Rückenschmerzen "Der Rücken ist Ausdruck unserer Psyche"

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"'Da werden Sie vielleicht keine Kinder haben können'. - das wirkt."

Warum?

Sie müssen sehen, dass ein konservativ behandelnder Arzt wirtschaftlich kaum überleben kann. Und es gab sicher Vergütungsnetzwerke, wo es besser war, einen Patienten einzuweisen als ihn zu behandeln. Unser Vergütungssystem zwingt einen fast wider jede Vernunft zur Operation. Umsätze können sie nur generieren durch operative Tätigkeiten. Ein konservativ behandelnder Orthopäde bekommt für einen Kassenpatienten keine dreißig Euro im Quartal. Eine Operation bringt ein Mehrfaches. Es besteht über keine Verhältnismäßigkeit mehr zwischen konservativer Behandlung und Operation. Deswegen sehen wir diese Entwicklung. Die Krankenhausbetreiber üben zusätzlich Druck aus, dass möglichst viel operiert wird. Viele große Krankenhäuser können nur überleben, wenn sie eine große orthopädische operative Abteilung haben. Mit der Kindermedizin verdienen sie kein Geld. Wenn ich manche Verträge von Kollegen in meinem Alter sehe, dann lesen sich die wie Verträge von Autohändlern  in einem großen Autohaus. Da gibt es Targets, die vereinbart werden, Boni für Überschreitungen. Die großen Krankenhausbetreiber haben sicher kein Interesse, daran etwas zu ändern. Andernfalls kann ich nicht verstehen, warum da nicht irgendwann einmal an den Schrauben gedreht wird.

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Kann der Patient selber einschätzen, ob eine OP nötig ist und sie gegebenenfalls ablehnen?

Der Patient geht zunächst mal zum Arzt, nicht weil er misstrauen will, sondern weil er vertraut. Das ist die Grundeinstellung des Menschen. Es geht ja keiner zum Arzt, weil der denkt, dem glaube er nicht. Ich bin ein konservativ behandelnder Arzt, aber wenn ich wollte, bekomme ich den Patienten zur OP.

Wie das?

Dazu muss man im Kopf behalten, dass nach allen gängigen Definitionen der chronische Rückenschmerz ein Schmerzleiden ist. Das Symptom selber wird zur Krankheit. Wenn sie in diesem Gebiet umgehen, dann müssten sie besser mit dem Wort umgehen können als mit dem Messer. So werden die jungen Mediziner aber gar nicht ausgebildet. Wenn sie Dinge sagen wie „Au, wie schaut denn Ihr Rücken aus!“, „Da werden Sie mal im Rollstuhl landen.“

Oder „Da werden Sie vielleicht keine Kinder mit haben können.“ – das wirkt. Das wird ja alles den Patienten erzählt. „Wenn Sie ein Unfall beim Skifahren haben, dann sind Sie vielleicht querschnittgelähmt.“ Wenn sie Schmerzen bei einem Patienten dauerhaft verfestigen wollen, dann sagen Sie genau solche Sachen. Es ist etwas ganz anderes, als wenn sie sagen: „So schauen Rücken in Ihrem Alter halt aus. Aber jeder zweite läuft so ohne Schmerzen. Warum sollten Sie nicht dazugehören?“. Dann habe ich eigentlich schon mehr therapiert als wenn ich dem ein Messer reinstecke.

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