Zukunftsforscherin Weissenberger-Eibl im Interview "Wir brauchen in Zukunft mehr qualifizierte Fachkräfte"

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Vor genau zehn Jahren hat das ISI mit einer Zeitreise für viel Wirbel gesorgt: In der Delphi-Studie skizzierte es die Welt von heute. Sind die Vorhersagen eingetroffen?

Wir lagen richtig mit unseren Prognosen, dass heute fast jeder per E-Mail kommuniziert, dass das menschliche Erbgut entziffert wurde und Digitalkameras und SMS zum Alltag gehören.

Und worin haben Sie sich geirrt?

Was wir nicht vorhersagen konnten ist, dass es heute Navigationsgeräte für Autos gibt. Und wir haben angenommen, dass Autos heutzutage ein Drittel weniger Sprit schlucken würden als damals. Da waren wir wohl zu optimistisch: Viele Innovationen dauern eben länger als gedacht. Auch eine Impfung gegen Aids gibt es bis heute nicht.

Wenn Sie heute so eine Studie vorstellen würden, etwa in einem Hörsaal voller Gründer: Auf welche Technologien sollten die setzen?

Auch in Zukunft werden Informations- und Kommunikationstechnologien eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht wird es bald Serviceroboter geben, die sich in der Pflege einsetzen lassen. Außerdem wächst der Bedarf an klimaschonenden Technologien kombiniert mit einem intensiven Lernen von der Natur, ob in der Fahrzeugindustrie oder bei der Energiegewinnung.

Die Konzerne müssten doch neugierig sein auf das, was Sie herausfinden. Trotzdem bezieht das ISI nur 20 Prozent der Mittel von Unter‧nehmen. Trauen die Firmen Ihnen nicht?

In Gesprächen mit vielen Konzernchefs habe ich gemerkt, dass ein Großteil der Unternehmen sehr kurzfristig denkt und tradierte Pfade selten verlässt. Das langfristige, strategische Denken könnte ausgeprägter sein. Meine Kollegen und ich können zwar durchaus nachweisen, dass Zukunftsforschung nicht nur spannend, sondern auch erfolgreich ist. Wichtig ist, dass dies die Konzernlenker auch ihren Aktionären vermitteln.

Haben Sie ein Lieblingsszenario, wenn Sie an die Zukunft denken?

Das wäre zu sehr rosarot gedacht. Es gibt nicht das eine wünschbare Szenario – jedes Zukunftsbild hat viele Facetten und meistens Kritiker wie Fürsprecher. Und hinterher findet man immer einen, der sagt: Ich hab’s doch immer gesagt, dass es so kommt. Wichtig ist, von Anfang an vernetzt zu denken. Wenn bei uns ein Thema aufkommt wie die Klimadebatte, dann setzen sich Materialforscher, Nanotechnologie- und Energie-Experten an einen Tisch.

Zum Schluss noch eine Zeitreise zurück: Wie viel Zufall war im Spiel, damit Sie den Weg von der Schneiderin in Traunreut zur Leiterin des ISI gehen konnten?

Natürlich spielt Zufall dabei eine Rolle. Viel wichtiger aber sind die Begegnungen mit Menschen, die einen beeindrucken, die den Blick für die Zukunft schärfen und die mir geholfen haben, in der Ferne nach dem Neuen Ausschau zu halten. Ich gehe unheimlich gerne in den Bergen wandern. Und Innovationen sind im Prinzip wie eine Bergtour: Bis man oben steht und sich ein weiter Blick nach vorne auftut, muss man erst steile Abhänge und Anstiege meistern und den richtigen Weg finden.

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