Werner knallhart

Sinnlose Floskeln: Geht der Stuss nicht präziser?

“Haben Sie was getrunken?" Was soll man dem Polizisten da sinnvoll antworten? Wir müssen bei einigen Alltagsfloskeln endlich neu denken. Sonst geht das noch tausende Jahre so sinnlos weiter.

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Die meistgesprochenen Sprachen der Welt
Auf einem Lebkuchenherz steht "Ich liebe Deutsch" Quelle: dpa
Bangladeshi girls perform a dance to welcome the Bengali New Year 1419 at Dhanmondi in Dhaka, Bangladesh Quelle: dpa
The Millennium BCP flag and the Portugal's flag are seen at the bank headquarters in Lisbon Quelle: REUTERS
Von der Moskwa aus haben Besucher einen guten Blick auf den Kreml in Moskau. Quelle: dpa-tmn
An Arab man reads an Arabic newspaper featuring front page pictures and the story of Ariel Sharon's victory against Ehud Barak Quelle: AP
The logo of a Le Slip Francais men Quelle: dpa
Poland's Prime Minister Donald Tusk (R) and his Spanish counterpart Mariano Rajoy Quelle: REUTERS

Treiben wir es von vorne herein mal auf die Spitze. Ein Freund fragte mich jüngst, nachdem er sich an einem Nachmittag im Biergarten sein Gesicht mit Sonnenmilch eingecremt hatte:

"Habe ich noch Sonnencreme im Gesicht?"

Ich sag: "Was für eine Frage. Natürlich. Du hast sie doch gerade auf die Haut geschmiert."

"Nein, ich meine, ob man noch was davon sieht."

"Kommt drauf an."

"Wie 'kommt drauf an'?"

"Ja, mit bloßem Auge oder mithilfe eines Elektronenrastermikroskops?"

"Mit bloßem Auge. Ohne Hilfsmittel."

"Und bei Sehbehinderung?"

"Dann mit Hilfe von bei einem gut sortierten Optiker erhältlichen Sehhilfen."

"Kommt auf die Lichtverhältnisse an."

"Bei den aktuellen Lichtverhältnissen."

"Also was jetzt?"

"Habe ich bei Lichtverhältnissen, die einen durchschnittlich einsichtigen Menschen dazu veranlassen, seine Haut mit einem UV-Licht-Blocker zu schützen, mit bloßem Auge und gegebenenfalls unter Zuhilfenahme augenmedizinisch indizierter Seehilfen aus sozial üblichem Abstand unter Wahrung der persönlichen Distanzzone noch erkennbar Sonnencreme im Gesicht?"

"Nein."

"Ok. Prost."

Diese deutschen Begriffe gibt es in anderen Sprachen

Nur mal so als Beispiel. Die Frage war einfach ordentlich formuliert. Kürzer geht es oft nur, wenn beide Parteien den Code der Kurzfassung richtig verstehen. Das mag unter Freunden gehen. Das klappt aber nicht immer. Etwa, wenn die Polizei mit einem spricht. Da kommt es doch eigentlich auf die Details an.

"Haben Sie denn nun zu Ihrem Chef gesagt: Reden Sie nicht so einen Quatsch, Sie Idiot. Oder: Reden Sie nicht so einen idiotischen Quatsch?"

Der Unterschied kann für die Strafbarkeit wegen Beleidigung wichtig sein. Da müssen Haare gespalten werden.

Was Ihre Gesten über Sie verraten

Aber woher soll man wissen, wann es die Polizei zur Abwechslung nicht so genau nimmt? Als ich im Alter von 18 mit dem Auto meiner Eltern mit Freunden in die Disco gefahren bin, wurde ich von der Polizei angehalten.

"Haben Sie was getrunken?" Wieso stellt mir ein Behördenvertreter offiziell solch unpräzise Fragen? Und was soll ich als Teenager umringt von Freunden darauf bitte schön Cooles antworten? Ich summte:  "Keinen Alkohol, wenn Sie das meinen." So erzieht einen der Staat zu Klugscheißern. Das muss nicht sein.

Deutsche Sprachverirrungen

Die deutsche Sprache hat sich aber mitunter in Gefilde verirrt, da kommt sie ohne Hilfe nicht mehr raus. 

"Wir sehen uns dann am nächsten Mittwoch."

"Hä, ich dachte diesen Mittwoch."

"Ja, dieser Mittwoch ist doch der nächste."

"Für mich ist der nächste der in der nächsten Woche."

"Aber der nächste kommt doch von nah. Und nah ist der Mittwoch jetzt. Der Mittwoch nächster Woche ist -"

"Also übermorgen."

Dieser Mittwoch ist der Mittwoch jetzt, oder auch der nächste, der nächste ist der kommende, der der kommenden Woche aber ist mitunter der übernächste. Nicht zu verwechseln mit Mittwoch übernächster Woche. Wie konnte uns das passieren? Wenn wir das nicht normen, wird dieses Durcheinander niemals enden.

Ich bin für: kommender Mittwoch für den Mittwoch in der Zukunft, der als erster Mittwoch bald Gegenwart werden wird. Und der danach ist dann der Mittwoch nächster Woche oder übernächster Woche. Bei noch weiter in der Zukunft liegenden Tagen sagt man sowieso das Datum dazu. Kommender Mittwoch ist regelrecht Bildsprache. Das versteht jeder. Kein Mittwoch jetzt mehr, kein nächster Mittwoch, kein diesen Mittwoch mehr. Bitte machen Sie mit. Sonst wird das nie was.

Was Gesten über Sie verraten
Ein Mann verschränkt die Hände hinter dem Kopf Quelle: Fotolia.com
Vermutlich Angela Merkel mit verschränkten Händen Quelle: dpa
Eine Frau mit verschränkten Armen Quelle: Fotolia.com
Eine Frau fasst sich an den Hals Quelle: Fotolia.com
Eine Hand berührt den Ärmel am Anzug der anderen Hand Quelle: Fotolia.com
Eine Frau zeigt mit "zur Pistole" geformten Fingern auf den Betrachter Quelle: Fotolia.com
Eine Frau fasst sich an die Nase Quelle: Fotolia.com

"Mein Freund kommt morgen."

"Ach, du hast einen Freund?"

"Keinen festen. Ein Freund kommt."

Wieso ist das so schwierig bei uns? Die Engländer sagen boyfriend und girlfriend, wenn sie Lebenspartner meinen. Wir hingegen sagen Lebenspartner. Das Land der Dichter und Denker sagt Lebenspartner. Oder Bärchen.

Es gibt also noch einige Baustellen. Die erledigen sich nicht von alleine.

Wie das geht mit neuer Sprachregelung per System, das beweist vorbildlich die Deutsche Bahn. "Sänkju for träweling" ist schon lange ausgelutscht und war nie richtig lustig, also musste was Neues her. Seit einiger Zeit heißt es daher fast einheitlich:

"Ladies and gentlemen, in a few minutes we will arrive Cologne."

To arrive + Städtename. Weil arrive ja fast so klingt wie erreichen. Knackig, kurz, ohne Schnörkel.

Die bei englischen Muttersprachlern hier umständlich verwursteten Füllwörter at oder in sind in Wirklichkeit nur plumper Ballast. Und so wurde die verblüffende Bahn-Idee konsequent bundesweit auf den Markt geprügelt, bis mittlerweile gar nicht mehr auffällt, was anfangs noch wie ein Fehler klang. Hier wurde eine alte Floskel effizient fortentwickelt.

Jetzt muss man das Ganze nur konsequent und mutig im Deutschen fortführen: Wir kommen Köln an.

So entwickelt sich Sprache.

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