Werner knallhart

Haribo-Psychogramm: Welcher Colorrado-Typ sind Sie?

Sternzeichen sind Quatsch. Aber stellen Sie mal eine Schale Haribo ins Büro und achten Sie darauf: Wer schnappt sich was? Danach kennen Sie Ihre Kollegen besser. Und wer isst bitte diese komischen Zucker-Knubbel?

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Eine Packung Haribo Colorrado. Quelle: PR

Es war auf dem Weg in den Schweden-Urlaub. Ich war ungefähr sieben Jahre alt damals. Meine Eltern hatten wie immer vorgesorgt, um uns zwei Kinder bei Laune zu halten. Mit zwei Tüten Haribo: Phantasia (die mit nur Weingummi) und Colorrado (die mit den undefinierbaren Lakritz-Dingern drin). Die Zeitintervalle zur Haribo-Ausgabe waren streng festlegt, konnten aber durch beharrliches Quengeln verkürzt werden: "Wann sind wir denn endlich da?"

Schon raschelte die Bonbon-Tüte wohlig im Beifahrerfußraum. Kurz darauf kam der gute Zuckerrausch.

Doch einmal entglitt meiner Mutter die Situation. Und das kam so:

Am 12. April ist der deutsche Lakritztag. In einem zerrissenen Land: Die Lakritz-Grenze verläuft direkt durch Deutschland. Wie soll das enden?
von Marcus Werner

Sie hatte uns die Phantasia-Tüte nach hinten gereicht und meine Schwester und ich wühlten eilig darin herum. Und wie wir so wühlten, durchzog mich plötzlich der Blitz der Begeisterung. Ich hielt in klebrigen Händen: einen grünen Elefanten! Was? So musste sich damals Kolumbus gefühlt haben. Noch nie hatte ich einen Elefanten aus Weingummi gesehen. Und jetzt hielt ich persönlich einen in Händen - von Haribo! In grün!

Mein Vater hätte unseren alten Citroën vor Schreck fast in den Graben gelenkt, als ich schrie: "GUCKT MAL HIER!" - mit dem grünen Elefanten in der zum Autohimmel gereckten Hand.

Mein Herz tanzte wild voller Stolz, als meine Mutter nach meiner Trophäe griff und sie beäugte. Und dann - dann warf sie sich meinen kleinen grünen Elefanten in den Schlund.

"NEEEEEEIN. WAS MACHST DU DENN DA?"

"War das nicht für mich?", mampfte sie.

"NATÜRLICH NICHT. DAS WAR EIN ELEFANT!"

Ich war außer mir. Noch stundenlang. Die Ferien begannen denkbar ungünstig.

Das kann passieren, wenn ungleich gestrickte Haribo-Typen aufeinander prallen. In diesem Fall der verspielte Nasch-Ästhet (ich) und der Hautpsache-süß-Typ (meine Mutter). Das passt einfach nicht.

Von Einstein bis Gottschalk - skurrile Fakten über Haribo
Erstes Fabrikgebäude war eine Waschküche1920 gründete der gelernte Bonbonkocher Hans Riegel Senior die Firma Haribo in einer Hinterhof-Waschküche in der Bergstraße in Bonn-Kessenich. Am 13. Dezember 1920 lässt er Haribo (als Akronym für Hans Riegel Bonn) ins Handelsregister der Stadt Bonn eintragen. 1921 heiratet Riegel, seine Frau Gertrud wird die erste Haribo-Mitarbeiterin. Quelle: Presse
Startkapital: Ein Sack Zucker und ein TopfDas Startkapital des Gründers Hans Riegel bestand übrigens aus einem Sack Zucker, einer Marmorplatte, einem Hocker, einem gemauerten Herd, einem Kupferkessel und einer Walze. Mit diesen Mitteln schuf er in besagter Bonner Waschküche ein mittlerweile weltweit bekanntes Unternehmen. Quelle: dapd
100 Millionen GummibärchenMittlerweile produziert das Familienunternehmen pro Tag 100 Millionen seiner Goldbären. Würde man die einzelnen Bären aus der Produktion eines Jahres nebeneinander stellen, hätte man eine Goldbärenkette von 160.306 Kilometer Länge. Mit der einer Jahresproduktion an Gummibärchen könnte man also vier mal die Erde umrunden. Verkauft werden die Goldbären übrigens weltweit, beispielsweise als "Gold-Bears", "Ositos de Oro" oder "Zlote Misie". Quelle: dpa/dpaweb
Fast 470.000 Kilometer LakritzWürde man übrigens die gesamte Jahresproduktion an Lakritzschnecken von Haribo aufrollen und aneinander reihen, hätte man einen Lakritzstrang von 468.000 Kilometer Länge. Damit ließe sich die Distanz zwischen der Erde und dem Mond überbrücken. Quelle: dpa/dpaweb
SloganSeit den 1930er Jahren wirbt Haribo damit, Kinder froh zu machen. Mitte der 60er ergänzte Unternehmensgründer Hans Riegel die Werbebotschaft um den Zusatz "und Erwachsene ebenso". Mit Erfolg: Laut Angaben des Unternehmens kennen 98 Prozent der Deutschen den Werbeslogan und verbinden das Unternehmen aus Bonn auch damit. Quelle: Presse
WerbepartnerschaftEbenfalls ein cleverer Schachzug des Unternehmens war die Verpflichtung des Moderators und Showmasters Thomas Gottschalk als Werbegesicht. Ab 1991 macht Gottschalk Reklame für Goldbären, Colorado und Lakritz, das ist die längste Werbepartnerschaft der Welt. Sie bescherte sowohl Gottschalk als auch Haribo neben den entsprechenden Einnahmen auch einen Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. 2014 kündigten Gottschalk und Haribo das Ende der Zusammenarbeit an. Quelle: obs
Berühmte FansDoch auch schon bevor Gottschalk begann, für Haribo zu werben, konnte die Marke viele Fans gewinnen. Kaiser Wilhelm II. beispielsweise schrieb aus seinem Exil in Doorn, dass die Gummibärchen aus Bonn das Beste seien, was die Weimarer Republik hervorgebracht habe. Auch Albert Einstein, Erich Kästner, Heinz Rühmann, Konrad Adenauer und Hans-Dietrich Genscher hatten immer Goldbären bei sich. Und auch in Übersee erfreuen sich Goldbären großer Beliebtheit. So sagte die US-Schauspielerin Reese Witherspoon, deren Vater sechs Jahre Militärarzt in Wiesbaden war, in einem Interview, dass Deutschland "die tollsten Süßigkeiten" habe und dass Gummibären "doch die beste Erfindung" seien. Quelle: dpa

