Werner knallhart

Was kommt jetzt nach McDonald's?

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Europa hat sich emanzipiert

Gehen Sie mal ins "Zeit für Brot" in der Alten Schönhauser Straße in Berlin-Mitte. Wenn Touristen dort eine Latte Macchiato mit fettarmer Milch bestellen, bekommen sie als Berliner Antwort: "Fettarm hamwa nicht, weil das schmeckt nicht. Wenn, dann richtig."

Europa hat sich emanzipiert. Und Starbucks guckt blöd. Und McDonald's und BurgerKing auch. Denn mit einem haben sie nicht gerechnet: Dass sich Europa den Hamburger zurückholt. Einer überzeugenden Theorie nach heißt der Hamburger ja, wie er heißt, weil er vom Hamburger "Rundstück warm" abstammt: dem restlichen Sonntagsbraten am Montag auf Brot. Und jetzt schmecken die Hamburger in europäischen Restaurants einfach viel, viel besser. Mit den Fingern zu essen war mal in den 80ern Avantgarde. Heute essen wir unseren Hamburger mit Messer und Gabel. Mit Schweizer Emmentaler, deutschem Blauschimmelkäse, Preiselbeeren aus Schweden, französischer Trüffelbutter, frischen Sprossen, roter Beete, spanischer Aioli, Oliventapenade, getrockneten Tomaten, Lammfrikadellen mit Apfel-Minz-Chutney.

Aber wir müssen aufpassen. Weil wir Europäer uns für kulinarisch kompetenter halten, treiben wir es im Übermut gerne auf die Spitze. Leider auch preislich. In Deutschland macht man sich da als Gastronom schnell lächerlich. Essen darf bei uns auch gerne billig sein. Aber in Skandinavien scheint ein gesalzner Preis per se Ausdruck von Qualität zu sein. Im Stockholmer "WienerCafeét" kostet ein Cheeseburger mit "kleinen französischen Gurken" und Pommes rund 20 Euro. Die Kellner führen sich zwar auf wie im VIP-Bereich einer Dorfdisko, aber es ist und bleibt eben ein Innenstadt-Café mit Hamburgern und Sandwiches auf der Karte. Zu teuer. Ein Krabben-Sandwich von der Größe einer Scheibe Pumpernickel (mit Majo, Zitrone, Dill und Salatblatt) am Flughafen Stockholm-Arlanda knapp 30 Euro.

Es werden Kalorien gezählt

Aber als halber Schwede weiß ich: Stockholm taugt gut als Glaskugel. Denn viele Trends werden dort direkt aus London und Berlin gleichzeitig übernommen. Und wenn etwas modern ist, dann machen es dort praktisch alle unter 50 Jahren mit. Hochwasserhosen mit langen Socken bei Männern diese Saison etwa. Trends sieht man sofort. Und es bahnt sich an:

1.     Fastfood wird wie gesagt richtig edel und teuer.

2.     Es werden Kalorien gezählt.

So will McDonald´s aus der Krise

In einem Schickimicki-Einkaufszentrum in Stockholm heißen Einrichtungsläden "Posh Living", der Info-Schalter ("Wo sind die Klos bitte?" - "Da hinten") heißt wirklich und wahrhaftig Concierge. Und in der "Champagne Bar" werden heiße Getränke auf der Karte "Boissons chaudes" und Biere "les bieres" genannt. In einer Shopping-Mall. Über so etwas aufgesetzt Upperclassiges würde sich die Stadtpresse in Berlin höhnisch das Maul zerreißen. Aber da, meine Damen und Herren, gibt es eine Fastfood-Bar namens Ichaicha. Das Prinzip: Man isst Kalorien.

Man wählt die Basis von der Karte über dem Tresen:

Nudeln (420 kcal)

LowCarb Zucchini(50 kcal)

Reis (200 kcal)

Dann wählt man das "Protein":

Huhn (114 kcal)

Lachsfilet (250 kcal)

Schwein (353 kcal)

Rind (174 kcal)

Und die Soße:

Teriyaki (98 kcal)

Spicy Sour (100 kcal)

Red Curry (205 kcal)

Kein Wort von Bio oder regional. Vegetarisch gibt es nur auf Nachfrage. Aber wer schlau kombiniert, kommt auf gerade mal 262 Kalorien pro Mahlzeit. Weniger als in 100 Gramm Rosinen. Das ist nichts. Und das für rund 11 Euro. Das sind 24 Kalorien pro Euro. Das ist Wucher. Ein Big Mac kostet rund drei Euro und liefert laut McDonald's 509 Kalorien. 170 Kalorien pro Euro.

Wenn 24 Kalorien pro Euro die Zukunft ist, dann müssen wir versuchen, sie irgendwie durch Eingriff in den Zeitstrahl in der fünften Generation zu beeinflussen. Wir brauchen irgendwie die europäische Lösung: Stockholmer Visionen zu Berliner Preisen. Sonst kommen wieder die Amerikaner, nennen alles Italienisch, klatschen Soße drauf, und wir müssen mitziehen. Und das werden wir dann wieder 15 Jahre nicht los. 

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