Die Autorin dieses Textes verlässt normalerweise gegen viertel nach sieben morgens das Haus und kommt abends gegen 19 Uhr nach Hause. Dann sind zwölf Stunden vom Tag schon mal weg. Bleiben noch zwölf übrig. Acht davon verbringt sie - zumindest wenn alles nach Plan läuft - schlafend. Bleiben also noch vier Stunden übrig für Einkaufen, kochen, essen, Wäsche waschen, saugen, sich mit Freunden treffen, sogenannte Quality-Time mit dem Partner verbringen, mal wieder die Mutter anrufen und - ganz wichtig - sich erholen.
Was das Zeitbudget angeht, also alles im Soll: Laut dem Freizeitmonitor der Stiftung für Zukunftsfragen aus dem Jahr 2014 hat jeder Deutsche pro Tag drei Stunden und 56 Minuten Freizeit - die Mehrheit verbringt diese Zeit vor dem Fernseher.
Aber so richtig erholt sind die Deutschen nicht, wie eine repräsentativen Umfrage unter 1045 Erwerbstätigen zeigt. Demnach sind 45 Prozent nach Feierabend "stark" erholungsbedürftig, aber nur 36 Prozent der Befragten schaffen es auch, sich abends zu erholen.
Der Rest hakt nach der Arbeit noch schnell seine persönliche to-do-Liste ab und fällt irgendwann erschöpft ins Bett. Laut der über das Onlinepanel Toluna gemachten Umfrage ruinieren Überstunden, Pendelei und Zweitjobs bei 56 Prozent den Feierabend, 36 Prozent sagen, dass die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen keine Zeit für die eigene Erholung ließe.
Das machen die Deutschen in ihrer Freizeit am liebsten
52 Prozent der Befragten vertreiben sich ihre Freizeit am liebsten bei einem gepflegten Kaffeeklatsch.
Quelle: Stiftung für Zukunftsfragen
Etwas mehr - nämlich 54 Prozent der Deutschen - hören mindestens einmal pro Woche Musik in ihrer Freizeit. Vorzugsweise auf CD oder im MP3-Format.
Im stressigen Alltag bleibt oft nicht viel Zeit für die Pflege von Körper und Geist. 61 Prozent der Deutschen geben an, sich in ihrer freien Zeit in Ruhe zu pflegen.
Auch Zeit vor dem Computer verbringen 61 Prozent der in der Studie Befragten.
Für den Gedankenaustausch nehmen sich die Deutschen außerdem Zeit. In der Freizeit reden 64 Prozent über wichtige Dinge.
65 Prozent der Befragten holen in ihrer Freizeit regelmäßig Schlaf nach, der im Stress oft zu kurz kommt.
Ganzen 68 Prozent ist in der Freizeit wichtig, Zeit mit dem Partner zu verbringen.
Die freie Zeit unterwegs nutzen viele Deutsche (71 Prozent) zum telefonieren.
Das Denken kommt bei den Deutschen in der Freizeit offenbar nicht zu kurz: 71 Prozent gehen ihren Gedanken nach, wenn sie etwas Ruhe haben.
72 Prozent lesen hobbymäßig gerne Zeitungen oder Zeitschriften.
Das Surfen im Internet gehört für 73 Prozent der Deutschen zum Freizeitvertreib.
Noch lieber als unterwegs führen die Deutschen Telefongespräche von zu Hause. Telefonieren zählt zu den Top 3 Freizeitaktiviäten.
Ganze 90 Prozent der Befragten hören mindestens einmal die Woche regelmäßig Radio.
Die mit Abstand beliebteste Freizeitaktivität ist fernsehgucken. Ganze 97 Prozent sitzen regelmäßig vor der Glotze.
Wer sich nicht einmal nach der Arbeit erholen kann, geht irgendwann auf dem Zahnfleisch. Da helfen auch zwei Wochen Urlaub an der türkischen Riviera nicht mehr. Die Konsequenzen sind zweigeteilt: Wer es sich leisten kann - und darf - macht ein Sabbatical und packt für sechs, zwölf oder noch mehr Monate die Koffer. So wie Barbara Stäbler, die im September 2014 dem Alltag für ein Jahr „Lebewohl“ sagte. Gemeinsam mit ihrem Mann machte sich die 47-Jährige, die bei der Allianz-Versicherung für die Entwicklung von Führungskräften zuständig ist, auf Entdeckungstour:
Singapur, Bali, Spanien, Uganda, Marokko und Sri Lanka waren Stationen, an denen sie haltmachten. Zwischendurch kamen sie immer wieder zurück nach München. Zwölf Monate ging die Auszeit. Währenddessen hätten sie auch ein Entwicklungsprojekt an einer ugandischen Schule besucht und in Marokko mit Berbern eine Tour durchs Atlas-Gebirge unternommen - mit Trinkwasser, „das ich mir hart erarbeiten musste“. „Ich wollte mich mal wieder erden“, sagt Stäbler.
Der Rest macht weiter wie bisher - und landet vermutlich irgendwann mit einem Magengeschwür oder depressiven Symptomen bei einem Arzt. Zumindest was die depressiven Symptome angeht, ist man in guter Gesellschaft: Rund 26 Prozent der Deutschen sind betroffen. Mehr als ein Drittel aller Arbeitsunfähigkeitstage entfällt auf psychische Erkrankungen.
"Es wundert mich nicht, dass viele Menschen an Burnout erkranken, wenn man sich anschaut, wie wir heute leben", sagt der 59-jährige Hirnforscher und Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof.
Seine Tipps für mehr Erholung und weniger Stress sind überraschend simpel: Nicht länger als acht oder zehn Stunden pro Tag arbeiten - und zu Hause das Handy ausschalten.