Werner knallhart

Sollten wir den Valentinstag boykottieren?

Seite 2/2

In Saudi-Arabien ist der Valentinstag verboten

Oder Halloween: Als junger Redakteur war ich Anfang des Jahrtausends nicht unmaßgeblich daran beteiligt, den entgeisterten Zuschauern von Europas erfolgreichstem Kindersender Super RTL die Vorzüge eines total verrückten US-Feiertages für Kinder zu erläutern, an dem man gruselig verkleidet an Haustüren massenhaft Süßigkeiten erpresst. Heute habe ich Angst, dass mir so ein aufgedrehtes Jüngelchen mal wieder Zahncreme ans Klingelschild schmiert, nur weil ich an Halloween nicht devot mit Mars und Duplo parat stehe.

Anders herum sind wir Deutschen regelrecht Export-Weltmeister, was Bräuche angeht. Und ich rede nicht nur vom Oktoberfest. Ob in den USA, Chile, Sri Lanka oder Thailand: Nirgends gibt es den Dezember ohne den Weihnachtsbaum, einem Designartikel-Klassiker engineered in Germany. Obwohl zum Beispiel die meisten Thailänder als Buddhisten sicherlich weder wissen, woher der Weihnachtsbaum kommt, noch, was an Weihnachten eigentlich genau gefeiert wird. Dort ist die Weihnachtszeit im Wesentlichen eben die Zeit der Zimt-Cappuccinos unter roten Girlanden bei Starbucks mit Plastiktanne. Man macht mit, was Spaß macht. Inspiriert von Starbucks und Co. Weil es einfach mal was anderes ist.

Ist das peinlich? Nein, es ist höchstens unbekümmert konsumfreudig. Aber passt unbekümmert konsumfreudig wiederum zum Valentinstag als dem romantischen Tag der Liebenden? Nein, finde ich. Aber vielleicht bin ich einfach nicht unbekümmert genug. Romantik nach Terminlage ist für mich ein unüberwindbarer Widerspruch in sich.

Da wirft man dann noch eben eine Schachtel Schokolade in den Einkaufswagen, die das ganze Jahr im Supermarkt zu haben ist, aber in diesen Tagen irgendwo quer ein Herz auf dem Deckel kleben hat, oder wahlweise Weingummi, Badeperlen und Bier in ähnlicher Herzchen-Saisonverpackung. Naja.

Und trotzdem nehme ich hin, dass der Valentinstag gefeiert wird. Denn: Was soll denn sonst noch kommen? Kirchliche Feiertage verlieren an Bedeutung, muslimische Feiertage werden sich wohl so schnell nicht ins Herz der großen Mehrheit hierzulande schmeicheln. Wer sein Alltags-Leben ein bisschen mehr aufpeppen will, nimmt Valentin und Halloween mit Kusshand, vielleicht kriegen die Bierbrauer ja auch noch den St. Patrick's Day durch, der Lebensmittelhandel Erntedank als Schlemmer-Sause, die Fischindustrie und die Spirituosenhändler den Midsommar Mitte Juni. Wenn es den Leuten Spaß macht...

