Lidl bietet seit 2014 neben seinem Standardprogramm auch gehobene Weine an. Im Onlineshop gibt es sogar Flaschen, die mehr als 100 Euro das Stück kosten. Wer eine Filiale betritt, stößt bei den Weinflaschen zwangsläufig auf das freundliche Gesicht von Richard Bampfield.
Der Brite ist einer von 340 Masters of Wine weltweit – und damit Mitglied einer illustren Runde von Weinexperten, die sich jahrelang auf die Prüfungen vorbereiten. Bampfield arbeitete zunächst für Lidl Irland, später auch für Großbritannien. Dann wurde er gefragt, ob er auch die Weine für den deutschen Markt bewerten wolle. Er wollte. Nun erhält er regelmäßig Pakete nach Hause geliefert, denn dort testet er die Weine am liebsten. In einem hellen Raum mit Tageslicht und Frischluft sitzt er dann, das Notizbuch in der Hand: „Nur wenn es sehr viele auf einen Schlag sind, reise ich dafür nach Deutschland.“
800 bis 1000 Weine pro Jahr bewertet Bampfield für Lidl. Nicht immer gefällt seinem Auftraggeber sein Urteil. Denn die Weine, die Bampfield verkostet, wurden vom Discounter bereits gekauft: „Wenn ein Wein fehlerhaft oder an der Grenze dazu ist, dann geht Lidl zum Produzenten und verhandelt neu. Wenn ein Wein nur einfach eine nicht so tolle Punktzahl erreicht – dann ist das Pech“, sagt Bampfield.
Guter Wein beginnt für Bampfield bei 80 Punkten: „Das sind Weine, an denen nichts schlecht ist, und ich empfehle sie gern.“ Erst ab 85 Punkten aber wird es für ihn interessant: „Das sind die Weine, die ein wenig mehr bieten, als ich erwarte, die einen Aspekt mitbringen, der sie aus der Masse heraushebt.“ Die Punktzahl jedoch ist allein nur bedingt hilfreich, das weiß auch Bampfield: „Wenn ein Wein 80 Punkte hat und sehr teuer ist, dann sieht das nicht gut aus.“
"Es wird insgesamt viel zu hoch bewertet"
Es gilt: Augen auf beim Punktekauf – findet auch Marcus Hofschuster. Er ist Cheftester des Onlineportals wein-plus.eu. Die Abonnenten bekommen laufend neue Bewertungen von Hofschuster zu Weinen aus aller Welt. Der Onlinetester ist zurückhaltend mit der Vergabe der Punkte: „Es wird insgesamt viel zu hoch bewertet.“ Schuld daran seien die Publikationen, die mit hohen Punkten großzügig sind, damit sie wahrgenommen werden. Und die Käufer, die Weine nur nach Punkten auswählen, weil sie ihrem Geschmack nicht trauen.
„Man verarscht die Leute“, sagt Hofschuster. Einfache Allerweltsweine würden mit 90 und mehr Punkten versehen. Hofschuster bemüht sich daher umso mehr um Objektivität und genaue Beschreibungen. „Ich bewerte auch Weine hoch, die mir gar nicht schmecken, oder Weine niedrig, die ich gerne trinke“, sagt Hofschuster.
Dabei kann die Sache mit dem Wein für den Kunden ganz einfach sein: Er sieht Punkte als Orientierungshilfe und nicht als Gesetz, denn gut ist, was ihm schmeckt.