Und Sie so? Wie sieht es in Ihrem Umfeld aus? Machen Sie mal die Probe. Stellen Sie eine Schale mit Colorrado hin und lassen Sie die Geier kreisen. Ich behaupte: Sternzeichen sind Quatsch. Aber Colorrado sagt wirklich was über die Kollegen aus.

Eine kleine Haribo-Typologie:

Der Nasch-Ästhet

Solche Leute halten beim Griff in die Bonboniere gerne den ganzen Betrieb auf. Der Nasch-Ästhet weiß genau, welche Gummibärchen-Farbe für welchen Geschmack steht ("Grün war früher Erdbeer, heute ist es Apfel. Seit 2007 ist Erdbeere hellrot. Dunkelrot war immer schon Himbeer.") und sagt Sachen wie: "Beim Lakritz-Konfekt mag ich die Quader lieber als die Rollen. Da platzt die Ummantelung nicht so ruppig ab."

Er kauft Haribo schon deshalb, weil auf der Packung steht: "Limitierte Auflage. Jetzt mit blauen Vampiren". Denn er möchte es im Mund erleben.

Nasch-Ästheten sind oft Web-Designer, Maskenbildnerinnen kurz vor der Rente oder Berufstaucher.

Niemals Naschästheten: Gardinen-Verkäufer und Piloten der Lufthansa.

Die Konfekt-Männer

Männer, die Konfekt essen, sind mir sympathisch, denn sie sind sich ihrer Männlichkeit so sicher, dass sie im Kollegenkreis nicht vor Lakritz-Bonbons zurückschrecken, die pink sind und zart nach Erdbeer schmecken. Oft hört man von ihnen: "Pur krieg ich Lakritz nicht runter. Aber so geht's gerade noch."

Konfekt-Männer sind oft Polizisten im Innendienst, Soap-Darsteller oder Metzger.

Niemals Konfekt-Männer: Apotheker in Einkaufszentren und Piloten der Lufthansa.

Die Igitt-Frauen

"Igitt, du isst diese Gelee-Erdbeeren?" Igitt-Frauen haben mehr Spaß am Ekel über die Auswahl der anderen als am Genuss der eigenen. "Schoko und Lakritz in Kombi geht ja gar nicht. Und Kokos ist mir zu krisselig. Und diese Frösche mit dem weißen Bauch werden im Mund total glitschig. Näh danke!"

Igitt-Frauen verkaufen oft im Nespresso-Store, organisieren Straßenfest-Promotion-Touren für Feigenlikör oder leiten das Marketing in kleinen Privatradios.

Niemals Igitt-Frauen: Handball-Trainerinnen, Landwirtinnen und Piloten der Lufthansa.

Wieviel Zucker steckt in...

Die Hinleger

Hinleger stellen sich in ihrer Handfläche ein kleines Sortiment zusammen, das dann für den ganzen Tag reichen muss und das sie sich dann auf ein Blatt Papier neben den Monitor auf den Schreibtisch legen. Dabei überschlagen sie vorab genau, für wann was. Nach der Kantine ein Stück Lakritz, zum Kaffee um 16 Uhr zwei Konfekt mit Schokoladen-Geschmack, zum Feierabend ein Gummibärchen - aber kein oranges.

Typische Hinleger sind Redakteure, Standesbeamtinnen, Nachtwächter im Parkhaus und Jura-Studentinnen.

Niemals Hinleger: Karussell-Ansager auf der Kirmes, Feuerwehrmänner und Lufthansa-Piloten.

Die Hauptsache-süß-Typen

Sie greifen wahllos ohne hinzusehen in die Tüte und werfen sich gleich mehrere Bonbons aus der Faust in den Mund. Solche Leute löffeln zum Nachtisch auch Nutella aus dem Glas oder lutschen Zuckerwürfel. Bleiben von der Colorrado-Mischung am Ende diese fiesen Zucker-Knubbel in weiß, rosa, gelb oder beige übrig, die Haribo doch mit Sicherheit nur beimischt, damit die Tüte billig an Gewicht und Volumen gewinnt, dann sind diese Typen gleichgültige Abnehmer.

Hauptsache-süß-Typen haben keine Zeit, um großartig was zu schmecken. Lecker ist egal. Der Zucker muss ins Blut. Schnell satt und wieder anpacken.

Oft sind es Hochzeitsplanerinnen, TV-Aufnahmeleiter, Ingenieure bei Volkswagen und Piloten bei der Lufthansa.

Niemals Hauptsache-süß-Typen: Erzieher, Aquarienhändler und Floristinnen.

Colorrado ist ein soziales Phänomen. Keiner findet mehr als die Hälfte darin richtig lecker. Und am Ende des Tages im Großraumbüro ist alles weg. Sogar diese Zuckerknubbel.

Und ja: Colorrado schreibt sich mit Doppel-r.

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