Im zweiten Schritt müsse sich das Management Werte und Arbeitskultur des Unternehmens anschauen, rät Wink. Man solle sich die Frage: „Sind wir bereit für solch radikal Neues?“ ehrlich beantworten. Laute die Antwort darauf „Nein“, müsse man sich fragen, was das Management tun kann, um die Unternehmenskultur innovativer zu machen. Sonst kann oder will nachher niemand bei den Plänen des CDO mitziehen.
„Auch wenn es niemand offen sagt: Die meisten Bereichs- und Abteilungsleiter werden sich über den CDO nicht freuen“, bestätigt Wink. „Vor allem in traditionell hierarchisch organisierten, bisher wenig auf Innovation bedachten Unternehmen wird der CDO unvermeidlich anecken.“
Also: Erst klären, was ein CDO machen soll, dann herausfinden, ob man bereit wäre, seine Ideen überhaupt umzusetzen, und dann erst rekrutieren. Und da wird es schon wieder schwierig. Denn was der CDO an hard und soft skills mitbringen muss, kann man nicht so leicht auflisten wie bei einem IT-Leiter oder dem Chef der Buchhaltung. „Das Profil eines CDO ist relativ komplex, jedenfalls deutlich komplexer als bei anderen, klassischen Managementprofilen“, sagt Kirchmair. Innovationskraft lässt sich nun mal schlecht messen.
„Die Person muss nicht unbedingt aus dem Silicon Valley kommen, einen glamourösen Background haben oder ihr ganzes Leben lang nur in IT und Digitalwirtschaft verbracht haben“, sagt Wink.
Profil des CDO
Wink rät allerdings dazu, sich bei den Kandidaten darauf zu konzentrieren, dass sie Erfahrung in der jeweiligen Unternehmensform haben. Wer etwa zu einem Start-up geht, sollte nicht nur in Konzernen gearbeitet haben. Die Frage laute also: „Kennt der Kandidat das auf ihn zukommende Umfeld bereits und hat er bewiesen, dass er in einem solchen Umfeld erfolgreich arbeiten kann?“
Außerdem müsse der zukünftige CDO Managementkompetenzen haben: von Motivation und Führung von Mitarbeitern bis zur Leitung von Vorstandssitzungen.
Auch wichtig: Keine Angst vor hohen Tieren. Der CDO sollte nicht nur mit dem IT-Experten und der Personalerin, sondern auch mit dem Top-Management auf Augenhöhe kommunizieren können. „Ansonsten werden sie im besten Fall als Exot geschätzt, der aber nur teilweise an richtungsweisenden Entscheidungen teilhaben kann“, so Wink. Und ohne Empathie geht es nicht. „Tritt der CDO als reiner Digital-Evangelist auf, für den die Sorgen der Mitarbeiter eher Petitessen oder gar Hinderungsgründe für eine noch schnellere Transformation des Geschäfts sind, droht er sehr schnell den Anschluss zu verlieren."
So entwickeln Sie die richtige Digitalstrategie
Bernd Holitzner ist seit 2010 Geschäftsführer des Beratungsunternehmens menovo GmbH, das sich auf Automation, Optimierung und Beratung von Geschäftsprozessen spezialisiert hat.
Er rät: "Ermitteln Sie den aktuellen Prozessablauf – über Abteilungsgrenzen hinweg. Stellen Sie Start- und Endpunkt des Gesamtprozesses fest und definieren Sie Haupt- und Subprozesse. Zum Schluss eruieren Sie die verwendeten Tools. Wahrscheinlich haben Sie erste Schwachstellen und Optimierungspotenziale aufgedeckt. Jetzt können Sie sich vergewissern, ob die gestellte Anforderung diese berücksichtigt."
"Prüfen Sie, ob die Anforderung die Unternehmensstrategie berücksichtigt. Ein Beispiel ist der Onboarding-Prozess. Die IT-Abteilung erwartet, dass Software installiert und Berechtigungen angelegt werden. Die Unternehmensstrategie fordert, dass der Prozess effizienter wird. Diese Bedürfnisse müssen Sie in Einklang bringen."
"Analysieren Sie die Optimierungspotenziale des aktuellen Prozesses. Das sind Prozessschritte, die die Unternehmensstrategie nicht unterstützen. Wenn Sie eine fundierte Auswertung benötigen, führen Sie eine Prozesskennzahlenanalyse durch. Dokumentieren Sie die Optimierung anschließend detailliert."
"Anhand des Optimierungskonzeptes erkennen Sie, wo technische Unterstützung sinnvoll ist. Formulieren Sie, welchen Bedarf die Technik erfüllen soll. Soll die Fehleranfälligkeit im Dokumentenmanagement reduziert werden? Sollen Informationen firmenweit zugänglich werden?"
"Häufig existieren in Unternehmen Tools, die die Anforderungen erfüllen. Durch Kommunikationsdefizite oder mangelnde Prozesskenntnis werden diese nicht berücksichtigt. Überprüfen Sie genauer den Nutzen und die Potenziale der eingesetzten Tools. Erfüllen bestimmte Tools den Bedarf nicht? Dann untersuchen Sie mit der gleichen Akribie die Auswahl neuer Tools."
"Heutzutage ändert sich der Bedarf eines Unternehmens kontinuierlich. Stellen Sie sicher, dass Tools schnell und mit geringem Aufwand angepasst werden können. Zum Beispiel indem Funktionen via Konfiguration geändert werden können."
"Nachdem die Digitalisierung erfolgreich umgesetzt wurde, ist die größte Herausforderung, sie kontinuierlich anzupassen. Der digitale Prozess muss kontrolliert, hinterfragt und weiterentwickelt werden."
Wenn der richtige Kandidat dann gefunden ist, reicht es nicht, ihm oder ihr einen Begrüßungsblumenstrauß in die Hand zu drücken und auf die digitale Revolution im eigenen Haus zu warten. „Gerade beim CDO ist es entscheidend, wie er vom ersten Tag im Unternehmen eingeführt wird“, sagt Wink.
Das Top-Management müsse vorab alle Bereichs- und Abteilungsleiter – am besten alle Mitarbeiter – informieren, welche Rolle der neue Kollege künftig spielen wird. Wink: „Je nachdem, ob er nur als redender Prophet oder als Macher eingeführt wird, entscheidet sich frühzeitig, ob er wirklich Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens nehmen kann.“
Noch ein Tipp, damit der CDO dem Unternehmen treu bleibt: Lassen Sie ihn ein eigenes Standing entwickeln. Wer gleich alle erfolgreichen Initiativen als Vorstandsleistung deklariert, muss sich nicht wundern, wenn der CDO den Bettel schnell wieder hinwirft.