Kein Mentalcoach oder Guru, der Sie auf die Spur bringt?
Nein, inzwischen bin ich ja eher derjenige, der gefragt wird und davon erzählen soll, wie ich mich zu meinen Leistungen motiviere. Viele glauben, ich sei ein unglaublicher Motivationskünstler.
Sind Sie es?
Nein, eben nicht. Mich wundert es ja selbst. Ich musste mir vor meinem ersten Vortrag über Motivation erst einmal ein Buch zum Thema kaufen, um das, was bei mir gut funktioniert, in markige Worte zu fassen.
Sie gelten als hervorragender Radfahrer und eher mittelmäßiger Schwimmer. Trainieren Sie Schwächen oder Stärken.
Beides – anders geht es nicht in unserem Sport. Aber beim Schwimmen erziele ich schneller Fortschritte, und das motiviert. Beim Radfahren wäre ich hingegen sehr demotiviert, wenn die Verbesserungen trotz Training nicht von alleine kämen.
Sie haben nach Ihrem Vordiplom das Physik-Studium abgebrochen und den Schritt in den Profisport gewagt. Eine mutige Entscheidung?
Ich habe davor keine Berechnung darüber angestellt, zu wie viel Prozent dies und jenes klappen muss und wird. Man muss bei so einer Entscheidung auch bereit sein, seinem Herz zu folgen und nicht nur seinem Kopf. Sonst hätte ich mich nie so entschieden. Das Schöne an dem Sport ist, dass der Erfolg nicht über Nacht kommt.
Das klingt erst mal nicht so gut.
Nein, es kann auch das Harte daran sein. Aber der Erfolg trifft einen, wenn es klappt, nicht unvorbereitet. Zudem sind bestimmte Risiken wie etwa Verletzungen im Triathlon selten. Ich reiße mir nicht eben mal im Training wegen eines Trainingsfouls die Kreuzbänder. Nach dem Vordiplom haben auch meine Eltern grünes Licht gegeben. Außerdem habe ich das Studium auch nicht von heute auf morgen abgebrochen, sondern erst mal zwei Urlaubssemester gemacht. Dann lief es aber ganz gut.
Als Sieger des Ironman Hawaii können Sie den Erfolg vermarkten. Sie bezifferten in einem Interview Ihren Marktwert auf etwa eine Million Euro. Wäre das Unternehmen Kienle auch so profitabel mit Platz zwei oder drei in Hawaii?
Der Unterschied zwischen dem ersten und dem dritten Platz ist enorm. 20 Menschen haben das gleiche Talent, aber am entscheidenden Tag einfach eine unterschiedliche Form. 19 gewinnen das Rennen nicht. Die verdienen aber nicht nur zehn Prozent weniger, sondern nur noch einen Bruchteil dessen, was der Sieger davonträgt. Das Preisgeld ist allerdings für einen Profi der kleinste Teil, die Werbepartnerschaften danach machen den Unterschied.
Die wichtigsten Fitnesstipps von Wladimir Klitschko
Wichtiger als die Dauer des Trainings ist seine Intensität und Regelmäßigkeit. „Wir haben alle wenig Zeit, 30 Minuten Training am Tag reichen, wenn Sie dranbleiben“, sagt Klitschko.
Es kann der Wunsch nach mehr Muskeln sein oder der Wunsch nach Gewichtsverlust. Wichtig ist nur: „Setzen Sie sich ein Ziel. Ohne Ziel werden Sie es nicht schaffen“, sagt Klitschko. Vor dem Boxen habe er anfangs Angst gehabt. Aber der Wunsch, mit dem Boxen andere Ziele zu erreichen, sei entscheidend gewesen.
Arnold Schwarzenegger war das erste Vorbild, das Wladimir Klitschko in seiner Jugend hatte. Später war es dann Karate-Legende Bruce Lee. Für jeden anderen kann es auch eine andere Person sein, es muss kein Kampfsportler sein. Wichtig ist nur: Eine Person, die einem als Vorbild erscheint.
