Werner knallhart

Wie das Ladenschluss-Gesetz ein Dorf zur Mini-DDR macht

Ein Gesetz, das vorschreibt, um wie viel Uhr man im Laden einkaufen darf. Bescheuert aber normal. Für ein Dorf auf der Grenze zwischen NRW und Niedersachsen, hat das dramatische Folgen: Es wird geteilt.

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Deutschlands größte Lebensmittelhändler
Gute Zeiten für LebensmittelhändlerDie Lebensmittelhändler können größtenteils auf ein gutes Jahr zurückblicken. Bis auf wenige Ausnahmen verbuchten alle Unternehmen ein Umsatzwachstum - manche sogar im zweistelligen Bereich. Der Gesamtumsatz der zehn umsatzstärksten Händler in Deutschland lag bei rund 210 Milliarden Euro. Wobei ein Viertel davon allein auf den ersten Platz entfällt.Quelle: TradeDimensions, Lebensmittelhandel Deutschland 2014 Quelle: dpa
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Lekkerland
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Wir schreiben das Jahr 2015. Die Bundeskanzlerin des mächtigsten Landes Europas hat die NDF ausgerufen. Die Neue Deutsche Flexibilität. Aber wenn man sich dieses Land einmal genauer anguckt, dann kriegt man Panik. Denn man weiß gar nicht, wo man mit dieser Flexibilität um Himmels Willen bloß anfangen soll in diesem Land, in dem die Politik auf Ruf der Kirchen vorschreibt, an welchen Tagen die fröhliche Menschen tanzen dürfen und wann gefälligst nicht, in dem Fußgänger minutenlang an roten Fußgängerampeln warten, obwohl seit Wochen kein Auto mehr vorbei gekommen ist, in dem Kinder Zuhause im Zigarettenqualm der Eltern Lungentumore angezüchtet bekommen, weil man aus über Jahrhunderte gewachsener Tradition nichts dran ändern kann, in dem unter das Schild einer für Autos gesperrten Spielstraße noch extra hingeschrieben werden muss "Einsatzfahrzeuge frei", weil sonst die Anwohner die Feuerwehr bei der Polizei anzeigen, wenn der Leiterwagen zum Löschen trotzdem reinfährt.

Wer soll da frischen Wind reinbringen? Die Politik? Alles, was da in den letzten Jahren an neuen Kräften aufgetaucht war, ist entweder weltfremd (die Linke), kindisch (Piraten) oder rechtsradikal (der Rest). Und denen, die anno dazumal für frischen Wind gesorgt haben, die Grünen, verdanken wir heute im Wesentlichen letztendlich das Dosenpfand.

Was den Deutschen beim Einkauf wirklich wichtig ist

Ausnahme NRW: Dort haben sich SPD und Grüne was Drolliges ausgedacht. In Zeiten, in denen der Einzelhandel unter der Übermacht der Online-Händler stöhnt, da hat die Landesregierung dort den Einzelhandel per Gesetz noch etwas weniger konkurrenzfähig gemacht. Auf Kosten der Händler und der Kunden. Und zwar mit einem einzigen Satz im Gesetz.

NRW-Geschäfte bleiben geschlossen

Das Ergebnis: Am Tag der Deutschen Einheit war das Dorf Bruchmühlen auf der Grenze zwischen NRW und Niedersachsen getrennt: In den fröhlichen niedersächsischen Teil und in den niedergeschlagenen westfälischen. Denn:
Seit einiger Zeit gilt in NRW: Es darf keinen verkaufsoffenen Tag geben am 01. Mai, am 03. Oktober und am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Sonntag fällt.

Und nun hatte Bruchmühlen am Wochenende ein Problem. Seit 25 Jahren feierte das Dörfchen, das halb zu Niedersachsen gehört und halb zu NRW am Tag der Einheit eine Art Dorfeinheit als Dorffest mit offenen Geschäften. Mit organisiert von der Werbegemeinschaft des Einzelhandels aus beiden Stadtteilen.

Deutschlands teuerste Einkaufsstraßen
Platz 10Die Fußgängerzone Grimmaische Straße in Leipzig rangiert mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 120 Euro pro Monat auf dem zehnten Platz der teuersten Shoppingmeilen Deutschlands. Quelle: dpa
Platz 9Auf den Nürnberger Einkaufsstraßen Ludwigsplatz / Hefnersplatz / Karolinenstraße liegen die durchschnittlichen Sätze für ein Ladenlokal bei 160 Euro pro Quadratmeter. Quelle: dpa
Platz 8Bekannt für Politklüngel und Hochdeutsch: In Hannover kostet eine Gewerbeimmobilie etwa auf der Georgstraße im Schnitt 195 Euro pro Quadratmeter. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 7 / 6Auf der Königstraße in Stuttgart tummeln sich zur Spitzenzeit 11.335 Personen. Mit durchschnittlich 250 Euro pro Quadratmeter Ladenfläche müssen Händler hier rechnen. Quelle: dpa
Platz 7 / 6Auch auf der Kölner Schildergasse bezahlen Händler 250 Euro für den Quadratmeter Ladenfläche. Quelle: dpa
Platz 5Auf der Spitaler Straße in Hamburg tummeln sich zu Spitzenzeit 9840 Personen. In Sachen Ladenmiete sind bis zu 275 Euro pro Quadratmeter fällig. Quelle: Gemeinfrei
Platz 4Rang vier geht an die Kö in Düsseldorf. Wer hier seinen Laden neben Armani, Gucci oder Chanel platzieren will, legt dafür im Schnitt 285 Euro monatlich pro Quadratmeter hin. Quelle: dpa/dpaweb

