Werner knallhart

Job-Kleidung im Sommer: Weg mit dem alten Dresscode!

Wir sehnen uns nach Ehrlichkeit und Authentizität. Aber im Job wählen wir die Maskerade. Der geltende Business-Dresscode ist hinterhältig, männerfeindlich und fängt im Sommer an zu riechen. Wir brauchen einen neuen.

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Wenn Sie dieser Tage von Berlin nach Köln reisen (beide Städte gerade bis zu 35 Grad), was ist da die Garderobe Ihrer Wahl? Meine ist: Jacke und leichter Schal. Denn ich reise mit der Bahn.

Und es ist ja ein Gerücht, dass beim ICE die Klimaanlagen nicht stark genug sind. Wenn man die auf volle Pulle stellt, dann kühlen die den Zug bei Gluthitze draußen auf gefühlte 14 Grad runter.

Lange habe ich mich gefragt, warum die bei der Bahn uns das antun. Mittlerweile habe ich eine Vermutung nahe der Gewissheit: Es geht mal wieder gar nicht um uns Kunden. Die Dienstkleidung der Zugbegleiter und des Bordrestaurant-Personals besteht zum Gutteil aus Polyester. Und das sollen wir nicht riechen. So muss es sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.

So kleiden Sie sich richtig

Denn erst wenn es richtig saukalt ist im Zug, erst dann ist es doch wohl mit deutschem Arbeitsschutz zu vereinbaren, im Sommer Hemd, Weste und Sakko übereinander zu tragen: die legendäre, mitunter sehr voluminös auftragende DB-Uniform im Deutsche-Bundesbahn-Retro-Bundfaltenlook, noch mit den guten alten Nadelstreifen auf der Weste. Jetzt im Hochsommer auch mal kurzärmelig und ohne Sakko. Aber Krawatte, Weste und Halstuch bleiben. Kurzärmelig mit Krawatte und Weste. Den Gag verstehe ich nicht.

Staatstragende Autorität vermitteln

Bei den dänischen Staatsbahnen DSB werden Ihre Fahrkarten mitunter kontrolliert von Menschen in modern schlank geschnittenen dunklen Jeans, Shirt und Base-Cap. Auch, wenn der Schaffner schon jenseits der 50 sein sollte. Aber anders als in Dänemark sind wir hier in Deutschland ja nicht in Amerika, nicht wahr?

Hätten die Angestellten der Deutschen Bahn nicht trotzdem mehr Fashion-Fürsorge verdient? Ein Dresscode wie eine Uniform macht bei einem Unternehmen doch nur dann Sinn, wenn es durch die Außenwirkung dadurch maximal profitiert. Wenn sich Kunden optisch angesprochen fühlen. Ein zeitgemäßes Sommeroutfit wäre sogar billiger: weniger Kühlung, weniger Strom, weniger Kosten. Ist doch so.

Am aller souveränsten ist es doch, wenn eine Uniform nicht künstlich den Anschein von staatstragender Autorität vermitteln soll, sondern einfach: "Mich kannst du ansprechen. Ich bin Mitarbeiter."

Im Zwei-Sterne-Restaurant von Tim Raue nahe der Friedrichstraße in Berlin wird das Lunch-Menü serviert von jungen Leuten in dunklen T-Shirts. Da gibt es keine Pinguine. Aussage: Wir spielen dir nichts vor.

