Wenn Sie dieser Tage von Berlin nach Köln reisen (beide Städte gerade bis zu 35 Grad), was ist da die Garderobe Ihrer Wahl? Meine ist: Jacke und leichter Schal. Denn ich reise mit der Bahn.
Und es ist ja ein Gerücht, dass beim ICE die Klimaanlagen nicht stark genug sind. Wenn man die auf volle Pulle stellt, dann kühlen die den Zug bei Gluthitze draußen auf gefühlte 14 Grad runter.
Lange habe ich mich gefragt, warum die bei der Bahn uns das antun. Mittlerweile habe ich eine Vermutung nahe der Gewissheit: Es geht mal wieder gar nicht um uns Kunden. Die Dienstkleidung der Zugbegleiter und des Bordrestaurant-Personals besteht zum Gutteil aus Polyester. Und das sollen wir nicht riechen. So muss es sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht.
So kleiden Sie sich richtig
Wie kleidet man sich ordentlich? Dabei geht es um mehr als die Frage, ob mit oder ohne Krawatte. Welche Aussagen lassen sich durch welche Kleidung transportieren? Das ist keineswegs Jacke wie Hose. Ein Crashkurs.
Im Englischen heißt es „it fits“, wenn etwas passt. Daher das Wort „Outfit“. Ihre Kleidung sollte in drei Kategorien passen: Dem Anlass entsprechend, dem Typ entsprechend und der individuellen Aussage entsprechend. Genau in der Schnittmenge liegt das für sie optimale Outfit.
Anzug oder Kostüm sollten Werte wie Vertrauen und Sicherheit widerspiegeln. Das gilt auch für Mitarbeiter im Back-Office. Ein Ziel ist Understatement. Die Kleidung sollte modern und nicht bieder wirken; dunkle Business-Farben wirken am besten.
Es gilt, einen Tick schicker zu sein als im klassischen Business. Hosen mit Pullover gehen maximal in der Werbebranche. Ansonsten eher kompletter Hosenanzug oder Blazer-Hose-Kombi für Damen, Anzüge und Kombinationen für Herren. Anspruchsvoll, gehobene Qualität und dunklere Farben.
Professioneller Look ist hier unabdingbar. Klassische Kostüme, Anzüge und Kombinationen in mittleren bis dunkleren Farbtönen. Farben dürfen nicht ins Auge springen, sollten aber modern sein.
In der Werbung oder bei den Medien darf es bunter und ausdrucksstark zugehen. Hier ist Nähe angesagt und schwarze Kleidung ist da sehr hinderlich.
Für besonders große Männer empfehlen sich farbliche Unterteilungen. Also zum Beispiel blaue Hose oder roter Pullover. Das unterbricht die Größe und lässt Sie weniger lang wirken. Männer mit langen Beinen tragen am besten längere Jacken und Ärmel.
Ist Ihr Körper insgesamt kurz, empfiehlt sich farblich Ton in Ton. Farbliche Unterteilungen würden die Kürze betonen. Haben Sie kurze Beine, sollten Sie von Hosenaufschlägen absehen – und auch davon, Ärmel aufzukrempeln.
Tiefsinnige und Kreative wollen sich ausdrücken. Die Erscheinung darf Außergewöhnliches bieten, also kreativer Kragen, Schmuck, extravagante Brille oder bunte Farben. Bodenständige Typen verwenden besser natürliche Materialien und Erdtöne. Dramatiker und Extrovertierte mögen vielleicht asymmetrisch geschnittene Kleidung – sie sollten dann aber darauf achten, dass sie niemals billig wirkt. Zu sportlichen Typen passen Blau und Grün.
Sollten Sie eine schlanke Frau sein und Kleidergröße 32 bis 34 tragen, sehen Röhrenjeans super aus. Ab Kleidergröße 40 sehen Sie mit ihnen dicker aus. Es liegt also stets an der Form ihres Körpers.
Sind Schulter, Taille und Hüfte gleich breit, empfiehlt sich eine gerade Hose oder ein gerader Rock.
Die Schulter ist schmaler als die Hüfte. Hier sollten Sie Hosen und Rücke in der sogenannten A-Linie mit kurzen Oberteilen kombinieren.
Die Schulter ist breiter als die Hüfte: Hier empfehlen sich Caprihosen, Röhrenhosen und enge Röcke. Die schmalen Hosen lassen sich gut in Stiefel stecken.
