Spießige Deutsche? Wie wir im Ausland wahrgenommen werden

Fleißig, pünktlich, humorlos und immer in der Lederhose? Der deutsche Charakter wandelt sich. Das sehen zumindest Menschen aus anderen Nationen so. Demnach sind Deutsche Pseudo-Pazifisten mit subtilem Humor.

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Ein Gartenzwerg mit einer Deutschland-Flagge an einer Hauswand Quelle: dpa

Deutschland wird lockerer. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), für die Menschen aus 26 Staaten zu ihrem Bild von Deutschland befragt worden waren. Dem früher oft gehörten Stereotyp des humorlosen Deutschen werde zunehmend das Bild eines „subtilen deutschen Humors“ entgegengesetzt, heißt es in der Studie. Hie und da sei gar eine „neue Lockerheit“ zu entdecken, die in einer GIZ-Studie drei Jahre zuvor höchstens mit Berlin in Verbindung gebracht worden war.

Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit werde zwar nach wie vor bewundert, stellen die Autoren der Studie fest. Die hiesige Innovationsfähigkeit gelte aber nicht als optimal. Gründe dafür seien eine übertriebene Angst vor dem Scheitern, aufwendige Prozesse der Konsensfindung und Überreglementierung.

"Typisch deutsch?"
Gartenzwerg Quelle: Rolf Sachs - Foto: Byron Slater
Auf einer Waage liegen ein Hirn und ein Herz aus Gips Quelle: Rolf Sachs - Foto: Byron Slater
Bücherturm Quelle: Rolf Sachs - Foto: Byron Slater
Stempelhalter Quelle: Rolf Sachs - Foto: Byron Slater
Wanderstock Quelle: Rolf Sachs - Foto: Byron Slater

Einen Riss hat das Bild vom leistungsfähigen Deutschland auch durch die Probleme bei einigen Großstadt-Projekten bekommen. „Über gewisse Großprojekte - wie den Berliner Flughafen oder die Elbphilharmonie - macht man sich selbst im Ausland lustig. Man fragt sich: Wie schaffen die es bloß, einen solchen Mist zu machen?“, wird ein Norweger zitiert.

Was aus Sicht vieler ausländischer Befragten nicht zusammenpasse, sei der „vermeintliche deutsche Pazifismus und zeitgleich Deutschlands weltweite Waffenlieferungen“. Die Meinung, Deutschland pflege hier ein Doppelmoral, wurde mehrfach geäußert. Noch größeres Unverständnis ernten die Deutschen für ihre Entscheidung, aus der Atomenergie auszusteigen. Die Energiewende sei „von der Idee her revolutionär, in der Umsetzung aber nicht“. In Sachen Umwelt- und Energiepolitik wolle man von Deutschland lernen, allerdings ohne im Schulmeisterton belehrt zu werden.