Verliebt, verlobt, versteuert
Wer den diesjährigen Valentinstag zu einem Heiratsantrag nutzen möchte, sollte wissen, dass schon mit dem Heiratsversprechen – also der Verlobung – wichtige Rechtsfolgen eintreten. Ein so genanntes Verlöbnis ist ein Vertrag, in dem die Verlobten sich verpflichten, später eine gemeinsame Ehe einzugehen. Diese gegenseitige Verpflichtung ist allerdings nicht einklagbar, erklärt der Bund der Steuerzahler (BdSt) beantwortet die wichtigsten Fragen. Um einen Vertrag wirksam schließen zu können, müssen die Verlobungswilligen geschäftsfähig sein. Wer etwa stark betrunken ist, also unter einer „vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit“ leidet, kann sich nicht wirksam verloben. Quelle: dpa
Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen schaut das Finanzamt oft ganz genau hin. Zu den nahen Angehörigen gehören neben Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern auch Verlobte. Damit die geschlossenen Verträge vom Finanzamt anerkannt werden, müssen sie wirksam geschlossen und denen unter Fremden geschlossenen Verträgen entsprechen. Das heißt: Die Vereinbarungen müssen dem entsprechen, was üblicherweise auch mit einem anderen Vertragspartner vereinbart wird. Verlobte sollten also vorsichtig sein, wenn sie mit dem Partner ein Arbeitsverhältnis eingehen, einen Mietvertrag aufsetzen oder ihm ein Darlehen gewähren. Quelle: dpa
In der Regel gelten Verlobungsgeschenke als Schenkung mit aufschiebender Bedingung. Somit wird die Schenkung erst wirksam, wenn die Ehe geschlossen wird. Folglich greift bei großzügigen Verlobungsgeschenken die Steuerpflicht erst nach der Eheschließung, und Verlobungsgeschenke mit einem Wert von bis zu 500.000 Euro bleiben steuerfrei. Quelle: AP
Sollten es sich die beiden Partner anders überlegen und ihre Verlobung auflösen, gilt dieser Freibetrag aber nicht. In diesem Fall gilt lediglich ein Freibetrag von 20.000 Euro. Vorweg ausgehändigte Geschenke müssen dann entweder zurückgegeben oder die Schenkung versteuert werden. Der über den Freibetrag hinausgehende steuerpflichtige Erwerb wird mit einem Mindeststeuersatz von 30 Prozent bemessen. Bei kostspieligen Geschenken sollten Verlobte an die geltenden Freibeträge im Schenkungsteuerrecht denken, um Steuernachzahlungen zu vermeiden, empfiehlt der Bund der Steuerzahler. Quelle: dpa
Vor dem Gesetz gelten Verlobte als Angehörige und haben im Steuerrecht ein Auskunfts- und Eidesverweigerungsrecht. Daher ist es möglich, im Besteuerungs- und Ermittlungsverfahren sowie bei Betriebsprüfungen, die den Partner betreffen, die Aussage zu verweigern. Quelle: dpa-dpaweb
Für Eheleute und eingetragene Lebenspartner gelten im Steuerrecht bestimmte Sonderregelungen. Begründet ist diese Sonderstellung darin, dass die Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft eine gleichberechtigte Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft sind, in der die Partner gemeinsam zum Haushaltseinkommen beitragen. Quelle: dpa
In Deutschland haben Ehepaare die Wahl, ob sie ihr Einkommen individuell oder gemeinsam versteuern. Erzielen die Eheleute unterschiedlich hohe zu versteuernde Einkommen, ist in der Regel die Zusammenveranlagung mit dem Splitting-Verfahren die für sie beste Variante. Das Splitting trägt der Tatsache Rechnung, dass verheiratete Paare über das gleiche Haushaltseinkommen verfügen und damit auch gleich viel Einkommensteuer zahlen – unabhängig davon, wie viel jeder Partner zum Einkommen beiträgt. Entscheiden sich die Partner dafür, zusammen veranlagt zu werden, kann das Finanzamt dann auch beide in die Pflicht nehmen, die Einkommensteuer zu zahlen. Quelle: dpa

Und wer denkt: Was soll denn dieser unchristliche Konsumterror, der sehe es doch mal so: In Saudi-Arabien ist der Valentinstag verboten. Obwohl auch viele Menschen im arabischen Raum den Valentinstag mögen.

Bei uns darf jeder so, wie er will. Der Valentinstag ist also nicht nur ein Romantik-auf-Knopfdruck-Tag, der der Industrie Geld in die Kassen spült. Er ist ein herzrotes Symbol für eine offene Gesellschaft, in der Leute gut bei anderen tolerieren können, was sie für sich selber ablehnen. So gesehen mag ich den Valentinstag. Und nehme mir feierlich die Freiheit, ihn zu ignorieren.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%