Gut, bei persönlichem Kundenkontakt kann man sich ja noch ein Shirt überwerfen. Aber im Ernst: Dass wir einen Dresscode erwarten, liegt doch alleine daran, dass wir es nicht anders gewohnt sind. Aber profitieren tun wir Kunden von einem Dresscode unter unseren Bankangestellten nicht. Im Gegenteil. Würde sich unser persönliches Gegenüber so herausputzen, wie er es selber am liebsten täte, dann offenbarte er damit eine spannende Facette seiner Persönlichkeit. Wir würden unseren Dienstleister besser durchschauen.
Wer sich als Kunde aber einen Dresscode wünscht, gibt sich freiwillig der Manipulation hin. Er sieht einen optisch genormten Mitarbeiter. Davon profitiert allein die Bank. Sie muss weniger Angst haben, dass sich ein Mitarbeiter durch seine Optik als Außenseiter zu erkennen gibt.
Und so werden auch die Bankhäuser herunter gekühlt. Damit wir Kunden weiter von hochgeschlossener Eleganz auf Kompetenz schließen.
Das gilt für Banken und Versicherungen genauso wie für viele Fernsehmagazine, Reisebüros, für Behörden und Autohäuser.
Darauf sollten Sie beim Anzug achten
Hände weg von Synthetik: Polyester, Polyacryl und Co. bringen den Träger nur ins Schwitzen. „Gentleman“-Autor Bernhard Roetzel rät zu 100 Prozent Naturfasern, im Idealfall Schurwolle. Diese ist im Gegensatz zu einfacher Wolle frisch geschoren und zeichnet sich daher durch besonders feine Fasern aus. Stoffe aus Schurwolle sind elastisch, glatt und fallen besser. In vielen Fällen können Anzugkäufer die Stoffqualität auch dadurch ausmachen, indem sie einmal zupacken und schauen, wie stark der Stoff knittert. Das ist aber nicht immer ein Qualitätshinweis: Leinen knittert beispielsweise immer.
Billiganzüge haben meist ein synthetisches Futter aus Kunstfasern. Bessere Anzüge sind mit Viskose gefüttert. Das ist zwar auch synthetisch, wird aber aus Holz hergestellt und weist somit gleiche Eigenschaften auf, wie Baumwolle. Im besten Fall ist das Futter jedoch aus Seide.
Je billiger der Anzug, desto weniger Stiche weisen die Nähte auf. Wichtig ist vor allem, dass sie ordentlich und gerade verlaufen. Wer dafür keinen Blick hat, kann einfach den ausgewählten Anzug mit einem teuren High-Ende-Modell vergleichen. Wichtig ist hierbei auch die Hose auf links zu drehen und die inneren Nähte zu begutachten.
Billiganzüge verzichten gerne auf einen ordentlich verarbeiteten Saum. Dadurch fransen die Stoffränder schnell aus.
An Knöpfen lässt sich die Qualität eines Anzugs kaum ausmachen. Diese sind in so gut wie allen Preisklassen aus Kunststoff. Lediglich am oberen Ende haben Anzüge Knöpfe aus Büffelhorn, Steinnuss oder Perlmutt. „Das sind aber eher traditionelle Qualitätsmerkmale“, sagt Stilexperte Bernhard Roetzel.
Wobei: hochgeschlossen. Von wegen. Hochgeschlossen gilt ja nur für die Herren. Während Klaus Kleber mit Anzug, weißem Hemd und Krawatte moderiert, darf Gundula Gause sommerlich frisch im Kurzarm-Top.
Wo bleibt da die Gleichberechtigung der Geschlechter? Warum dürfen Frauen lockerflockig und wir Männer müssen uns zuschnüren? Weil die Arbeitswelt immer noch männlich geprägt ist. Frauen dürfen gerne Haut zeigen. Gegen den tristen Arbeitsalltag. Und den Männern bleibt die körperliche Rivalität erspart. Muskulöser Bizeps und Bierwampe bleiben gleichermaßen verborgen.
Sympathisches Fortbildungs-Angebot
Kein Wunder, dass mitunter selbst dort ein strenger Business-Dresscode herrscht, wo Mitarbeiter keinen Kundenkontakt haben. Denn warum sollte ein Geschäftsführer an Strahlkraft einbüßen, bloß weil die studentischen Aushilfen die Zeit haben, dreimal pro Woche ins Fitnessstudio zu rennen?
Es sind also allesamt niedere Beweggründe, die den altertümlichen Dresscode rechtfertigen. Blendung, Neid und modische Geschmacklosigkeit.
Wäre es nicht schöner, man ließe die Mitarbeiter einfach gewähren? Einzige Maxime: Überlege dir, ob dein Outfit dir selber gut zu Gesicht steht. Oder zu deinen von Krampfadern überzogenen Waden. Ein kleiner Online-Kurs mit Typ-Beratung wäre doch ein sympathisches Fortbildungs-Angebot.
Denn ein Dresscode allein hilft letztendlich auch nicht, andere vor Unansehnlichkeiten zu bewahren. Gehen Sie mal ins Baden-Badener Spielcasino. Dort herrscht Hemd- und Sakko-Pflicht. Eine Krawatte ist zumindest gewünscht. Sie sollten mal sehen, wie da die braungebrannten Senioren in ihren Konfirmationsanzügen herum kreuzen. Mit einem Schlips, der am Brustbein endet. Dann doch lieber aufrichtige Jeans und T-Shirt. Da fühlen sich doch alle wohler. Machen wir uns nichts vor.