Robert Parker, Gault Millau und Co. Die ungeheure Macht der Weintester

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Auch bei Lidl regieren die Punkte

Lidl bietet seit 2014 neben seinem Standardprogramm auch gehobene Weine an. Im Onlineshop gibt es sogar Flaschen, die mehr als 100 Euro das Stück kosten. Wer eine Filiale betritt, stößt bei den Weinflaschen zwangsläufig auf das freundliche Gesicht von Richard Bampfield.

Der Brite ist einer von 340 Masters of Wine weltweit – und damit Mitglied einer illustren Runde von Weinexperten, die sich jahrelang auf die Prüfungen vorbereiten. Bampfield arbeitete zunächst für Lidl Irland, später auch für Großbritannien. Dann wurde er gefragt, ob er auch die Weine für den deutschen Markt bewerten wolle. Er wollte. Nun erhält er regelmäßig Pakete nach Hause geliefert, denn dort testet er die Weine am liebsten. In einem hellen Raum mit Tageslicht und Frischluft sitzt er dann, das Notizbuch in der Hand: „Nur wenn es sehr viele auf einen Schlag sind, reise ich dafür nach Deutschland.“

Zehn überraschende Fakten über Wein
Sonnenkollektoren und WeineAuf den ersten Blick haben Sonnenkollektoren und Wein nur eines gemeinsam: Sie benötigen Sonne. Im Zuge eines Handelsstreits zwischen Europa und China sind beide aber nun noch enger miteinander verbandelt. Die Ankündigung der EU, Strafzölle auf Sonnenkollektoren zu verhängen, beantworteten die Chinesen mit der Ankündigung von Strafzöllen für Europäischen Wein. Ein herber Schlag wäre das für europäische Winzer, denn der Anteil chinesischer Kundschaft steigt kräftig, vor allem der für die teuren Roten. Beides ist passé – keine Zölle. Weder für Kollektoren noch für Wein. Quelle: dpa
Champagner-SchutzDer Münchener Michael Nieder steht als Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz nicht auf Anhieb im Verdacht, sich in der Kanzlei Klakla viel mit Champagner während der Arbeit zu beschäftigen. Tatsächlich aber verlieh ihm als zweiten Deutschen die Corporation des Vignerons e Champagne Saint-Vincent die goldene Ehrenmedaille. Verdient hat er sich diese Auszeichnung in 400 Rechtsfällen in den vergangenen 32 Jahren, in den Niedel das Markenrecht in Deutschland des Begriffs „Champagner“ schützte. Verhindert hat Niedel – ganz im Sinne der Franzosen – dass Produkte von Pflegemitteln bis zu Duftstoffen mit dem Zusatz „Champagner“ versehen werden. Quelle: Presse
Wein im BeutelSauerstoff ist der größte Feind des Weines, sobald er in der Flasche ist. Was dem Eisen der Rost, sind dem Wein die Noten, die er bekommt, wenn er oxidiert. Ein wenig Oxidation ist gewollt, beim jahre- gar jahrzehntelangen Reifen in der Flasche oder auch im Glas, damit er sich ein wenig ordnet. Doch eine geöffnete Flasche ist nicht lange gleich gut. Wein aus Beuteln in der 3-Liter-Größe sind für den ganz großen Durst. Genau am anderen Ende der Skala bewegt sich Oneglass. Eine Portion im Beutel, aufzureißen wie ein Sportgel. Für zwischendurch, zum Mitnehmen – und garantiert rostfrei. Quelle: Presse
Sylt-WeinIn diesem Bild ist kein Fehler versteckt. Und doch sieht es so aus. Auf der Homepage des Rheingauer Weinguts Balthasar Ress sind die gutseigenen Lagen verzeichnet. Und? Fällt etwas auf? Richtig. Keitum. Sylt. Kein Scherz, kein Versehen, keine komische Sache. Ress baut tatsächlich in dem possierlichen Dörfchen auf Sylt Wein an. Und er ist wohl nicht mal schlecht. Auf jeden Fall ist er rasch ausverkauft. Damit ist Sylt um einen weiteren Superlativ reicher: Nördlichstes Weinbaugebiet Deutschlands. Quelle: Presse
SchützenhilfeDer badische Winzer und Präsident des Fußballclubs SC Freiburg, Fritz Keller (rechts), pflegt schon seit einigen Jahren eine enge Partnerschaft mit dem Lebensmitteldiscounter Aldi. Unter Kellers Ägide bauen mehrere hundert Winzer mit teils winzigen Parzellen, die sie dem Erbrecht zu verdanken haben, den Wein so an, dass Keller seinen Namen dafür hergibt. Nun taucht ein weiterer großer Name in Deutschland auf. Michel Rolland, der als Weinberater im Bordeaux einige sehr renommierte und sündhaft teure Güter berät. Für Edeka in Deutschland ist Rolland nun tätig geworden und ist verantwortlich für eine Cuvée, die für unter 10 Euro weit weniger kostet als vieles, was Rolland sonst verantwortet. Quelle: dpa
WeinfotosKein Geld für teure Weine? Und keine Zeit, die sagenumwobenen Kellereien zu besuchen? An der Architektur der Weinkeller haben sich zahlreiche Fotografen abgearbeitet. Der Wiesbadener Fotograf Rafael Neff war in einigen der bekanntesten Weingüter der Welt unterwegs und hat die Keller mitsamt der Fässer als beeindruckend inszenierte Stillleben fotografiert. Die Bilder sind nicht günstig, werden aber im Gegensatz zu den Weinen beim Genuss nicht vernichtet. Quelle: KNA
Bekannte WinzerGerard Dépardieu. Francis Ford Coppola. Günter Jauch. Nein – haben alle etwas miteinander zu tun, auch wenn es zunächst nicht so scheint. Ihnen gehören Weingüter. Bei Fernsehmoderator Jauch ist es das renommierte Gut von Othegraven an der Saar. Die Toten Hosen haben zwar keinen eigenen Wein, aber mit dem „Weißes Rauschen“ vom Weingut Tesch an der Nahe einen Riesling, der zusammen mit ihnen produziert wurde. Quelle: dpa

