Für Simon Natzel begann die Reise in die Welt des Selbströstens mit der Leidenschaft für Espresso. Zunächst restaurierte der Jurist aus Bochum eine gebrauchte Gastromaschine für Espresso. Angefixt von der neuen Qualität der Kaffeezubereitung und den Diskussionen um die richtigen Parameter des Brühens im Internet-Portal kaffee-netz.de stellte Natzel für sich fest: „Die Ansprüche an Kaffee steigen.“ So sehr, dass er bald immer größere Schwierigkeiten sah, gute Bohnen zu bekommen. Mit gut meint Natzel in erster Linie frisch. Älter als eine Woche sollen Bohnen für ihn nicht sein.
Die Kunst des Röstens
Wer röstet, muss sich mit Temperaturen, Zeiten und Graden der Dunkelheit der Bohnen beschäftigen. Darüber hinaus fachsimpeln die Hobbyisten bei Röstertreffen oder im Internet über Crack und Häutchen. Ersteres ist der englische Fachbegriff für den Moment, in dem die Bohne vernehmlich platzt. Ähnlich wie Sesamsaat oder Pinienkerne in der Pfanne, darf der grüne Star keinesfalls plan in der Pfanne liegen. Sonst verbrennt er rasch von einer Seite und wird ungenießbar. Stattdessen sollen die Bohnen für gut 15 bis 20 Minuten je nach Sorte bei 180 bis 240 Grad in einer Trommel möglichst in steter Bewegung geröstet werden. Natzel kann gleichzeitig etwa 275 Gramm rösten, daraus entstehen 250 Gramm Bohnen. Die müssen nach dem sogenannten zweiten Crack binnen Minuten aus der Trommel geholt und zügig herabgekühlt werden. „Sonst verbrennen sie so, wie Nudeln beim Kochen nachziehen und weicher werden, obwohl sie bereits abgegossen sind“, sagt Fricke.
Erfahrung ist unersetzlich. Selbströster Natzel hatte für seinen Geschmack genug, nachdem er etwa 20 Röstungen hinter sich gebracht hatte. Um den Weg abzukürzen, bietet die Hamburger Kaffeeschule nun Röstkurse an. Und verrät alle Geheimnisse. „Transparenz ist ganz wichtig“, sagt Tolga Daglum von der Kaffeeschule, die zu der Kooperative Quijote Kaffee gehört. Neben der exakten Zusammensetzung der Espressomischungen erhalten Interessenten auch das Röstprotokoll, das exakt aufführt, wie die hauseigenen Mischungen mit so bizarren Namen wie „Oh, Harvey“ oder „Dantes Inferno“ produziert werden. „Früher haben die Röster ihre Rezepte und die Bohnensorten gehütet wie einen Goldschatz aus der unberechtigten Angst, dass ihnen jemand etwas nachmacht“, sagt Daglum. Dabei seien die Ergebnisse von Mensch zu Mensch bei gleichen Bohnen unterschiedlich.
Selber rösten, Steuern sparen
Transparenz fängt bei Quijote jedoch weit früher an. Müssen sich Kunden fertiger Röstungen vom Supermarkt bis zum edlen Kleinströster in der Nachbarschaft mit den Angaben zur Herkunft der Bohnen zufriedengeben, die meist spärlich bis gar nicht vorhanden sind, so sind die Namen der Bauern und Kooperativen bei Quijote aufgeführt. Auf Siegel zum fairen Handel verzichten die Hamburger. Jährliche Reisen in die Anbaugebiete, hohe Preise für die Ware und zinslose Kredite für Bauern in Notsituationen durch Ernteausfall gehören zur Philosophie des Unternehmens.