Werner knallhart

Europapark: Wie der weltbeste Freizeitpark uns ködert

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Die Grenzen der Perfektion

Das, was aber selbst achterbahnferne Senioren die Tränen des Glücks in die Augen treibt, ist die Liebe der Macher zum Detail. Im Wartebereich zu all den Fahrten ist förmlich jede einzelne Kachel handverziert, lodern Fackeln mit echtem Feuer, erzählen Fantasie-Figuren die Geschichten, die einem die Wartezeit verkürzen. Selbst im Ausstiegsbereich der Attraktionen, wo alle adrenalin-besoffen rausrennen, sind die Flure sorgsam dekoriert. Immer passend zum jeweiligen Land. Ich habe einem Freund in Athen mal ein Foto aus dem griechischen Themenbereich geschickt mit seinen weiß getünchten Häusern und Windmühlen. Und er schrieb ernsthaft zurück: „Mykonos? Wieso hast du mir das nicht vorher gesagt?“

Selbst in den Toiletten fühlt man sich, als pinkele man im Urlaub.

Die neueste Attraktion 2017 ist ein Flugsimulator, das Voletarium. Der beginnt mit einem Sturzflug aus dem Weltall durch die abwechslungsreichen Landschaften von - na, wer kommt drauf? - Europa. Geht der Flug durch die Wolkendecke, weht einem unhörbar ein kalter Dunst um die Nase, fliegt man über Parkanlagen riecht es nach Blumen.

Der Europark ist immer ein bisschen akkurater und sauberer als nötig. Er bietet immer ein bisschen mehr, als man für sein Geld erwartet. Der Europapark ist auch eine Parklandschaft wie auf einer Landesgartenschau, eine entspannende Phantasiewelt mit Musik, Tanzshows, Biergärten und Flußufer-Idylle. Das langweilt die Kleinen, aber fasziniert die Großen. So kriegen die Macks alle Generationen.

Problemfall Floßfahrt

Aber wie bei allem, was eigentlich wunderbar ist, gibt es noch Platz für Gemecker. Der Europark hat den Bruch vom US-Imitat zum selbstbewussten Trendsetter nicht an allen Stellen galant überwunden. Vielleicht ist es ja traurige Art authentisch europäisch, aber zumindest nicht sehr nett, wie der Park die alte Abenteuer-Floßfahrt inszeniert. Auch wenn die Fahrt nicht „Unsere schöne Kolonialzeit“ heißt: In einem Park zu Europa kann eine Floßfahrt durch das Afrika der Buschmänner ja nur eines sein: Eine Reise in die Kolonien. Ein Pavillon in der Nähe zur Floßfahrt heißt denn auch Colonial House.

So greifen die Parkplaner einen düsteren Abschnitt europäischer Geschichte auf. Allerdings scheint es, als wäre es ihnen nicht bewusst.

So stehen bei der Floßfahrt halbnackte Schwarze in herrischer Pose auf einem Felsen, klettern Afrikaner Bäume auf und ab, wie in der Piraten-Bahn einige hundert Meter weiter ein Orang-Utan. Und in einer Strohhütte steht ein Medizinmann in Angst einflößender Kutte, hält einen menschlichen Totenschädel in der Hand und murmelt vor sich hin. Ist so unser südlicher Nachbarkontinent?

Wer will denn schon nach Entenhausen?

Aber die Darstellung der einst von Europa unterdrückten Menschen wirkt zumindest reichlich unbedarft. Im Bestreben, die perfekte heile Welt zu inszenieren, wird die unrühmliche Kolonial-Geschichte mit der Bezeichnung „Abenteuer“ verwedelt.

Der Europapark schreibt auf Anfrage dazu:

„Der Europa-Park möchte seinen Gästen eine möglichst realitätsgetreue Darstellung der einzelnen Themenbereiche vermitteln. Dabei wird bewusst mit Klischees gearbeitet, die sicherlich teilweise auch überspitzt dargestellt werden. Einzelne ältere Attraktionen werden Schritt für Schritt einer Überarbeitung unterzogen. Diese Planungen sind auch für die Attraktion „Floßfahrt“ im Abenteuerland angedacht.“

„Angedacht“.

Besucht ein Franzose das französische Dort, wird er sagen: So schön ist Frankreich also aus Sicht der Deutschen. Jede europäische Nation kommt auf charmante Weise gut weg in der perfekten Welt vom Europapark. Aber was würden wohl Menschen aus dem Kongo, Südafrika oder Äthiopien sagen, wenn sie sehen würden, wie die Europäer von Rust aus auf Afrika schauen? Auf böse drein blickende schwarze Stammeshäuptlinge in Lendenschurzen, die wilde Raubtiere unter ihre Kontrolle gebracht haben.

Da haben es andere Parks leichter, die nicht echte Nationen imitieren, sondern ganz unverfänglich reine Phantasiewelten präsentieren. Der Europapark mit seinen Drang nach Perfektion wird aber sicher in der Lage sein, schnell eine freundliche Lösung für seine Medizinmann-Grusel-Folklore zu finden. Wäre gut. Wer will denn schon nach Entenhausen?

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