Selbstständige Verband fordert steuerliche Entlastung für Freiberufler

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Freien Berufe (BFB), Arno Metzler fordert eine geringere Mehrwertsteuer für Freiberufler und erklärt, wie Selbstständige mit der Krise umgehen.

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BFB Hauptgeschäftsführer Arno Metzler

Wiwo.de: Herr Metzler, wenn die Angst um den Arbeitsplatz wächst, wird Selbstständigkeit für viele Menschen zur Alternative. Freuen Sie sich, wenn deswegen die Zahl Ihrer Verbandsmitglieder wächst?

Metzler: Wenn es sich um erfolgversprechende Gründungen handelt: Ja. Aber wir beobachten im Moment viele Menschen, die aus der Not heraus gründen, damit keine Lücke im Lebenslauf entsteht. Diese Gründungen lassen die Selbstständigenquote zwar sprunghaft ansteigen, enden aber oft fatal.

Wiwo.de: Warum das?

Metzler: Je mehr Anbieter auf einen Markt drängen, umso größer der Druck und umso kleiner die Chancen, sich dort festzusetzen. Bei aller Not und Ausweglosigkeit sollte man sich deswegen gut überlegen, wie man sich als Anfänger in diesem hart umkämpften Markt behaupten kann und ob man eine gute Idee und eine erfolgreiche „Verkaufe“ hat. Sonst kann das viel Kraft und Geld kosten. Meist vergehen zwei Jahre, bevor Gründer von ihrer Praxis leben können.

Wiwo.de: In welchen Branchen wird es in der Krise besonders eng?

Metzler: Viele private Bauvorhaben und technische Projekte werden gegenwärtig auf Eis gelegt. Deswegen wird es etwa für Architekten und Ingenieure viel schwieriger, sich eine Existenz aufzubauen oder den Lebensunterhalt zu bestreiten. In der Medienbranche werden viele Menschen entlassen, die sich hinterher als Freiberufler niederlassen. Und weil die Zahl der Kurzarbeiter und Arbeitslosen steigt, fließen weniger Beiträge in den Gesundheitsfonds und so kommt spätestens im ersten Quartal 2010 auch bei den Ärzten und Therapeuten weniger Geld an.

Wiwo.de: Überraschenderweise sind viele Freiberufler in der Krise aber deutlich optimistischer als festangestellte Beschäftigte. Wie erklären Sie sich das?

Metzler: Einerseits sind viele Selbstständige schwere Zeiten gewohnt und gehen mit Krisen konstruktiv um. Andererseits gibt es derzeit auch Freiberufler, die stark nachgefragt werden. Etwa Anwälte oder Steuerberater, die die wachsende Zahl von Streitigkeiten klären müssen oder Unternehmen in Notlagen helfen.

Wiwo.de: Juristen und Steuerberater sind also die Gewinner der Krise?

Metzler: Nicht unbedingt. Zwar haben die auf einmal unheimlich viel Arbeit. Aber sie müssen sehr genau darauf achten, ob sie dafür auch Geld bekommen. Wenn ein Betrieb heute in eine Krisensituation gerät, braucht der zwar einen Anwalt – aber ob er ihn am Ende bezahlen kann, ist eine andere Frage.

Wiwo.de: Das klingt verrückt: Weil die Firmen sich im Ernstfall keine Experten leisten können, gehen sie Pleite…

Metzler: Genau! Deswegen fordern wir, dass die KfW einen Fonds für notleidende Mittelständler auflegt, damit der gute Rat eines Beraters nicht ausgerechnet in der Krise zu teuer ist. Sonst ist zu befürchten, dass in sechs bis acht Monaten auch Beratern das Wasser bis zum Halse steht – obwohl die Unternehmen sie dringend brauchen.

Wiwo.de: Was könnte passieren, wenn sich die Krise noch weiter verschärft?

Metzler: Etwa zehn Prozent unserer rund eine Millionen Mitglieder haben Zweifel, die Zahl der Stellen in ihren Büros erhalten zu können. Wir gehen deswegen davon aus, dass von den 2,9 Millionen Jobs in Kanzleien, Praxen oder Büros 350.000 bis 400.000 in Gefahr geraten könnten.

Wiwo.de: Das sind nicht wenige – aber die Politiker diskutieren trotzdem lieber über die Rettung des Autobauers Opel. Ärgert sie das?

Metzler: Ja – da beschleicht einen in der Tat das Gefühl, der Staat hilft manchen immer und bei den anderen kommt der Gerichtsvollzieher. Immerhin haben wir erreicht, dass jetzt auch Praxen, Kanzleien und Büros Kurzarbeitergeld beantragen können ­– so können diese Freiberufler ihre Mitarbeiter in Durststrecken weiter beschäftigen, anstatt sie sofort entlassen und später wieder einstellen zu müssen.

Wiwo.de: Was wünschen Sie sich noch von der Regierung?

Metzler: Wir wollen keinen direkten Existenzzuschuss für unsere Mitglieder. Aber wir fordern den reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf alle arbeitsintensiven Dienstleistungen von Freiberuflern an Stelle der üblichen 19 Prozent. So wie die EU es bereits für bestimmte Branchen zugelassen hat, etwa für Fahrradwerkstätten oder Friseurgeschäfte.

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