Mittelstand "Das entwickelt Ihnen kein Yuppie"

Verschläft der Mittelstand die Digitalisierung? Ja, behaupten zwei PwC-Berater und Buchautoren. Nein, sagt Heinz-Walter Große, Chef des Mittelständlers B. Braun. Ein Streitgespräch.

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Die 15 innovativsten deutschen Mittelständler
Platz 15: BenderStandort: Grünberg Unternehmensfokus: Elektrotechnik Umsatz 2014: 100 Mio. Euro Innovationsscore: 163Um Deutschlands innovativste Mittelständler zu ermitteln, wertete die Unternehmensberatung Munich Strategy Group (MSG) zunächst die Daten von 3300 deutschen Unternehmen aus, die zwischen zehn Millionen und einer Milliarde Euro umsetzen. Die Berater analysierten Jahresabschlüsse und Präsentationen, sprachen mit Kunden und Branchenexperten sowie Geschäftsführern, Inhabern und Beiräten der Unternehmen.Nach den Experteninterviews und Erfolgsanalysen nahm MSG 400 Unternehmen in die engere Wahl. Für jedes errechnete die Beratung einen eigenen Innovations-Score. Dabei achteten die Berater darauf, dass sich das Unternehmen durch ständige Neuheiten auszeichnet, von Wettbewerbern als innovativ angesehen wird und eine ideenfördernde Kultur etabliert hat. Zudem flossen zu einem Drittel auch wirtschaftliche Indikatoren wie Umsatz- und Gewinnwachstum in die Bewertung ein. „Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es mehr als 25 Prozent seines Umsatzes mit Produkten macht, die erst in den vergangenen vier Jahren entstanden sind“, sagt MSG-Gründer und Studienleiter Sebastian Theopold. Das erste Ranking dieser Art hatte MSG im vergangenen Jahr für die WirtschaftsWoche erstellt (Heft 15/2014). Anders als im Vorjahr haben es diesmal auch viele Hersteller von Konsumprodukten unter die Top 50 geschafft, so etwa Ravensburger (Spiele), Rügenwalder (Wurst) oder Soldan (Bonbons).Der Großteil der Innovations-Champions entstammt allerdings nach wie vor der traditionellen Paradedisziplin des deutschen Mittelstands: dem Maschinenbau. Quelle: PR
Platz 14: BiotestStandort: Dreieich Unternehmensfokus: Bioheilmittel Umsatz 2014: 582 Mio. Euro Innovationsscore: 164 Quelle: PR
Rapunzel Quelle: PR
Platz 12: MetaboStandort: Nürtingen Unternehmensfokus: Elektrowerkzeuge Umsatz 2014: 374 Mio. Euro Innovationsscore: 167 Quelle: PR
Platz 11: BrücknerStandort: Siegsdorf Unternehmensfokus: Folienmaschinen Umsatz 2013: 754 Mio. Euro Innovationsscore: 171 Quelle: PR
Platz 10: SennheiserStandort: Wedemark Unternehmensfokus: Mikrofone Umsatz 2014: 635 Mio. Euro Innovationsscore: 172 Quelle: dpa
Platz 9: Rügenwalder MühleStandort: Bad Zwischenahn Unternehmensfokus: Wurst Umsatz 2014: 175 Mio. Euro Innovationsscore: 173 Quelle: PR

Bevor das Gespräch beginnt, will Heinz-Walter Große noch schnell die Vorstandsetage des Medizintechnikkonzerns B. Braun in Melsungen zeigen.
Digitalisierung und ihre Folgen, findet Große, sieht man nämlich nicht zwangsläufig nur am Computer. „So, wie wir hier arbeiten“, sagt Große und zeigt in ein Rund aus Glas und Holz und vor allem ohne Wände, das sei doch auch eine Folge der Digitalisierung. Die offenen Arbeitsräume meint er damit, die Tatsache, dass auch er und seine Vorstandskollegen sich Schreibtische im offenen Bereich suchen müssen.

Carsten Hentrich und Michael Pachmajer, die in ihrem neuen Buch die Verschlossenheit des Mittelstands gegenüber der Digitalisierung beklagen, nicken anerkennend. Zum Gespräch geht es dann hinter verschlossene Türen. Nicht, weil es etwas zu verstecken gäbe. „Sondern weil es die anderen vom Arbeiten abhält, wenn laut gesprochen wird.“

Zur Person

WirtschaftsWoche: Herr Große, Manager überbieten sich gerade darin, Krawatten abzunehmen, Sneaker anzuziehen oder ihre Mitarbeiter zu duzen. Bei Ihnen sieht man nichts von dem – nehmen Sie die Digitalisierung nicht ernst?
Heinz-Walter Große: Persönlich halte ich die Krawatte für das Unnötigste, was erfunden wurde. Aber man sollte sie auch nicht so wichtig nehmen, dass man von ihr auf die Bereitschaft zum Wandel rückschließen könnte.

Die beiden Herren sagen, der Mittelstand habe noch nicht erkannt, wie die Digitalisierung die Unternehmenskultur verändert.
Große: Manchmal erinnert mich die ganze Diskussion an einen Hype. Es vermischen sich da leider die unterschiedlichsten Themen. Nehmen Sie unser Logistikzentrum: Wir hatten früher dezentrale Lager in allen angrenzenden europäischen Ländern, heute nur noch eins. Diese Entwicklung ist doch nur durch digitale Prozesse möglich. Das wird häufig gar nicht als Digitalisierung wahrgenommen. Systematisieren wir das Thema endlich mal – so wie es die Herren ihrem Buch getan haben.

Ist das eine typische Argumentation im Mittelstand, Herr Pachmajer?
Michael Pachmajer: Absolut. Wir sehen im Mittelstand mehrere Reaktionen auf die Digitalisierung. Rund 50 Prozent der Familienunternehmen wollen ihr Geschäftsmodell transformieren, wissen aber nicht, wie. Ihnen fehlt ein Modell, wie sie das Thema anfangen können – ein Modell, das wir in unserem Buch mit den d.quarks beschreiben, elementaren Fähigkeiten für die Gestaltung des digitalen Wandels. Die anderen 50 Prozent teilen sich unserer Erfahrung nach auf etwa 30 Prozent, die abwarten und denken: Lasst die anderen mal vorneweg laufen. Etwa 20 Prozent haben sich bereits auf den Weg gemacht – dazu zähle ich auch B. Braun.

So haben sich Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereitet

Wie entscheidend ist ein überzeugter Chef für einen solchen Wandel?
Große: Natürlich hängt der digitale Wandel zu großen Teilen vom CEO ab. Bei uns im Unternehmen sind es aber an vielen Stellen auch die Abteilungsverantwortlichen, die diese Entwicklung vorantreiben. In unserer Logistik gibt es einen digitalen Prozess, der nachmittags die Aufträge abgleicht und dann hochrechnet, wann die Mitarbeiter diese abgearbeitet haben. Wenn diese dann sehen, Schluss ist um 21.30 Uhr, aber um 21 Uhr steht noch Fußball an, dann wissen sie, dass man mit einer extra Anstrengung noch fast das ganze Spiel sehen kann. Da muss man keine Vorgaben machen, sondern da kommt die Motivation von den Mitarbeitern selbst. Wichtig ist, dass vor allem das Management eine Kultur im Unternehmen schafft, die Veränderungen zulässt.

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