Die Figur ist wie eine 8 geformt. Sie ist eine sehr weibliche Figurform. Die Röcke sind konisch geschnitten, sie werden zum Knie hin schmaler. Passende Hosen sind Hosen in Bootcut-Schnitten.
Denn erst wenn es richtig saukalt ist im Zug, erst dann ist es doch wohl mit deutschem Arbeitsschutz zu vereinbaren, im Sommer Hemd, Weste und Sakko übereinander zu tragen: die legendäre, mitunter sehr voluminös auftragende DB-Uniform im Deutsche-Bundesbahn-Retro-Bundfaltenlook, noch mit den guten alten Nadelstreifen auf der Weste. Jetzt im Hochsommer auch mal kurzärmelig und ohne Sakko. Aber Krawatte, Weste und Halstuch bleiben. Kurzärmelig mit Krawatte und Weste. Den Gag verstehe ich nicht.
Staatstragende Autorität vermitteln
Bei den dänischen Staatsbahnen DSB werden Ihre Fahrkarten mitunter kontrolliert von Menschen in modern schlank geschnittenen dunklen Jeans, Shirt und Base-Cap. Auch, wenn der Schaffner schon jenseits der 50 sein sollte. Aber anders als in Dänemark sind wir hier in Deutschland ja nicht in Amerika, nicht wahr?
Hätten die Angestellten der Deutschen Bahn nicht trotzdem mehr Fashion-Fürsorge verdient? Ein Dresscode wie eine Uniform macht bei einem Unternehmen doch nur dann Sinn, wenn es durch die Außenwirkung dadurch maximal profitiert. Wenn sich Kunden optisch angesprochen fühlen. Ein zeitgemäßes Sommeroutfit wäre sogar billiger: weniger Kühlung, weniger Strom, weniger Kosten. Ist doch so.
Am aller souveränsten ist es doch, wenn eine Uniform nicht künstlich den Anschein von staatstragender Autorität vermitteln soll, sondern einfach: "Mich kannst du ansprechen. Ich bin Mitarbeiter."
Im Zwei-Sterne-Restaurant von Tim Raue nahe der Friedrichstraße in Berlin wird das Lunch-Menü serviert von jungen Leuten in dunklen T-Shirts. Da gibt es keine Pinguine. Aussage: Wir spielen dir nichts vor.
Regelrecht hinterhältig ist ein Dresscode da, wo eine Uniform als Wiedererkennungsmerkmal nicht nötig ist. Denn dort ist er nichts als Show für den Kunden. Kurioserweise wollen das viele Kunden so. In einer Bank etwa wünschen sie sich nach einer nicht repräsentativen TV-Umfrage die Angestellten mit Schlips und Kragen. Warum? Weil man in Shorts und Flipflops Euro-Scheine nicht zuverlässig in Dollar wechseln kann? Mittlerweile werden Bankgeschäfte abgewickelt über Apps, die von kleinen Start-Up-Klitschen auf den Markt geworfen worden. Glaubt wirklich jemand, die sitzen da in ihren Co-Working-Space-Büros im Anzug und in gewienerten Lederschuhen? Nein, die organisieren Ihre Bankgeschäfte problemlos auch vom heimischen Sofa aus. In Unterhose.
Von Eleganz auf Kompetenz schließen
Gut, bei persönlichem Kundenkontakt kann man sich ja noch ein Shirt überwerfen. Aber im Ernst: Dass wir einen Dresscode erwarten, liegt doch alleine daran, dass wir es nicht anders gewohnt sind. Aber profitieren tun wir Kunden von einem Dresscode unter unseren Bankangestellten nicht. Im Gegenteil. Würde sich unser persönliches Gegenüber so herausputzen, wie er es selber am liebsten täte, dann offenbarte er damit eine spannende Facette seiner Persönlichkeit. Wir würden unseren Dienstleister besser durchschauen.
Wer sich als Kunde aber einen Dresscode wünscht, gibt sich freiwillig der Manipulation hin. Er sieht einen optisch genormten Mitarbeiter. Davon profitiert allein die Bank. Sie muss weniger Angst haben, dass sich ein Mitarbeiter durch seine Optik als Außenseiter zu erkennen gibt.
Und so werden auch die Bankhäuser herunter gekühlt. Damit wir Kunden weiter von hochgeschlossener Eleganz auf Kompetenz schließen.
