Vintage-Fahrrad Eine Zeitreise auf Rädern

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Mit Stahl-Monstern über staubige Schotterwege

Vorbild der Radjahrmärkte ist die L’Eroica in Italien. Dahinter steckt der italienische Fahrradsattel-Hersteller Selle Royal. 1997 versammelten sich im Chianti-Gebiet in Gaiole erstmals 82 Teilnehmer, um auf Rennrädern die Strapazen früherer Rundfahrten nachzuempfinden. Es folgten weitere Eroica-Ausgaben im kalifornischen Paso Robles und dem spanischen Cenicero im Rioja.

In Flandern gibt es die Tour Retroronde, in Österreich die Velo Veritas. Inzwischen nehmen am Vintage-Radrennen in der Toskana 5700 Menschen teil. Sie können wählen zwischen vier Routen, von 38 bis 209 Kilometer, die über oft staubige Schotterwege führen. Die Nachfrage ist inzwischen so groß, dass die Organisatoren die Plätze verlosen müssen.

Die ausgefallensten Fahrräder der Embacher-Collection
#203: Pacific Cycles / IF ModeEin Faltrad des britischen Designers Mark Sanders aus dem Jahr 1987. Es ist der Versuch, den Fahrkomfort eines normalen Rades – hier mit 26 Zoll großen Reifen – und der Transportfähigkeit eines Klapprades zu vereinbaren. Das IF Mode hat es dank seiner Optik in den Science-Fiction-Film „The Coming Days“ geschafft. Quelle: Presse
#198: Pedersen-RadDie Geometrie entwickelte der Schmied Mikael Pedersen bereits 1893. Dieses Modell aus dem Jahr 1978 ist das dritte, das je gebaut wurde. Es ist ein Prototyp, der auf Basis der wiederentdeckten Pläne entstand. Fahrkomfort ist das große Ziel der Konstruktion, was angesichts der Qualität des Fahrbahnbelags Ende des 19. Jahrhunderts wenig überrascht. Quelle: Presse
#189: C4 TrackDa fehlt doch was? Genau: Das Sattelrohr. Was nicht da ist, kann nichts wiegen. Wenn ein Rad weniger wiegt, ist es schneller. Und um Tempo ging es bei der Konstruktion dieses Bahnrads aus dem Jahr 1988, das aus dem damals noch kaum verwendeten Material Carbon hergestellt wurde. Quelle: Presse
#177: Wilhelmina Plast / IteraDer Ausstellungskatalog spricht vom wohl bizarrsten Rad, das je hergestellt wurde. Das bezieht sich weniger auf die Form, die zwar außergewöhnlich ist, aber den Gegenstand noch als Fahrrad erkennbar sein lässt. Es ist das Material, das verwendet wurde: So gut wie jedes Teil ist aus Kunststoff. Für die Konstruktion des Rades von 1984 bekam der Hersteller Unterstützung von der Schwedischen Nationalbank. Quelle: Presse
#170: Capo Sport / Eis BikeNicht überall ist Asphalt oder wenigstens Schotter der Bodenbelag. In frostigen Gegend kann das auch Eis sein. Für diese Regionen mit viel zugefrorenen Gewässern eignet sich dieses Rad aus den Sechzigerjahren mit einer Kufe anstelle eines Vorderrads. Quelle: Presse
#168: MFA / LambrettaDer Motorroller Lambretta gehört zu der Reihe an italienischen Fahrzeugen, die es in die Herzen der Fahrer geschafft haben. Kinder bewunderten diese Gefährte auch zu ihrer Hoch-Zeit in den Sechzigern. Und für die wurde dieses Kinderrad gebaut, das aussieht wie seine großen Schwestern. Quelle: Presse
#135: Carnielle GraziellaBonanza ist nicht nur der Name einer Fernsehserie, sondern auch der Name einer in den Siebzigerjahren überaus beliebten Radkategorie. Sie lehnen sich auch als Kinderfahrrad an die Ästhetik von Chopper-Motorrädern an. Dieses Modell hat sogar gefederte Räder. Der Preis der Coolness: happige 19,5 Kilogramm Gewicht. Quelle: Presse

So weit ist es bei der zweiten Auflage der Eroica Britannia noch nicht. Rund 3000 Radler waren für die drei Routen mit einer Länge von 45, 88 und 160 Kilometern gemeldet. Darunter auch die Deutschen Christian Hagge und Tim Meyer-König aus Flensburg.

15 Kilometer nach dem Start, im Örtchen Tideswell. Das deutsche Duo lässt es sich im Schatten einer Kirche gut gehen. Helfer servieren Tee und Kaffee, es gibt Brötchen mit dicken Speckscheiben. Hagge und Meyer-König sind das erste Mal dabei, sie sind extra nach England gereist – allerdings ohne Fahrräder. Die haben sie sich vor Ort geliehen.

Hetz mich nicht!

Für die Guv’nor’s Assembly käme das nicht infrage. So nennt sich eine Gruppe, die bei der Eroica Britannia mit zwölf Rädern antritt. 45 Kilometer und 800 Höhenmeter bewältigen die Teilnehmer der Assembly auf ihren Nachbauten eines britischen Rennrads aus den Dreißigerjahren. Eine Schaltung mit mehreren Gängen, die einen leichteren Tritt bietet, gab es damals noch nicht. So verflucht zehn Kilometer vor Schluss der ein oder andere am letzten steilen Anstieg die Wahl des Geräts. Am Ende der Route sammelt sich die Truppe in ihrer stilechten Kleidung und wartet auf die langsameren Mitglieder, um gemeinsam ins Ziel zu fahren.

Hetzen ist verpönt. Die Distanz soll die Fahrer strapazieren, aber die Geschwindigkeit ist nicht so wichtig. Statt digitaler Chips für eine sekundengenaue Zeitnahme bekommt jeder Radfahrer eine Karte, die an mehreren Stationen abgestempelt wird. Als Zeugnis der Leistung und als Souvenir.

Die Stempel gibt es an einer der vielen Verpflegungsstationen, die bei historischen Radrennen eher an ein überdurchschnittliches Buffet erinnern. Anhalten, vom Rad steigen und in aller Ruhe die noch nicht allzu leeren Energiespeicher wieder auffüllen, ist fester Bestandteil jedes Vintage-Rennens.

Statt Wasser, Bananen und Gels gibt es deftige Wurstbrötchen mit geschmorten Zwiebeln. Wie wichtig reichhaltige Genüsse bei so viel körperlicher Ertüchtigung sind, verschweigen die Veranstalter nicht. Ganz im Gegenteil.

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