Werner knallhart

Mit langen Haaren zum Friseur, mit Hepatitis wieder raus

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Der alltägliche Hygiene-Wahnsinn

Hier lauern die meisten Keime im Büro
Platz 10: KopiererDie Wissenschaftler haben über 5.000 Oberflächen in Bürogebäuden unter anderem von Versicherungen, Anwaltskanzleien und Callcentern auf ihren Bakteriengehalt untersucht und dabei ein Schmutz-Ranking erstellt. Auf Platz zehn landet der Kopierer, an dem täglich Dutzende Angestellte arbeiten.
Platz 9: KaffeetassenHinter den Kopierern folgt die Kaffeetasse, die gerne mal länger in offenen Schränken vor sich hin vegetiert. Im Durchschnitt berührt jeder Büroangestellte übrigens 300 Oberflächen in 30 Minuten und kommt dadurch am Tag mit 840.000 Keimen in Berührung.
Platz 8: TelefoneAuf Platz acht der schmutzigsten Büro-Oberflächen hat es das Telefon geschafft. Mehrmals täglich wird es von einem oder sogar mehreren Mitarbeitern in die Hand genommen und vor allem nah an den Mund gehalten. Da können sich die Bakterien leicht in die Schleimhäute einnisten. Quelle: dpa
Platz 7: ComputermäuseDen ganzen Tag fast halten wir sie in unseren schwitzigen Händen - die Computermaus. So bildet sich mit der Zeit eine immer dickere Dreckschicht. Viele Unternehmen weisen ihre Mitarbeiter mittlerweile daraufhin, den Schreibtisch inklusive Computermaus und Tastatur mit Desinfektionsmittel zu reinigen. Solche Ansagen vom Chef können die Krankheitsrate offenbar um 80 Prozent senken. Quelle: AP
Platz 6: Tasten an Kaffee- und SnackautomatenDie Wissenschaftler fanden heraus, dass 79 Prozent der Tasten von Kaffee- oder Snackautomaten verschmutzt sind. 21 Prozent waren sogar mit einer sehr hohen Bakterienzahl befallen. Am besten also immer die Hände waschen, bevor der Schokoriegel aus dem Automaten verputzt wird. Quelle: AP
Platz 5: Tasten und Griffe an WasserspendernViele Mitarbeiter freuen sich, wenn der Arbeitgeber ihnen kostenlos Wasser bereitstellt. Aber Achtung: Viele Griffe und Tasten an Wasserspendern sind voll von Keimen und Schädlingen. Quelle: AP
Platz 4: KühlschränkeAusgelaufene Säfte, abgelaufener Joghurt und keiner fühlt sich verantwortlich - der Kühlschrank im Pausenraum ist ein richtiges Nest für Keime. Angestellte sollten ihr Pausenbrot also gut einhüllen, wenn sie es für einige Zeit kalt legen wollen. Gleiche Schmutz-Gefahr gilt übrigens auch für die Kühlschrank-Griffe. Quelle: dpa

„Ach, wenn wir es so übertreiben würden, dann kämen wir vor lauter Hände desinfizieren gar nicht mehr zum Arbeiten.“ Eindeutiger Schwachsinn! Das bestätigt Ihnen jeder Arzt, der halbwegs bei Trost ist. Aber nach meiner Erfahrung ist solche eine Schlamperei Gang und Gäbe. Nicht nur in dieser Praxis. Und weist man darauf hin, wird amüsiert abgewunken. Anderes Beispiel, andere Branche: Da nimmt eine Kölner Optikerin einem Kunden seine gebrauchten Kontaktlinsen ab, um sie im Tretmülleimer zu entsorgen. Weil das Fußpedal aber ausgeleiert ist, öffnet sie den Eimer mit der Hand. So wie sie es wohl schon etliche Male getan hat, nachdem sie anderen Kunden im Auge herumgefummelt hatte. Dann kommt sie zurück und will dem Kunden die neuen Kontaktlinsen einsetzen, ohne sich vorher die Hände zu waschen. Auf den Hinweis des Kunden, dass das ja wohl bedenklich sei, reagiert sie genervt: „Sonst stört das keinen.“

Problem-Keime in Krankenhäusern

Der alltägliche Hygiene-Wahnsinn. Und wir lassen uns das viel zu oft bieten oder achten erst gar nicht drauf. Aber wenn eine Bäckerei mal ein Haar ins Brötchen eingebacken hat, von dem nun wirklich keinerlei Gefahr ausgeht, dann wird dieser vermeintliche Drecksladen nie wieder betreten. Und ist beim Joghurt das Mindesthaltbarkeitsdatum um zwei, drei Tage abgelaufen, schmeißen wir ihn aus hygienischen Gründen weg. Weil das ja sonst eklig ist. Dann kaufen wir neuen im Supermarkt. Dabei berühren wir dann den Griff vom Einkaufswagen, den vorher tausende von Kunden angefasst haben. Dann greifen wir nach dem unverpackten Obst, das wir später vor dem Essen für zwei Sekunden symbolisch unter kaltes Leitungswasser halten. Haben Sie schon einmal gesehen, wie ein Mitarbeiter mit scharfem Reinigungsmittel die Griffe der Einkaufswagen reinigt? Ich in meinem ganzen Leben noch nie! In schwedischen Supermärkten werden die Einkaufswagen übrigens mitunter automatisch desinfiziert. Wie effektiv das ist, kann ich allerdings nicht sagen. Es ist wieder mal nur ein Sprühnebel.

Grundsätzlich gilt: Die meisten Atemwegsinfektionen werden nicht durch die Luft, sondern durch Schmierinfektion von Gegenständen über die Hände oder direkt von Hand zu Hand übertragen. Da beneide ich Kulturen, in denen man sich im Arbeitsleben zur Begrüßung freundlich voreinander verbeugt. Auch wenn das je nach hierarchischem Rang ganz schön auf die Bandscheiben gehen kann. Aber hygienischer ist es. Solange man nicht anfängt, die Füße zu küssen.

Demjenigen, dem es gelingt, uns Deutschen flächendeckend durch alle Branchen beizubringen, dass Hygiene keine Schande ist, dem küsse ich die Füße trotzdem.

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