Vorbilder Das Problem mit den Idolen

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Vorbilder sind nützlich

Egal ob man von einem Idol, einem Ideal oder einem Musterbeispiel spricht – Vorbilder sind einerseits durchaus nützlich. Sie können uns zu körperlichen Rekorden inspirieren oder zu geistigen Leistungen motivieren. Sie helfen uns dabei, Pläne zu schmieden und Ziele zu verwirklichen. Mehr noch: Vorbilder können sogar unser Verhalten beeinflussen.

Das zeigte im Jahr 2010 auch eine Studie (.pdf) der US-Psychologin Michelle van Dellen. In einem Experiment stellte sie eine Reihe von Freiwilligen vor die Wahl, ob sie lieber einen leckeren Schokoladenkeks naschen oder frische Möhren essen wollten. Und siehe da: Wenn ein Vordermann zur Karotte griff, entschieden sie sich auch überwiegend für das Gemüse.

Und vielleicht war das Bedürfnis nach moralischen Instanzen nie so groß wie heute. Die Welt scheint sich immer schneller zu drehen, die Euro-Krise sorgt für Angst, die Energiewende für Unsicherheit. Da brauchen die Menschen Idole, gewissermaßen als Leuchttürme in stürmischer See. Im Jahr 2010 fand das Beratungsunternehmen Accenture in einer Umfrage heraus: 88 Prozent der Deutschen sind davon überzeugt, dass Vorbilder dringend gebraucht werden.

Und das Umfrageinstitut TNS Emnid wollte im Jahr 2010 von 1000 Deutschen wissen: „Wer verkörpert ein Deutschland, wie Sie es sich wünschen?“ Auf Platz eins landete TV-Moderator Günther Jauch mit 84 Prozent, gefolgt von Helmut Schmidt (83 Prozent) und Joachim Löw (82 Prozent).

von Peter Steinkirchner, Andreas Toller, Rebecca Eisert

Vielleicht sagen Idole immer auch eine Menge über eine Gesellschaft und ihre Bedürfnisse aus. Günther Jauch gilt vielen als netter Schwiegersohn von nebenan, Helmut Schmidt verkörpert altersmildes Weltwissen, der Bundestrainer verbindet taktisches Geschick mit sportlich-modischem Auftreten.

Doch andererseits wird dabei vergessen, dass Vorbilder immer auch eine Gefahr beinhalten. Die Gefahr der Enttäuschung. Immer wieder stolpern Sportler, Top-Manager oder Politiker über Affären. Der Radfahrer Lance Armstrong musste wegen Dopings alle seiner sieben Tour-de-France-Titel abgeben. Der einst gefeierte Politiker Karl-Theodor zu Guttenberg trat von seinem Amt zurück und zog wegen seiner Plagiatsaffäre in die USA. Dem früheren Playboy Gunter Sachs wird vorgeworfen, Teile seines Vermögens noch zu Lebzeiten in Steueroasen geparkt zu haben.

„Führungskräfte sind Vorbilder“, sagte einst der damalige Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel. Im Februar 2008 durchsuchte die Staatsanwaltschaft seine Villa wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Zumwinkel verlor nicht nur seinen Job, sondern wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und mehr als eine Million Euro Geldstrafe verurteilt.

Taugt das Vorbild überhaupt noch als gedanklicher Motivator? Ja – wenn man ein paar Dinge berücksichtigt.

Zum einen hilft der Fall des Uli Hoeneß, sich gedanklich zu vergewissern, dass ein Vorbild gefährlich sein kann. Dann nämlich, wenn wir eine Person zu stark idealisieren – und eine Enttäuschung riskieren.

Zum anderen kann es helfen, sich an ein altes Sprichwort zu erinnern, das dem französischen Regisseur François Truffaut zugeschrieben wird: „Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt.“ Vorbilder taugen vielleicht dazu, uns anzuspornen – aber wir sollten unser Wohlbefinden niemals von ihnen und ihren Taten abhängig machen.

Und nicht zuletzt kann man den tiefen Fall einst bewunderter Persönlichkeiten auch positiv sehen. Denn wer Enttäuschung empfindet, der hat sich offenbar buchstäblich getäuscht. Damit ist es nun vorbei.

Das kann zwar schmerzlich sein, aber letztlich sieht man damit klarer. Egal ob bei Managern – oder bei Kindheitsidolen.

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