Vintage-Fahrrad Eine Zeitreise auf Rädern

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Früher war vieles besser – aber nicht alles leichter

In Italien werden Brote mit Parmaschinken gereicht, in Spanien Tapas, in Großbritannien Scones zum Tee am Nachmittag. Kurz vor dem Ziel, vor der imposanten Kulisse des Schlosses Chatsworth, erhalten die Teilnehmer Eis, Sandwiches und Cava in Plastikbechern.

Eine gute Gelegenheit, sich schon kurz vor dem Ende über die Erlebnisse von unterwegs auszutauschen. Viele berichten von platten Reifen, nachdem sie zu eifrig über die Schotterwege gesteuert sind. Andere schwärmen von der Liebe zum Material, das trotz seines hohen Alters immer noch genauso glänzt, als sei es nie gefahren worden.

Bei vielen Vintage-Radrennen findet deswegen auch ein Schönheitswettbewerb statt. Dort werden besonders liebevoll hergerichtete Stahlrenner ausgezeichnet, egal, wie wertvoll sie früher mal waren. Außerdem ist bei den Rennen ein lebhafter Handel mit teuren Ersatzteilen entstanden.

Hohe Preise für Ersatzteile

An den Ständen zahlen Liebhaber für gut erhaltene Bremsen gerne mal mehrere Hundert Euro. Neben den Bühnen für Livemusik und den Cocktailbars in ausrangierten roten Doppeldeckerbussen warten an den Ständen Tausende von Einzelteilen ausgeschlachteter Räder auf neue Besitzer.

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Und unterwegs kann einiges kaputt gehen. Die für Vintage-Rennen typischen Routen über nicht asphaltierte Pisten verlangen nicht nur dem Radfahrer, sondern auch dem Material einiges ab. Schaltwerke können zerbersten oder Ketten reißen, wenn die Fahrer am Anstieg mit aller Energie treten. Abwärts lauern ebenfalls Gefahren. Der Duft von verbranntem Gummi steigt in die Nase, wenn bei steilen Abfahrten Geschwindigkeiten von 60 oder mehr Stundenkilometern erreicht werden und am Ende eine scharfe Kurve auf die Fahrer wartet.

Wer an moderne Fahrräder mit ihren geräuschlosen Dynamos und sanften Hydraulikbremsen gewöhnt ist, weiß die Leistung vergangener Radfahrer-Generationen nun umso besser zu schätzen. Alles ist behäbiger, schwerer und raubt mehr Kraft: den Waden, die in die Pendale treten, genauso wie den Fingern, die die schwergängigen Bremsen mit bald roher Gewalt ziehen müssen, um die Räder zu stoppen.

Spätestens im Ziel wissen alle Teilnehmer die schmerzhaften Erfahrungen zu schätzen. Dort sind die Anekdoten der Nährstoff der Heldenerzählungen beim verdienten Bier. Statt eines kraftvollen und furiosen Sprints über die Ziellinie rollen die Teilnehmer gemächlich und genüsslich auf den Bakewood Festival Ground, auf dem einige Tausend Zuschauer Spalier stehen für die kostümierte Schar.

Noch vor der Ziellinie steigen alle ab und warten geduldig, bis auch sie für ein Foto mit ihrem Gefährt posieren dürfen. Das Bild wird die Fahrer für immer an diesen Tag erinnern. Ein Tag, der sie lehrt, dass früher vielleicht vieles besser war – aber nicht alles leichter.

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