Ein Leitfaden, typisch deutsch zu werden
Adam Fletcher hat in Großbritannien und Neuseeland gelebt, ein Unternehmen in Leipzig gegründet und lebt und arbeitet jetzt in Berlin. Seine Erfahrungen in Deutschland haben ihn dazu veranlasst, einen Leitfaden zu schreiben, wie Ausländer typische Deutsche werden. So hart es sei, schreibt Fletcher, um ein typischer Deutscher zu werden, müsse man deutsch lernen. Die Worte an sich seien gar nicht einmal so schwer, gerade wegen der vielen Parallelen zum Englischen. Und letztlich mache es auch stolz "Schwangerschaftsverhütungsmittel" sagen zu können. Die Grammatik allerdings sei "impenetrable nonsense", aber es führe nun mal kein Weg an ihr vorbei. Quelle: AP
Wer typisch deutsch sein wolle, müsse auch deutsche Gerichte essen, so Fletcher. Er warnt allerdings auch davor, wie unkreativ die deutsche Küche sei. Wurst schmecke eher langweilig und ohne Fleisch gehe auf deutschen Tellern nichts. "Hier Vegetarier zu sein, ist wahrscheinlich genauso lustig, wie im Zoo nichts sehen zu können", schreibt er. Besonders verwirrend sei für Ausländer die Spargel-Saison, in der das ganze Land völlig durchdrehe und sich nahezu ausschließlich von Spargel ernähre. Daran müsse sich ein zukünftiger Musterdeutscher gewöhnen - und natürlich mitmachen. Quelle: dpa/dpaweb
Besonders wichtiger Bestandteil des Germanismus seien die drei P: Planning, Preparation, Process. Ein typischer Deutscher sei vorbereitet auf alles, was passieren könne und plane alles bis ins kleinste Detail: vom Tagesablauf bis zur Anordnung der Schuhe im Regal. To-do-Listen helfen dem Deutschen dabei nicht nur, es mache ihn auch glücklich, diese abzuhaken. Quelle: Fotolia
Besonders wichtig sei es, sich Versicherungen zuzulegen gegen all die Dinge, die man nicht planen kann: Versicherungen gegen Erdbeben, Beinbruch und Haarausfall, gegen Schäden durch den falschen Kraftstoff und so weiter. Fletcher ist sich sicher, würde jemand eine Versicherung erfinden, die immer dann greift, wenn man grade nicht die richtige Versicherung hat (insurance-insurance), würden 80 Millionen Deutsche vor lauter Glück tot umfallen. Quelle: dpa
Wissen ist Macht: In England bekommt der das hübsche Mädchen aus dem Club, der am meisten trinkt, ohne sich auf die Schuhe zu kotzen. "In Deutschland bekommt der das Mädchen, der am meisten über Philosophie weiß", schreibt Fletcher. Dementsprechend streben die Deutschen nach Fortbildungen, Qualifikationen und Titeln. Der Dr. vor dem Namen sei deutlich wichtiger als das, was die Person im Kopf habe, weshalb jeder sich möglichst viele Zusatzqualifikationen zulegen sollte. Doch Vorsicht: Wer den Bachelor of Arts in Theaterwissenschaften gemacht hat, bekäme ungefähr so viel Anerkennung wie jemand, der es geschafft hat, sich ordentlich anzuziehen. Quelle: Fotolia
Ganz wichtig seien vor allem Hausschuhe, schreibt Fletcher. "Sie sind Voraussetzung, um richtig deutsch zu sein." Die Begründung, warum Deutsche so auf ihre Puschen schwören, sei vor allem eines: praktisch. Was ebenfalls furchtbar deutsch sei. Quelle: dpa/dpaweb
In Deutschland finden die besten Partys in der Küche statt, bei den Briten ist es dagegen das Wohnzimmer. Fletcher nennt die Küche einen funktionalen Raum, in dem man Essen zubereitet. Wer allerdings ein richtiger Deutscher werden wolle, müsse die Küche unbedingt zum Mittelpunkt seiner Wohnung machen. Außerdem sei besonders am Wochenende ein ausgedehntes Frühstück Pflicht für einen typischen Deutschen. Dazu müsse der ganze Inhalt des Kühlschranks auf dem Küchentisch aufgefahren werden. Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms

Hinter dem häufig geäußerten Wunsch, die Bundesrepublik möge eine ihrer Größe und Wirtschaftskraft angemessenere außenpolitische Rolle spielen, steckt laut Studie häufig der Wunsch, Deutschland solle ein „Gegengewicht zum Hegemon USA“ bilden. Dieser Rolle werde Deutschland oft nicht gerecht, hieß es.

Alle europäischen Länder schauten zwar in unsicheren Zeiten auf das, was Bundeskanzlerin Angela Merkel mache. In Berlin werde dies aber nicht immer richtig wahrgenommen. Die GIZ-Studie zitiert dazu einen typischen Satz: „Da haben sie alles auf dem Teller, aber sie essen es nicht.“

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