Manche sagen ja, Grillen hat was von Neandertaler. Rohes Tier auf Feuer, uga-uga. Aber davon abgesehen ist die gesamte Grill-Prozedur sowas von 21. Jahrhundert.
Angeblich besinnt sich der Mensch beim Grillen auf seine Wurzeln als Jäger und Sammler. Was für ein Irrtum.
Okay, wer mitten im Wald mit selbst gesammeltem Reisig ein Feuerchen macht, den hat es zurück in die Natur gezogen. Aber wer seinen schicken Kugelgrill auf die überdachte Terrasse stellt und mit dem Fön anheizt, der ist ebenso naturverbunden wie der Nachbar, der in seiner Auffahrt das Auto aussaugt.
In der Provinz ist ein Grillabend die willkommene Gelegenheit, die LED-Beleuchtung für den neuen Weg zum Garten-Trampolin oder zum Schwimmteich vorzuführen. Und wer Platz hat, prahlt mit einem Bierkühlschrank direkt auf der Terrasse, ausgeliehen vom Fußballvereinsheim.
In der Großstadt feiert man stattdessen den Schritt auf den Balkon. Da darf das Cocktailkleid am Ende des Abends ruhig nach Lagerfeuer riechen. Ist doch Frühling. Das Gegrillte ist dort eh Nebensache.
Prestige bringen die selbst gemachte Mayonnaise mit Trüffel, der Salat mit rohem Spargel an Dattelvinaigrette, die geräucherten Wachteleier und das Sesam-Honig-Sahneeis aus der eigenen Maschine. Und was schon einmal beim "Perfekten Dinner" auf Vox lief, ist nicht mehr balkonfähig. Mein Haus, mein Auto, meine Soße. Das Fleisch läuft so selbstverständlich nebenher wie das Baguette.
Irrtum 2: Grillen ist auch was für Vegetarier
Wer kein Fleisch mag, der kann ja auf Fisch ausweichen. Aber vegetarisches Grillen ist Quatsch. Ich sage das als Betroffener. Und das gilt für Grillpartys auf dem Land ebenso wie in der Großstadt.
Wissenswertes rund um den Grill
1952 George Stephens ärgerte sich über seinen gemauerten Ziegelsteingrill. Weil er keinen Deckel hatte, war er bei schlechtem Wetter nicht zu benutzen. Außerdem wurde die Hitze ungleichmäßig verteilt und Steaks und Maiskolben waren entweder verkohlt oder noch roh. Stephens war Schweißer bei der Bojenfirma Weber Brothers Metal Works in Chicago. Er teilte schließlich eine Boje in zwei Hälften, versah den unteren Teil mit drei Beinen und verwendete den oberen als Deckel. Der Prototyp des Kugelgrills war geboren.
Kein Bier über das Grillgut schütten. Dadurch sinkt die Temperatur, der Garprozess wird gestört, das Grillgut wird durch aufgewirbelte Asche beschmutzt.
Grill nicht zu voll packen. Am besten eine Zone freilassen - darunter sollte auch keine Kohle liegen - damit man bereits fast gare Stücke zur Seite legen kann und indirekt fertig grillen kann.
Fleisch und Burger nicht hektisch hin- und herwenden. Dadurch bleibt unnötig viel knusprige Kruste am Grill kleben. Mit Geduld kommt man weiter - siehe Interview mit Grill-Guru Jamie Purviance - Autor von Weber's Grillbibel.
Ebbo Christ, Vizepräsident der German Barbecue Association, die jährlich die Grillweltmeisterschaften ausrichtet, rät: "Ab 100 Euro bekommt man einen passablen Holzkohlegrill, einen guten für 300 bis 500 Euro. Gasgeräte sind grundsätzlich teurer, ab etwa 170 Euro kann man mit ordentlicher Qualität rechnen."
Nein. Blindverkostungen haben gezeigt, dass die Probanden nicht unterscheiden konnten, ob das Fleisch von einem Elektro-, Gas-, oder Holzkohlegrill stammte.
Wer als Vegetarier auf eine Grillparty auf dem Land eingeladen ist, der kann sich darauf einstellen, den ganzen Abend Kartoffelsalat und Brot zu mampfen. Vegetarier gelten in der Provinz nämlich noch als selber schuld.
In der Stadt hingegen ist es schick, kein Fleisch mehr zu essen. Stattdessen wird auf den Grill geknallt, was nicht auf den Grill gehört. Kartoffeln werden in Alufolie um die Kohlen herum drapiert, damit man sie nach rund 45 Minuten, halbseitig verbrannt, halbseitig roh, mit Cocktailsoße totschlagen und runterwürgen kann. So etwas würde man im Winter niemals tun.
Das gleiche gilt für Tomaten, die auf einem Alu-Teller gar gekocht werden. Denn direkt auf dem Rost, wo sie Grill-Aroma bekämen, platzen sie auf und laufen aus.
Paprika hingegen wird auf dem Rost knatschig und trocken. Wie oft habe ich mir schon gewünscht, das Grillgemüse einfach mit Rosmarin, Thymian und Olivenöl in die Pfanne werfen zu dürfen. Aber es war ja leider Grill-Abend.
