Ungezwungener Freitag

Proll-Slipper? Ja bitte!

Lin Freitag
Lin Freitag Stellvertretende Ressortleiterin Erfolg

Einst schmückte er die Füße von Playboys und Taxifahrern. Jetzt sind Loafer wieder gesellschaftsfähig.

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Loafer sind wieder gesellschaftsfähig. Quelle: Fotolia

Das Jahr 1953 war an Ereignissen nicht gerade arm: Der Koreakrieg endete, der russische Diktator Joseph Stalin starb, Elisabeth II. wurde Königin – und Gucci erfand einen Schuh. Letzteres ist durchaus üblich, erst recht für ein Modelabel. Unüblich ist hingegen, dass dieser Schuh 63 Jahre später wieder so begehrt ist, dass er überall ausverkauft ist – obwohl er 440 Euro kostet. Der Horsebit Loafer aus weichem Leder ist ein gemütlicher Schuh zum Reinschlüpfen. Das Erkennungszeichen: eine schmale, goldene Pferde-Trense auf dem Spann.

Die Geschichte des Loafers, zu Deutsch Faulenzer, beginnt allerdings nicht erst in den Fünfzigerjahren. Aus dem Mokassin entsprungen, gehört er zu den ältesten Schuhmodellen der Menschheit. Im 18. Jahrhundert importierten ihn europäischstämmige amerikanische Siedler nach Europa, wo er zunächst als Hausschuh populär wurde. Akzeptanz als Straßenschuh erlangte der Loafer, als ihn amerikanische Collegestudenten für sich entdeckten. Doch erst mit dem Horsebit Loafer von Gucci wandelte er sich vom Schlappen zum Prestigeschuh. Er zierte die Füße des Industriellenerben und Playboys Gunter Sachs wie auch seiner damaligen Frau, der französischen Schauspielerin Brigitte Bardot. Und wurde somit zum Symbol des Dolce Vita der frühen Sechzigerjahre. Seit 1985 hat der Schuh sogar einen Platz im New Yorker Museum of Modern Art.

5 Tipps auf dem Weg zur richtigen Socke

Doch wo Dolce Vita ist, da ist der Filou nicht weit. Schon bald lockte die Gucci-Galosche mit goldener Zierschnalle allerlei zwielichtiges Volk. Erst trugen ihn Zuhälter und andere Kiezgrößen, dann verkauften bahnhofsnahe Läden munter Plagiate. Über weißen Socken getragen, erlebten sie als Proleten-Slipper ihren Tiefpunkt. Passend zum 60. Geburtstag im Jahr 2013 legte die damalige Gucci-Chefdesignerin Frida Giannini den Schuh wieder auf, und plötzlich fand er sich an den Füßen der Modeelite wieder. „Vogue“-Redakteurinnen und Blogger erklärten ihn zum neuen Trendstück, doch der Durchbruch in der breiten Masse ließ zunächst auf sich warten. Seitdem er mit Monacos Fürstentochter und Werbegesicht Charlotte Casiraghi, Schauspieler James Franco und Sängerin Gwen Stefani spazierengeht, ist er wieder ein Verkaufsschlager.

Unter Modemenschen erfreut sich eine besonders extravagante Abwandlung großer Beliebtheit. Der neue Gucci-Chefdesigner Alessandro Michele fütterte ihn mit hellbraunem Känguru-Haar und ließ die Ferse offen. Völlig alltagsuntauglich, 800 Euro teuer, trotzdem ausverkauft. Kein Einzelfall, im Hause Gucci läuft das Geschäft besser denn je. Denn nicht nur der Loafer erlebt gerade sein Comeback, auch die Marke selbst, die jahrelang als etwas zu sexy und statussymbolbehaftet galt, ist wieder angesagt. Und das mit hochgeschlossenen Rüschenblusen statt tiefem Dekolleté, rosafarbenen Schlaghosen statt ultrakurzen Röcken – und eben flachem Bequemschuh statt glitzernder High Heels.

Geht gut: zu nahezu allen Hosenformen, ohne oder mit lustigen Socken.

Geht gar nicht: im Proleten-Look, zur Bundfaltenhose und Zweireiher.

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