Robert Ketterer "Eine neue Dimension bei Fälschungen"

Robert Ketterer, Inhaber des Münchner Auktionshauses Ketterer Kunst, spricht im Interview über die Folgen der Digitalisierung für den Kunstmarkt und den Umgang mit Fälschern und Betrügern.

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Robert Ketterer Quelle: Wolf Heider-Sawall für WirtschaftsWoche

WirtschaftsWoche: Herr Ketterer, wie entwickelt sich der Kunstmarkt in jüngster Zeit?

Robert Ketterer: Bereits seit einigen Jahren ist der Markt durch drei Megatrends gekennzeichnet: Kunst als Kapitalanlage,  die Verknappung, die in der Natur der Sache liegt und die laufende Globalisierung von Angebot und Nachfrage.  Dazu kommt noch die Entdeckung der zeitgenössischen Kunst. Alles zusammen bewirkt eine nachhaltige stabile Steigerung der weltweiten Märkte, weitestgehend unbeeindruckt von allen Wirtschafts- und Finanzkrisen.

Verstärkt sich der Trend, dass Betrüger Fälschungen anbieten oder ist der Trend eher rückläufig?

Überall, wo Märkte hohe Werte schaffen, gibt es Fälschungen. Es gibt gefälschten Schmuck, gefälschte High-Tech-Produkte für Flugzeuge und sogar Raumschiffe, gefälschten Spitzenwein und Falschgeld. Das Problem ist so alt wie der Handel und wie die Märkte. Eine Ausweitung im Kunstmarkt sehen wir derzeit aber nicht. 

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Szene aus The Big Short Quelle: AP
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Werden Ihnen mitunter auch Fälschungen angeboten? Kommt das häufig vor?

Unser Unternehmen ist seit sechzig Jahren am Markt. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir als international anerkannter Markenname mit allen Facetten des Marktes und allen Entwicklungen in Berührung kamen und kommen. Von den tausenden Werken, die uns aus der ganzen Welt laufend für unsere Auktionen angeboten werden, ist aber nur ein kleiner Bruchteil fraglich. Die Bandbreite des Fraglichen ist dabei groß: Es gibt sozusagen „echte“ Fälschungen, es gibt Verfälschungen echter Gemälde und es gibt unklare Provenienzen, also fragwürdige Herkunftsgeschichten.

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"Gartenbild" von August Macke Quelle: Creative Commons
Andy-Warhol-Kunstwerke Quelle: AP
Ansicht Konstantinopels von Paul Signac Quelle: Creative Commons
Stierlitographie von Pablo Picasso aus einer anderen Sammlung Quelle: dpa Picture-Alliance
Dreiergruppe von Säulen von Max Bill Quelle: Creative Commons
Joseph Beus Quelle: dpa
Hilla Becher (l.) und Bernd Becher im Museum K21 in Düsseldorf Quelle: dpa-dpaweb

Ist es heutzutage schwerer, Fälschungen zu erkennen oder einfacher?

Seit einigen Jahren sehen wir tatsächlich eine neue Qualitätsdimension bei Fälschungen. Allein der Vorgang selbst ist oft schon verdächtig. Es wird nicht nur ein vermeintlich wertvolles Werk angeboten, sondern wie selbstverständlich auch noch vergilbte gefälschte Originalrechnungen und aufwendig gemachte Gutachten. Versuche hermetischer Fälschungsinszenierungen. Wir sehen es als doppeltes Kompliment: Einerseits für unsere Fähigkeit, gute Preise zu erzielen und für unsere Seriosität. Denn all das beweist ja nur, dass bekannt ist, dass wir einen geradezu als kriminologisch zu bezeichnenden Erkennungsaufwand betreiben.  Der übrigens auch wirkt, unsere Standards gelten als vorbildlich.

Wie erleichtert der technische Fortschritt das Aufspüren von Fälschungen?

In Einzelfällen durchaus. Wir nutzen dann technische Verfahren, zum Beispiel zur präzisen Altersanalyse von Farben und Leinwänden und es gibt natürlich die weltweit steigende Vernetzung und Integration von Informationen, vor allem bei Datenbanken der Ermittlungsbehörden. Meistens genügen aber unsere bewährten Instrumente bereits.

"Der Markt wird zunehmend digital"

Was unternimmt Ihr Haus um gefälschte Werke zu identifizieren?

Wir haben einen 360-Grad Ansatz für Echtheit. Das bedeutet zuallererst, dass grundsätzlich jedes neu ins Haus eingelieferte Werk als falsch zu gelten hat und seine Echtheit erst beweisen muss. Wir poolen dabei das Gesamtwissen der Organisation und aller Mitarbeiter. Darüber hinaus haben wir für alle wichtigen Namen im Markt hochspezialisierte Spezialisten und Gutachter auf der ganzen Welt, die wir schon beim kleinsten verbleibenden Zweifel beiziehen. Für den Schutz unserer Marke, die für Seriosität und Vertrauen steht, betreiben wir  einen hohen Aufwand. Das sind auch keine geringen Kostendimensionen.

Welche Folgen hat die Digitalisierung für den Kunstmarkt?

Der gesamte Markt wird zunehmend digital. Für unser Haus darf ich beanspruchen, das wir hier traditionell Pionierleistungen erbracht haben. So hatten wir bereits 1977, als noch niemand davon sprach, zentrale Prozesse auf Computer umgestellt. Dafür wurden damals von den allermeisten sogar belächelt. Seit Jahren machen wir selbstverständlich Live-Auktionen im Internet. Bis heute sind wir ständig auf der Suche nach neuen übergreifenden Entwicklungen,  die für den Kunstmarkt zukunftsmächtig werden könnten.

Welche Art von Werken versteigert man typischerweise im Internet?

Es gibt keine typischen Werke dafür. Eigentlich kann das Netz fast alles. Aktuell gibt es noch gewisse Preisobergrenzen, die aber durch die steigende Akzeptanz des Internets in der Kunst ständig nach oben verschoben werden.

In welchen Größenordnungen entwickelt sich das Geschäft mit Online-Auktionen und was erwarten Sie für die Zukunft?

Die Geschwindigkeiten beim Umschlag mit Werken werden sich erhöhen, die Absätze werden zunächst bei kleinpreisigeren Objekten steigen. Auch weil es leichter wird, Endkunden global anzusprechen. Der Anteil des Internets am gesamten Kunstmarkt wird mindestens proportional wachsen.

Glauben Sie, dass irgendwann die Präsenzauktionen überflüssig werden? Falls nicht, warum nicht?

Keinesfalls. Wer jemals eine große Auktion erlebt hat, wird einen bleibenden Eindruck mitnehmen. Die Atmosphäre ist besonders und sie fasziniert. Sicher jedoch werden Live-Auktionen in Zukunft etwas selektiver, die Zahler der versteigerten Kunstwerke wird eher sinken. Dagegen werden wir immer mehr Besucher sehen, seit einiger Zeit  haben wir auch steigende Akzeptanz bei Menschen, die früher nicht kamen. Und eine gelungene Live-Auktion ist auch ein echtes gesellschaftliches Ereignis.

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