Und dann der Halloumi-Käse. Zugegeben: Der hat einen Vorteil. Er schmeckt nach nix. So kann man ihn sowohl mit Kräutern der Provence essen als auch mit Nutella. Halloumi schmeckt wie das Gewürz an ihm. Und sein Fett (rund 26 Prozent) pimpt als Geschmacksträger auf der Zunge alles auf. Ich persönlich trinke lieber ein Tässchen flüssige Butter. Die quietscht nicht so zwischen den Zähnen.
Grillen ist Männersache?
Irrtum 3: Grillen ist Männersache
Frauen gehören bekanntlich an den Herd. Ach, diese These würden Sie so nicht mittragen - zumindest nicht öffentlich? Warum ist Grillen dann aber Männersache?
Diese Behauptung ergibt nur Sinn, wenn man eben doch noch in der alten Welt lebt, in der Kochen Frauensache ist. Denn nur dann macht der Triumph Freude, wenigstens das Segment "Grillen" an den Mann abzudrücken. Damit er sich zumindest vier, fünf mal im Jahr ums Essen kümmert.
Aber es muss schon zischen, spritzen und rauchen. Darunter macht er es nicht. Dann werden büroblasse Manager zu Hulks mit Grillgabel in übergroßen Polo-Hemden. Da werden versenkte Härchen an den Fingern vorgezeigt wie Narben im Bein nach einem Hai-Angriff. Da wird jede Spiritus-Stichflamme gefeiert wie ein Silvesterfeuerwerk. Und jedes Nürnberger Würstchen, das durch den Rost plumpst, wird verflucht wie ein Schwertfisch, der sich beim Hochseefischen vom Angeldraht schüttelt.
Und die anderen schmalschultrigen Kollegen stehen mit der Bierflasche an die Hüfte gedrückt drum herum, grinsen und geben gute Tipps: "Hier, Dings, du musst den Grillanzünder-Klotz erst ausbrennen lassen, bis das Weiße ganz weg ist, sonst schmeckt das Steak gleich nach Benzin". Oder: "Habe ich doch gesagt, dass der Pfannenwender aus Plastik nicht feuerfest ist."
Ihr Frauen, werden Männer dadurch wirklich attraktiver? Bürohengst mit Raucharoma? Und ihr steht derweil gelangweilt am fertig gedeckten Tisch auf der Terrasse, pult mit einer Gabel die eingetrocknet verklebten Gewinde der Schaschliksoßen-Flasche vom vergangenen Sommer sauber und ruft rüber: "Für mich nicht so superknusprig, ne? Das gibt Krebs."
Ja, ihr Frauen, geht doch mal hin und grillt selber mal und habt Spaß wie kleine Mädchen.
Ich kannte eine Frau, die hat mal gegrillt, und war trotzdem sexuell begehrt - selbst noch bei den Männern, die ihr dabei zugesehen haben.
Kein Spaß für zwischendurch
Irrtum 4: der Elektrogrill ist gut für den Grillspaß zwischendurch
Eigentlich hätte die EU die Bezeichnung "elektrischer Grill" längst verbieten müssen. Denn mit diesen Dingern kann man alles - außer Grillen. Ich würde die Geräte eher als elektrische Lebensmittel-Trockner bezeichnen.
Es ist faszinierend: Würstchen verdorren von innen, ohne außen knusprig zu werden. Sie verschrumpeln regelrecht. Lachs wird auf unappetitliche Weise grau und hart, so als stürbe der Fisch zum zweiten Mal. Pute wellt sich blass nach oben, als wolle das Tier einfach nur weg hier. Und wird das Grillgut doch mal braun, ist es längst furztrocken.
Dazu diese grillambientewidrige Prozedur, vor dem Einschalten Wasser in die Grillwanne zu füllen, damit der Grill durch abtropfendes Fett nicht so schmutzig wird. Ach Gottchen. Elektro-Grill-Nutzer wickeln Teller und Besteck wahrscheinlich auch in Frischhaltefolie, damit sie nach dem Essen nicht spülen müssen.
Fazit: Elektro-Grills machen frische Lebensmittel im Handumdrehen ungenießbar. Und gesünder als der Holzkohlengrill ist er auch nicht. Verbranntes Fett ist ungesund. Ob es auf Kohle oder einen Glühstab tropft, ist egal.
Irrtum 5: Bier macht das Fleisch besonders schmackhaft
Hier gilt folgende Faustformel: Falsch!
Wer hat diesen Blödsinn in die Welt gesetzt? Das Bier kühlt das Fleisch ab, spült Gewürze runter, läuft in die Kohle und sorgt dafür, dass krebserzeugende Asche nach oben an die Koteletts geschleudert wird. Und wie soll das Fleisch in einer Sekunde Biergeschmack annehmen, wenn selbst würzige Marinaden Stunden brauchen, um einzuziehen? Zumal beim Fleisch auf dem Grill die "Poren" schon geschlossen sind. Professionelle Köche trinken ihr Bier lieber und lachen Bierduscher heimlich aus. Ich sag es ja nur.
Ach, endlich wieder Grill-Saison. Einfach herrlich!