Wenn es mal nicht läuft: Dennoch trainieren. Betrachten Sie die Widerstände im Training als die gleichen, die Ihnen im Alltag begegnen. „Wenn Sie im Beruf Probleme haben, müssen Sie die auch lösen, sonst verlieren Sie Ihren Job“, sagt Klitschko.
Die Basis erfolgreichen Trainings sei diese einfache Sache: Täglich das gleiche tun. Für drei Minuten. Nach dem Aufstehen Zähneputzen. Und sobald die Zahnbürste aus der Hand gelegt ist: 20 Liegestütze. Und sofort 20 Kniebeuge. Jeden Tag. Immer.
Bei aller Disziplin und Anstrengung: „Ohne Spaß an der Sache werden Sie nicht dabei bleiben“, sagt Klitschko. Aber – der Spaß kommt mit der Anstrengung. Wenn das Ziel klar ist, dann stellen sich rasch die ersten Glücksgefühle auf dem Weg dorthin ein. Das bringt den nötigen Spaß.
Wladimir Klitschko nennt es den „Cheat Day“ – cheat wie Mogeln. Ein Tag, der der Ruhe gilt. Denn der Körper braucht unbedingt Pausen. „Sie können untertrainieren, dann haben Sie keine Erfolge. Sie können aber auch übertrainieren, dann schaden Sie Ihrem Körper.“ Das gilt auch für die Ernährung. Neben sieben bis neun Stunden Schlaf rät Klitschko zu drei bis vier Litern Wasser am Tag. Außerdem sollte nie das Frühstück ausgelassen und nach dem Sport Obst und Milch gegessen werden. Dann ist am Cheat Day auch Schlemmen nach Herzenslust drin. Keine Zeit für Frühstück – kein Problem: nach dem Aufstehen direkt zwei Handvoll Nüsse essen.
Wer Übungen vor allem für einen stärkeren Rücken plant, muss unbedingt auch die Bauchmuskeln trainieren, den Gegenspieler der Rückenmuskulatur. Einseitige Belastungen verursachen nur Probleme.
„Es ist nicht so wichtig, ob Sie eine Übung langsam oder schnell ausführen. Ich mache sie immer zu schnell“, sagt Klitschko. Wichtig sei, dass es sich gut anfühlt und die Übungen wie Liegestütze vollständig ausgeführt werden.
„Nichts motiviert besser als die ersten Resultate“, sagt Klitschko. Auf einem Zettel notieren, wie sich Gewicht, Brust- und Bauchumfang entwickeln. Und die Zahl der Liegestütze. „Wenn Sie die Liegestütze regelmäßig machen, wird es Ihnen rasch leicht fallen, mehr zu machen als noch einen Monat zuvor.“
Belohnen Sie sich mit Erfolgen. „Wenn Sie sich an regelmäßiges Training halten, sind die Ergebnisse sichtbar. Das motiviert“, sagt Klitschko.
Stand der Sieg in Hawaii in Ihrem Businessplan?
Das war das Ziel. Trotzdem: Es hat mich gewundert, dass es schon so früh geklappt hat. In der Woche vor dem Rennen habe ich mit Thomas Hellriegel, der 1997 den Ironman als erster Deutscher gewann, darüber gesprochen, was ich 2015 besser machen könnte, damit es dann klappt. Denn zu dem Zeitpunkt damals habe ich mit einem Erfolg nicht gerechnet. Man hat nicht so viele Versuche. Das nimmt nicht gerade den Druck auf diejenigen, die wissen, dass sie in Hawaii siegen können. Viel mehr als drei bis fünf Versuche hat man sicher nicht.
Wie groß ist das Unternehmen Kienle?
Inzwischen größer, als man denkt. Ich mache noch sehr viel selber, aber es geht nicht ohne Management. Ich arbeite mit zwei Trainern, habe meist einen Physiotherapeuten dabei und hoffe auf den entsprechenden Return on Investment.