Methoden der Zusammenarbeit Wenn Mitarbeiter gleichzeitig Chefs sind

Agiles Management gilt als Zauberformel für Zukunftsfähigkeit. Das Kalkül: Wo Hierarchien verschwinden, sprudeln die Ideen. Warum es dann trotzdem zu Chaos kommt.

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Zusammenarbeit Quelle: Getty Images

Vor zwei Jahren schaffte Joana Breidenbach sich selber ab. Im Jahr 2007 hatte sie die Spendenplattform Betterplace gegründet, 2010 war eine eigene Denkfabrik dazugekommen. Nun wollte die Unternehmerin kürzertreten – und merkte, dass sie als Gründerin auf dem Chefsessel schwierig zu ersetzen war. Da ließ sich Breidenbach von einem Buch inspirieren.

In seinem Werk „Reinventing Organizations“ beschreibt der belgische Berater Frederic Laloux, wie sich Organisationen auf die Zukunft vorbereiten und ihren Angestellten den Sinn ihrer Tätigkeit vermitteln können. Breidenbach entschied nach der Lektüre, sich auf ein Experiment einzulassen: Das Team entwickelte eine flexible Hierarchie ohne Chef. Mitarbeiter übernahmen konkrete Zuständigkeiten und erhielten weitreichende Entscheidungsfreiheit.

Der Plan ging auf: Inzwischen trägt das zwölfköpfige Team die Verantwortung für ein Budget in Höhe von 1,2 Millionen Euro, selbst die Gehälter werden in der Gruppe diskutiert. Breidenbach ist nur noch als Beraterin für ihr Unternehmen tätig. Die meisten „Mitarbeiterchefs“ seien von der neuen Autonomie begeistert. Doch sie gibt auch zu, dass die große Freiheit anstrengend ist.

So klappt die Zusammenarbeit im Beruf
effektives Team Quelle: Fotolia
Teamvielfalt Quelle: Fotolia
klares Ziel Quelle: Fotolia
Legen Sie Zuständigkeiten frühzeitig fest Quelle: Fotolia
Stellen Sie die nötigen Informationen bereit Quelle: Fotolia
Teamcoaching Quelle: Fotolia

Breidenbach orientiert sich an dem Begriff Agilität, den Organisationstheoretiker und -praktiker mit fast schon religiösem Eifer predigen. Vereinfacht gesagt geht es um neue Formen der Führung und Zusammenarbeit. Die Idee dahinter ist simpel: Partizipation bringt Motivation bringt Innovation. Diese Philosophie soll für mehr Erfolgserlebnisse sorgen in einer Welt, die langfristige Projekte zunehmend erschwert.

Bereits im Jahr 2001 verabschiedeten einige US-Programmierer ein agiles Manifest. Darin geißelten sie die traditionelle Herangehensweise, bei der ein Auftraggeber zunächst seine Wünsche äußert, daraufhin daumendicke Konzepte erstellt und erst dann Ergebnisse präsentiert werden, wenn an jedem Projektpunkt ein Sternchen glitzert. Selbst dann, wenn das Monate oder Jahre dauert, der Auftraggeber hinterher unzufrieden ist oder die Konkurrenz längst etwas Besseres entwickelt hat.

Stattdessen forderten die Programmierer, künftig Menschen zu vertrauen, Kunden in den Mittelpunkt zu rücken und Veränderungen flexibel und bei Bedarf sofort anzustoßen, anstatt auf fixen Plänen und Abgabefristen zu beharren.

Was in der Softwarebranche begann, breitet sich auch in anderen Branchen aus. Laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement in Kooperation mit der Hochschule Koblenz werden die Methoden in jedem vierten Fall außerhalb der IT eingesetzt.

Drei Arten agiler Arbeit

Der Dominoeffekt

Wer mit agiler Arbeit experimentiert, hofft auf einen organisatorischen Dominoeffekt. Die Unternehmen setzen auf Selbstverantwortung, Austausch und Transparenz statt auf Kontrolle, Bürokratie und Hierarchie. Jeder soll jederzeit wissen, woran der Kollege gerade werkelt. In Gruppentreffen, der Effizienz halber im Stehen abgehalten, soll jedes Mitglied innerhalb von zwei Minuten darlegen, wie es mit der Arbeit am Tag zuvor vorangekommen ist, woran es heute arbeiten wird und welche Hindernisse es dabei geben könnte. Der aktuelle Stand wird auf Tafeln notiert.

Das Kalkül: Niemand soll sich hinter dem eigenen Schreibtisch verstecken. Manch ein Enthusiast vergleicht die Veränderungen mit der kopernikanischen Revolution in der Astronomie. Agiles Management sei eine neue Art, die Welt zu sehen und sich in ihr zu bewegen. Das schrieb Steve Denning, Direktor der Branchenvereinigung Scrum Alliance, im Januar 2015 im US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“.

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