Das bedeuten Dresscodes für Männer
Stufe 1: Baseline Casual für MännerDie Zeiten, in denen Anzug tragen Pflicht war, sind lange vorbei. Viele Unternehmen setzen jetzt auf den „Baseline Casual“-Look. Also: Hübsche T-Shirts oder Polohemden, dunkle Jeans ohne Waschungen und geschmackvolle, nicht zu sportliche Sneaker.Aber Achtung: Folgen Sie immer der +1/-1 Regel. Sie können immer eine Stufe schicker gekleidet ins Büro kommen und am „Casual Friday“ oder zu anderen entspannteren Events auch mal eine Stufe weniger schick. Kleiden Sie sich dagegen gleich zwei Stufen schicker, wirkt das nur overdressed und überheblich. Quelle: Peek&Cloppenburg
Stufe 2: Mainstream casual für MännerAls Mann tragen Sie auf dieser Stufe am besten Shirts und Pullover in verschiedenen Farben. Gerne darf es auch kariert oder gestreift sein, Hauptsache, Sie treffen die richtige Mischung zwischen schick und locker. Auch die Kombination aus Hemd und einem lockeren Sakko bietet sich an. Untenrum machen Sie mit einer schicken Chino oder Leinenhose alles richtig. Dazu die passenden eleganten Schuhe, idealerweise aus hellem Leder, fertig ist ihr "Mainstream casual"-Look. Quelle: Peek&Cloppenburg
Business CasualHier bleibt die Jeans im Kleiderschrank, dafür darf die Krawatte raus – bei Bedarf. Grundsätzlich ist ein Anzug mit Hemd und darüber eventuell ein feiner Strickpulli absolut ausreichend. Quelle: dpa
Stufe 2: Mainstream casual für MännerAls Mann tragen Sie auf dieser Stufe am besten Shirts und Pullover in verschiedenen Farben. Gerne darf es auch kariert oder gestreift sein, Hauptsache, Sie treffen die richtigen Mischung zwischen schick und locker. Auch die Kombination aus Hemd und einem lockeren Sakko bietet sich an. Untenrum machen Sie mit einer schicken Chino oder Leinenhose alles richtig. Dazu die passenden eleganten Schuhe, idealerweise aus hellem Leder, fertig ist ihr "Mainstream casual"-Look. Quelle: Peek&Cloppenburg
Stufe 5: Boardroom attire für Männer Schick, adrett und schwarz-weiß - diese drei Schlagworte sollten bei diesem Outfit im Vordergrund stehen. Als Mann kommen Sie um einen schwarzen oder dunkelgrauen Anzug nun nicht mehr herum. Auch die Qualität spielt jetzt eine große Rolle. Weißes Hemd und unifarbene Krawatte machen das Outfit komplett. Quelle: Peek&Cloppenburg
Black Tie / Cravate NoireDamit ist keine schwarze Krawatte, sondern eine schwarze Fliege gemeint – die zum Smoking getragen wird. Quelle: REUTERS
White Tie / Cravate BlancheHier tragen Männer Frack mit weißer Fliege.  Dies ist bei besonders festlichen Anlässen wie dem Wiener Opernball angesagt. Und was ist mit den Damen? >>Das bedeuten Dresscodes für Frauen Quelle: dpa

Regelrecht hinterhältig ist ein Dresscode da, wo eine Uniform als Wiedererkennungsmerkmal nicht nötig ist. Denn dort ist er nichts als Show für den Kunden. Kurioserweise wollen das viele Kunden so. In einer Bank etwa wünschen sie sich nach einer nicht repräsentativen TV-Umfrage die Angestellten mit Schlips und Kragen. Warum? Weil man in Shorts und Flipflops Euro-Scheine nicht zuverlässig in Dollar wechseln kann? Mittlerweile werden Bankgeschäfte abgewickelt über Apps, die von kleinen Start-Up-Klitschen auf den Markt geworfen worden. Glaubt wirklich jemand, die sitzen da in ihren Co-Working-Space-Büros im Anzug und in gewienerten Lederschuhen? Nein, die organisieren Ihre Bankgeschäfte problemlos auch vom heimischen Sofa aus. In Unterhose.

Von Eleganz auf Kompetenz schließen

Gut, bei persönlichem Kundenkontakt kann man sich ja noch ein Shirt überwerfen. Aber im Ernst: Dass wir einen Dresscode erwarten, liegt doch alleine daran, dass wir es nicht anders gewohnt sind. Aber profitieren tun wir Kunden von einem Dresscode unter unseren Bankangestellten nicht. Im Gegenteil. Würde sich unser persönliches Gegenüber so herausputzen, wie er es selber am liebsten täte, dann offenbarte er damit eine spannende Facette seiner Persönlichkeit. Wir würden unseren Dienstleister besser durchschauen.

