sorge gilt dem Tourismusgeschäft, und tatsächlich buchen die traditionell wichtigen Gästegruppen beim Auschecken ihre Suiten nicht mehr wie selbstverständlich fürs kommende Jahr. Viel Gäste reservierten auch ihr Luxuszimmer erst kurzfristig, nach einem Blick auf lokale Wetterberichte und Webcam-Bilder im Internet, berichtet Vic Jacob, Direktor des Suvretta House. Andere bleiben einfach weg. Ohne Erklärung.
Preise im freien Fall
Warum dies so ist, will eigentlich niemand so genau wissen – oder zumindest nicht drüber reden. Es geht um Schwarzgeld. Fest steht, dass die italienische Steuerpolizei ein Auge auf die Reisenden geworfen hat, die an den Ferientagen nach Norden aufbrechen. Videokameras zeichnen die Autonummern vor den Grenzübergängen in Chiavenna und Castasegna auf. Erzählt wird davon, dass Agenten der Guardia di Finanza bis ins Hochtal vordrängen, um unversteuertes Vermögen aufzuspüren. Das verschreckt die Stammgäste aus dem Süden.
Aber auch deutsche Gäste bleiben fern. Warum? Weil auch ihnen die Debatten um Reichensteuern und Schweizer Weißgeldstrategien zusetzen? Weil sie inzwischen ihre Schweizer Konten legalisiert haben und daher auch andernorts unbekümmert über ihre Gelder verfügen können? Andere Deutsche wiederum kaufen sorglos mit Bargeld ein. Vom Schwarzgeldkonto, das bald dem Steueramt zu melden ist? Es gibt keine Statistiken über die kleinen Geheimnisse von St. Moritz. "In St. Moritz wurde noch keiner gefragt, woher er den Zaster hat", pflegte der ehemalige Kurdirektor Hanspeter Danuser zu sagen.
Die zweite Sorge gilt dem Immobilienmarkt, der eine paradoxe Entwicklung erlebt. Eigentlich müsste das Dorf in einer Schlussverkaufsstimmung stecken. Denn nach einer Gesetzesänderung werden reine Ferienwohnungen zum knappen Gut. Zusammen mit der allgemeinen Flucht in Immobilien in hochwertigen Lagen sollte das die Nachfrage steigen lassen. Und damit die Preise.
Doch das Gegenteil ist der Fall. Derzeit stehen in St. Moritz mehr als 50 luxuriöse Wohnungen zum Verkauf, nicht wenige schon seit mehr als einem Jahr. Darunter seit März 2011 mehrere Apartments an der Via Maestra mit Preisen zwischen 3,3 und 4,4 Millionen Franken, seit November 2011 ein Penthouse an der Via Aona für 6,5 Millionen, seit April 2011 eine Fünfzimmerwohnung mit begehrter Ausländer-Bewilligung, die auch Nicht-Schweizern Immobilienbesitz erlaubt.
Einige Anbieter senken die Preise. "Wir hatten in diesem Segment noch nie so viele Wohnungen auf dem Markt", sagt Rechtsanwalt Urs Nater, der vorwiegend englischsprachige Klienten betreut, "dieser Rückstau muss abgebaut werden." Er rechnet erst in etwa fünf bis sieben Jahren mit einer Erholung. "Die Preise sind im freien Fall", sagt ein Makler von Luxusimmobilien, der seinen Namen aber lieber nicht veröffentlicht sehen will.
Eine Million Franken für das Recht, Wohnungen zu kaufen
Rund 20 heimische Architektenbüros entwarfen ihre Projekte immer luxuriöser. Auf dem Höhepunkt des Booms versuchte auch Patrick Simmen sein Glück. Der Architekt hatte sich rund um Wollerau am Zürichsee einen Namen gemacht. Er eröffnete im Juli 2011 vis-à-vis des Eingangs des Badrutt's Palace mit der ortsüblichen Champagnerparty seinen luxuriösen Simmen Store. Seit August steht das Geschäft wieder leer. "Die Zweitwohnungsinitiative hat uns einen Strich durch die Akquistionsbemühungen gemacht", erklärt eine Sprecherin der SimmenGroup. Simmen ist dabei nicht allein. Ladenflächen an besten Lagen stehen leer, so auch gegenüber dem berühmten Hotel Kulm oder ganz prominent im Zentrum an der Plazza da Scoula.
Nicht alle Entwickler können mit so viel Rücklage operieren wie die alteingesessene Familie Testa, die ein gutes Dutzend Projekte in der Planung hat. Markus Testa, Geschäftsführer der Familienholding, ist Optimist. Aber Illusionen macht er sich keine. "Schauen Sie auf das Tal, und zählen Sie die Baukräne. Bald werden Sie nur noch halb so viele sehen", sagt Testa.
Der Kanton sei schuld, so lautet ein Argument, weil dieser nicht mehr so großzügig Aufenthaltsbewilligungen für Ausländer erteile. So können Nicht-EU-Bürger zwar ohne Erwerbstätigkeit eine Bewilligung erhalten, wenn "erhebliche kantonale fiskalische Interessen" dafür sprechen. Das Steueramt hat für das Oberengadin festgelegt, was "erheblich" bedeutet: eine Million Franken Steuern. Die Sorglosen am Hang können es aussitzen, die Besorgten im Dorf werden leiden. Im Frühling fällt der Vorhang. Und geht im Winter wieder hoch.