800 bis 1000 Weine pro Jahr bewertet Bampfield für Lidl. Nicht immer gefällt seinem Auftraggeber sein Urteil. Denn die Weine, die Bampfield verkostet, wurden vom Discounter bereits gekauft: „Wenn ein Wein fehlerhaft oder an der Grenze dazu ist, dann geht Lidl zum Produzenten und verhandelt neu. Wenn ein Wein nur einfach eine nicht so tolle Punktzahl erreicht – dann ist das Pech“, sagt Bampfield.

Guter Wein beginnt für Bampfield bei 80 Punkten: „Das sind Weine, an denen nichts schlecht ist, und ich empfehle sie gern.“ Erst ab 85 Punkten aber wird es für ihn interessant: „Das sind die Weine, die ein wenig mehr bieten, als ich erwarte, die einen Aspekt mitbringen, der sie aus der Masse heraushebt.“ Die Punktzahl jedoch ist allein nur bedingt hilfreich, das weiß auch Bampfield: „Wenn ein Wein 80 Punkte hat und sehr teuer ist, dann sieht das nicht gut aus.“

"Es wird insgesamt viel zu hoch bewertet"

Es gilt: Augen auf beim Punktekauf – findet auch Marcus Hofschuster. Er ist Cheftester des Onlineportals wein-plus.eu. Die Abonnenten bekommen laufend neue Bewertungen von Hofschuster zu Weinen aus aller Welt. Der Onlinetester ist zurückhaltend mit der Vergabe der Punkte: „Es wird insgesamt viel zu hoch bewertet.“ Schuld daran seien die Publikationen, die mit hohen Punkten großzügig sind, damit sie wahrgenommen werden. Und die Käufer, die Weine nur nach Punkten auswählen, weil sie ihrem Geschmack nicht trauen.

„Man verarscht die Leute“, sagt Hofschuster. Einfache Allerweltsweine würden mit 90 und mehr Punkten versehen. Hofschuster bemüht sich daher umso mehr um Objektivität und genaue Beschreibungen. „Ich bewerte auch Weine hoch, die mir gar nicht schmecken, oder Weine niedrig, die ich gerne trinke“, sagt Hofschuster.

Dabei kann die Sache mit dem Wein für den Kunden ganz einfach sein: Er sieht Punkte als Orientierungshilfe und nicht als Gesetz, denn gut ist, was ihm schmeckt.

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