Vorbild der Radjahrmärkte ist die L’Eroica in Italien. Dahinter steckt der italienische Fahrradsattel-Hersteller Selle Royal. 1997 versammelten sich im Chianti-Gebiet in Gaiole erstmals 82 Teilnehmer, um auf Rennrädern die Strapazen früherer Rundfahrten nachzuempfinden. Es folgten weitere Eroica-Ausgaben im kalifornischen Paso Robles und dem spanischen Cenicero im Rioja.
In Flandern gibt es die Tour Retroronde, in Österreich die Velo Veritas. Inzwischen nehmen am Vintage-Radrennen in der Toskana 5700 Menschen teil. Sie können wählen zwischen vier Routen, von 38 bis 209 Kilometer, die über oft staubige Schotterwege führen. Die Nachfrage ist inzwischen so groß, dass die Organisatoren die Plätze verlosen müssen.
So weit ist es bei der zweiten Auflage der Eroica Britannia noch nicht. Rund 3000 Radler waren für die drei Routen mit einer Länge von 45, 88 und 160 Kilometern gemeldet. Darunter auch die Deutschen Christian Hagge und Tim Meyer-König aus Flensburg.
15 Kilometer nach dem Start, im Örtchen Tideswell. Das deutsche Duo lässt es sich im Schatten einer Kirche gut gehen. Helfer servieren Tee und Kaffee, es gibt Brötchen mit dicken Speckscheiben. Hagge und Meyer-König sind das erste Mal dabei, sie sind extra nach England gereist – allerdings ohne Fahrräder. Die haben sie sich vor Ort geliehen.
Hetz mich nicht!
Für die Guv’nor’s Assembly käme das nicht infrage. So nennt sich eine Gruppe, die bei der Eroica Britannia mit zwölf Rädern antritt. 45 Kilometer und 800 Höhenmeter bewältigen die Teilnehmer der Assembly auf ihren Nachbauten eines britischen Rennrads aus den Dreißigerjahren. Eine Schaltung mit mehreren Gängen, die einen leichteren Tritt bietet, gab es damals noch nicht. So verflucht zehn Kilometer vor Schluss der ein oder andere am letzten steilen Anstieg die Wahl des Geräts. Am Ende der Route sammelt sich die Truppe in ihrer stilechten Kleidung und wartet auf die langsameren Mitglieder, um gemeinsam ins Ziel zu fahren.
Hetzen ist verpönt. Die Distanz soll die Fahrer strapazieren, aber die Geschwindigkeit ist nicht so wichtig. Statt digitaler Chips für eine sekundengenaue Zeitnahme bekommt jeder Radfahrer eine Karte, die an mehreren Stationen abgestempelt wird. Als Zeugnis der Leistung und als Souvenir.
Die Stempel gibt es an einer der vielen Verpflegungsstationen, die bei historischen Radrennen eher an ein überdurchschnittliches Buffet erinnern. Anhalten, vom Rad steigen und in aller Ruhe die noch nicht allzu leeren Energiespeicher wieder auffüllen, ist fester Bestandteil jedes Vintage-Rennens.
Statt Wasser, Bananen und Gels gibt es deftige Wurstbrötchen mit geschmorten Zwiebeln. Wie wichtig reichhaltige Genüsse bei so viel körperlicher Ertüchtigung sind, verschweigen die Veranstalter nicht. Ganz im Gegenteil.