Das gilt für Banken und Versicherungen genauso wie für viele Fernsehmagazine, Reisebüros, für Behörden und Autohäuser.
Darauf sollten Sie beim Anzug achten
Hände weg von Synthetik: Polyester, Polyacryl und Co. bringen den Träger nur ins Schwitzen. „Gentleman“-Autor Bernhard Roetzel rät zu 100 Prozent Naturfasern, im Idealfall Schurwolle. Diese ist im Gegensatz zu einfacher Wolle frisch geschoren und zeichnet sich daher durch besonders feine Fasern aus. Stoffe aus Schurwolle sind elastisch, glatt und fallen besser. In vielen Fällen können Anzugkäufer die Stoffqualität auch dadurch ausmachen, indem sie einmal zupacken und schauen, wie stark der Stoff knittert. Das ist aber nicht immer ein Qualitätshinweis: Leinen knittert beispielsweise immer.
Billiganzüge haben meist ein synthetisches Futter aus Kunstfasern. Bessere Anzüge sind mit Viskose gefüttert. Das ist zwar auch synthetisch, wird aber aus Holz hergestellt und weist somit gleiche Eigenschaften auf, wie Baumwolle. Im besten Fall ist das Futter jedoch aus Seide.
Je billiger der Anzug, desto weniger Stiche weisen die Nähte auf. Wichtig ist vor allem, dass sie ordentlich und gerade verlaufen. Wer dafür keinen Blick hat, kann einfach den ausgewählten Anzug mit einem teuren High-Ende-Modell vergleichen. Wichtig ist hierbei auch die Hose auf links zu drehen und die inneren Nähte zu begutachten.
Billiganzüge verzichten gerne auf einen ordentlich verarbeiteten Saum. Dadurch fransen die Stoffränder schnell aus.
An Knöpfen lässt sich die Qualität eines Anzugs kaum ausmachen. Diese sind in so gut wie allen Preisklassen aus Kunststoff. Lediglich am oberen Ende haben Anzüge Knöpfe aus Büffelhorn, Steinnuss oder Perlmutt. „Das sind aber eher traditionelle Qualitätsmerkmale“, sagt Stilexperte Bernhard Roetzel.
Wobei: hochgeschlossen. Von wegen. Hochgeschlossen gilt ja nur für die Herren. Während Klaus Kleber mit Anzug, weißem Hemd und Krawatte moderiert, darf Gundula Gause sommerlich frisch im Kurzarm-Top.
Wo bleibt da die Gleichberechtigung der Geschlechter? Warum dürfen Frauen lockerflockig und wir Männer müssen uns zuschnüren? Weil die Arbeitswelt immer noch männlich geprägt ist. Frauen dürfen gerne Haut zeigen. Gegen den tristen Arbeitsalltag. Und den Männern bleibt die körperliche Rivalität erspart. Muskulöser Bizeps und Bierwampe bleiben gleichermaßen verborgen.
Sympathisches Fortbildungs-Angebot
Kein Wunder, dass mitunter selbst dort ein strenger Business-Dresscode herrscht, wo Mitarbeiter keinen Kundenkontakt haben. Denn warum sollte ein Geschäftsführer an Strahlkraft einbüßen, bloß weil die studentischen Aushilfen die Zeit haben, dreimal pro Woche ins Fitnessstudio zu rennen?
Es sind also allesamt niedere Beweggründe, die den altertümlichen Dresscode rechtfertigen. Blendung, Neid und modische Geschmacklosigkeit.
Wäre es nicht schöner, man ließe die Mitarbeiter einfach gewähren? Einzige Maxime: Überlege dir, ob dein Outfit dir selber gut zu Gesicht steht. Oder zu deinen von Krampfadern überzogenen Waden. Ein kleiner Online-Kurs mit Typ-Beratung wäre doch ein sympathisches Fortbildungs-Angebot.
Denn ein Dresscode allein hilft letztendlich auch nicht, andere vor Unansehnlichkeiten zu bewahren. Gehen Sie mal ins Baden-Badener Spielcasino. Dort herrscht Hemd- und Sakko-Pflicht. Eine Krawatte ist zumindest gewünscht. Sie sollten mal sehen, wie da die braungebrannten Senioren in ihren Konfirmationsanzügen herum kreuzen. Mit einem Schlips, der am Brustbein endet. Dann doch lieber aufrichtige Jeans und T-Shirt. Da fühlen sich doch alle wohler. Machen wir uns nichts vor.