Dank der neuen Regelung aus Düsseldorf aber hätte die NRW-Seite die Geschäfte nicht mehr öffnen dürfen. Weil es in Bruchmühlen eine Geschäftsstraße gibt, deren Fahrbahn und Parkstreifen noch zu Niedersachsen gehören, der rechte Gehweg aber schon zu NRW, hätte das bedeutet: Linke Straßenseite verkaufsoffen, rechte Verkaufsverbot. Dass es in einer Bildungsnation nicht angehen kann, dass ein Gesetz im Einzelfall solche Blüten treibt, ist ja klar. Deshalb beantragte Bruchmühlen eine Ausnahmegenehmigung. Antwort aus Düsseldorf (suchen Sie sich festen Halt): Antrag abgelehnt. Begründung zusammengefasst: Wo kämen wir denn da hin?

Tag der offenen Tür bei Händlern


Und so wurde Wirklichkeit, was nicht wahr sein kann 2015 in Deutschland. Am Tag der Deutschen Einheit wird ein fröhliches Dörfchen, das doch nur feiern will, halbseitig zur Mini-DDR gemacht. Wem nützt dieses föderale Ladenschlussgesetz nochmal?

Was den armen NRW-Händlern einzig blieb: ein Tag der offenen Tür. Reinkommen und gucken joa, Beratung nö, kaufen: UM GOTTES WILLEN! Am Tag der Einheit darf man Torte essen, man darf ins Fitnessstudio gehen, man darf sein Auto tanken, man darf den ganzen Tag vor der Glotze versacken, man darf sich besaufen, aber Shoppen? Nix! Irgendwo ist bei Rot-Grün schließlich auch mal ein Punkt mit der Freiheit.

Hätten die Kunden nicht auf NRW-Seite die Waren angucken können, dann mit dem Verkäufer vier Meter vor die Tür bis zum niedersächsischen Parkstreifen laufen und dann den Kauf per Handschlag besiegeln? Nein, das trauten sich die Händler nicht wegen fehlender Gewerbegenehmigungen im anderen Land.

Hätten die Verkäufer nicht sagen können: "Gucken Sie sich um und wenn Sie wollen, bestellen Sie direkt hier per Smartphone in unserem Online-Shop"? Joa, aber ist das nicht behämmert, überhaupt soweit denken zu müssen?

NRW Ladenschluss 2015

Aber da gibt es ja noch so ein uraltes Überbleibsel - das Mittelalter wirkt noch nach: das Marktrecht. Für einige Händler war es so die einzige Chance, vor ihren Läden Tapeziertische aufzubauen, um von dort abzuverkaufen. Im Laden: Wehe! Drei Meter davor: Bitte gerne. So stellt sich NRW 2015 den Ladenschluss vor: Händler schleppen Bettwäsche, Großbildfernseher und Kaffeemaschinen im Originalkarton auf Pritschen vor der Tür. Das Dumme: Der Tapeziertisch darf nicht aus dem Lager der Läden "nachbestückt" werden. Weil... Ja warum eigentlich? Weil es Spaß macht, Leute zu drangsalieren?

Warum gibt der Klügere da nicht einfach nach? Manchmal wird es einem doch so einfach gemacht, der Klügere zu sein. Ganz einfach: Weil in der Politik niemals der Klügere nachgeben darf. Sonst passiert so was wie eine Autobahnmaut für Ausländer und die Herdprämie und dann müssen erst die Richter wieder alles einsammeln und das ist doch viel zu umständlich und peinlich.

Bruchmühlen hat sein Dorffest mit Shopping seit Jahrzehnten fest etabliert. Nachbargemeinden haben ihre Feste im Kalender drum herum drapiert. Das alles muss nun womöglich aufgegeben und neu geplant werden. Weil das da so im Gesetz steht. Weil das irgendwie gut sein soll für die Menschen. Das wirtschaftlich geteilte Dorf. Eine Idee aus Deutschland zur Feier des Tages. Und wir machen das mit. Also nochmal die Frage von Anfang: Wo sollen wir anfangen mit der NDF? Meine Güte, da kommt was auf uns zu.

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