Das bedeuten Dresscodes für Frauen
Baseline Casual für Frauen Quelle: Peek&Cloppenburg
Casual Quelle: Peek&Cloppenburg
Smart Casual Quelle: Fotolia
Business CasualWenn auf der Einladung von Business Casual die Rede ist, greifen Frauen am besten zum dunklen Kostüm, einem Hosenanzug oder einem Etui-Kleid. Der Rocksaum sollte das die Knie umspielen. Ein Minirock ist bei Business Casual genauso unangebracht, wie ein bodenlanger Rock. Jeans sind übrigens auch tabu: Wer keinen Hosenanzug besitzt und Röcke nicht mag, trägt eine dunkle Bundfaltenhose. Dieser Dresscode ist meistens bei Geschäftsessen oder Geschäftsreisen gefragt und hat eine repräsentative Funktion. Quelle: Fotolia
Business AttireBusiness Attire, Day Informal oder Tenue de Ville bedeutet, dass Sie Geschäftskleidung tragen sollten, obwohl Sie sich nicht im Büro befinden. Gefordert wird dieser Dresscode häufig bei Geschäftsreisen, bei Treffen mit Geschäftspartnern oder bei Business-Veranstaltungen im Allgemeinen. Frauen tragen also ein klassisches Kostüm oder einen Hosenanzug in Dunkelblau, Dunkelgrau, Anthrazit oder Schwarz. Dazu passt eine Bluse mit langen Ärmeln in Weiß, Hellblau oder Rosa. Alternativ geht auch ein förmliches Kleid, dessen Saum aber das Knie bedecken muss. Quelle: Fotolia
Black Tie / Cravate Noire Quelle: AP
White Tie / Cravate BlancheMänner tragen Frack mit weißer Fliege, Frauen sollen pompöse Abendkleider tragen. Und was ist mit den Herren? >>Das bedeuten Dresscodes für Männer Quelle: dpa

Wer sich als Kunde aber einen Dresscode wünscht, gibt sich freiwillig der Manipulation hin. Er sieht einen optisch genormten Mitarbeiter. Davon profitiert allein die Bank. Sie muss weniger Angst haben, dass sich ein Mitarbeiter durch seine Optik als Außenseiter zu erkennen gibt.

Und so werden auch die Bankhäuser herunter gekühlt. Damit wir Kunden weiter von hochgeschlossener Eleganz auf Kompetenz schließen.

Das gilt für Banken und Versicherungen genauso wie für viele Fernsehmagazine, Reisebüros, für Behörden und Autohäuser.

Darauf sollten Sie beim Anzug achten

Wobei: hochgeschlossen. Von wegen. Hochgeschlossen gilt ja nur für die Herren. Während Klaus Kleber mit Anzug, weißem Hemd und Krawatte moderiert, darf Gundula Gause sommerlich frisch im Kurzarm-Top.

Wo bleibt da die Gleichberechtigung der Geschlechter? Warum dürfen Frauen lockerflockig und wir Männer müssen uns zuschnüren? Weil die Arbeitswelt immer noch männlich geprägt ist. Frauen dürfen gerne Haut zeigen. Gegen den tristen Arbeitsalltag. Und den Männern bleibt die körperliche Rivalität erspart. Muskulöser Bizeps und Bierwampe bleiben gleichermaßen verborgen.

Sympathisches Fortbildungs-Angebot

Kein Wunder, dass mitunter selbst dort ein strenger Business-Dresscode herrscht, wo Mitarbeiter keinen Kundenkontakt haben. Denn warum sollte ein Geschäftsführer an Strahlkraft einbüßen, bloß weil die studentischen Aushilfen die Zeit haben, dreimal pro Woche ins Fitnessstudio zu rennen?

Es sind also allesamt niedere Beweggründe, die den altertümlichen Dresscode rechtfertigen. Blendung, Neid und modische Geschmacklosigkeit.

Wäre es nicht schöner, man ließe die Mitarbeiter einfach gewähren? Einzige Maxime: Überlege dir, ob dein Outfit dir selber gut zu Gesicht steht. Oder zu deinen von Krampfadern überzogenen Waden. Ein kleiner Online-Kurs mit Typ-Beratung wäre doch ein sympathisches Fortbildungs-Angebot.

Denn ein Dresscode allein hilft letztendlich auch nicht, andere vor Unansehnlichkeiten zu bewahren. Gehen Sie mal ins Baden-Badener Spielcasino. Dort herrscht Hemd- und Sakko-Pflicht. Eine Krawatte ist zumindest gewünscht. Sie sollten mal sehen, wie da die braungebrannten Senioren in ihren Konfirmationsanzügen herum kreuzen. Mit einem Schlips, der am Brustbein endet. Dann doch lieber aufrichtige Jeans und T-Shirt. Da fühlen sich doch alle wohler. Machen wir uns nichts vor.

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