Sparen statt Kredit Sind die Deutschen das geduldigste Volk?

Geduld ist eine Tugend, die den Meisten fehlt. Warten nervt. Aber was die ökonomische Geduld angeht, sind die Deutschen laut einer Studie angeblich Spitze – wenn nur die Sache mit der Repräsentativität nicht wäre.

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Eine junge Frau schaut im Uhrenpark in Duesseldorf im Regen stehend auf ihre Armbanduhr. Quelle: AP

Die wenigsten Menschen sind im Alltag besonders geduldig: Wir warten einfach nicht gerne. Das kann man zwar ändern, aber Ungeduld an der Supermarktkasse ist okay. Im wirtschaftlichen Leben ist Geduld jedoch eine wichtige Tugend: Wer diese ökonomische oder strategische Geduld nicht hat, der nimmt auch eher leichtfertig Kredite auf, um sich schneller etwas leisten zu können.

Forscher von drei Universitäten sind nun der Frage nachgegangen, ob es nationale Unterschiede bei der Geduld gibt. Sind Chinesen besonders geduldig, müssen Amerikaner immer alles sofort haben? Mei Wang von der WHU Vallendar, Marc Oliver Rieger von der Universität Trier und Thorsten Hens von der Universität Zürich haben 6912 Studenten von Angola bis Vietnam - insgesamt 53 Nationen - danach befragt.

In diesen Ländern leben die geduldigsten Menschen

Die Fragestellung ist klassisch für die Ermittlung von Geduldspräferenzen und erinnert an eine Fernsehwerbung für Überraschungseier: Die Teilnehmer wurden gefragt, ob sie lieber in diesem Monat 3400 Dollar haben wollen oder bis zum nächsten Monat warten und dafür 3800 Dollar bekommen.

Während die Studenten aus Nigeria, Tansania, aber auch Georgien, Chile oder Russland sagten: "Gib mir das Geld jetzt", entschieden sich 89 Prozent der deutschen Studenten, einen Monat zu warten und dafür mehr Geld zu bekommen. Im Durchschnitt sagten 68 Prozent aller Teilnehmer, dass sie sich lieber gedulden wollten, anstatt sofort die geringere Summe zu bekommen. Die gesamte Studie ist im „Journal of Economic Psychology" erschienen.

Was Geduldspräferenzen beeinflusst

Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass Faktoren wie Gesundheit, politische Stabilität oder kulturelle Unterschiede die Geduld eines Menschen mitbestimmen. So könnten sich Menschen, deren wirtschaftliche Zukunft ungewisse ist, eher an das Sprichwort "Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach" halten, als andere. Dadurch allein ließen sich die Unterschiede aber nicht erklären. Das zeigt beispielsweise folgender Vergleich: Die USA erreichte nur Platz 24, Tschechien dagegen liegt auf Platz neun. Dabei ist die Tschechei deutlich weniger wohlhabend als die Vereinigten Staaten.

Rückschlüsse auf Länder gestalten sich schwierig

Man sollte jedoch auch nicht außer Acht lassen, dass zwar die Grundgesamtheit mit fast 7000 Befragten sehr groß ist. Heruntergebrochen auf die einzelnen Länder jedoch sind die Zahlen nicht mehr repräsentativ: So nahmen zwar zum Beispiel 540 Studenten aus Deutschland teil, aber nur 45 aus Spanien:

LandTeilnehmer N LandNLandN
Angola57Irland194Polen270
Argentinien58Israel127Portugal137
Aserbaidschan122 Italien81Rumänien339
Australien151Japan 274Russland162
Belgien46Kanada84Schweden65
Bosnien/Herzegowina74Kolumbien147Schweiz483
Chile100Kroatien115Slowenien96
China256Libanon101Spanien45
Dänemark73Litauen105Südkorea105
Deutschland540Luxemburg44Taiwan100
Estland126Malaysia99Tansania60
Finnland124Mexico89Thailand44
Frankreich138Moldawien100Tschechien 49
Georgien38Neuseeland91Türkei133
Griechenland58Niederlande88Ungarn262
Großbritannien62Nigerien93USA72
Hongkong101Norwegen192Vietnam131
Indien61Österreich 150 Gesamt6912

Insgesamt stellten die deutschen Studenten die größte Teilnehmergruppe, Georgien mit 38 die kleinste. Insofern fallen zehn ungeduldige Georgier natürlich ganz anders ins Gewicht, als zehn ungeduldige Deutsche. Damit sind die Ergebnisse ja nicht falsch, nur ob sich hierbei herauslesen lässt, dass die Deutschen das geduldigste Völkchen der Welt ist, ist fraglich. Es ist also die Auswertung, die in Zweifel gezogen werden darf.

Ganz sicher kann man sagen, dass 68 Prozent der Studenten weltweit ökonomisch eher geduldig sind. Das zeigt sich allerdings auch schon darin, dass sie studieren, anstatt direkt nach der Schule als ungelernte Kraft irgendwo zu arbeiten. So verdienen sie zwar erst viel später Geld, dafür verdienen sie mehr und haben im Schnitt eine größere Jobsicherheit.

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