Vordenker 10 Thesen zum Management der Industrie 4.0

Seite 2/4

Industrie 4.0 scheitert oft an der Unternehmenskultur

4. Die Unternehmenskultur ist keine Quantité Négligeable!

Wenn im Management über Industrie 4.0 geredet wird, wird über Technologie, IT und Digitalisierungsstrategie geredet. Dass diese drei 4.0-Elemente häufig an der Firmenkultur scheitern, wird oft übersehen. Dabei herrscht nach wie vor in vielen Unternehmen eine hierarchisch ausgerichtete, lineare und funktionszentrierte Firmenkultur. Und das nicht ohne Grund: Sie war, bislang, erfolgreich. Nun bringt die Industrie 4.0 unter anderem teilautonome Arbeitsgruppen, autonome Anlagen und selbststeuernde Prozesse mit sich.

Der bislang noch uneingeschränkt herrschende „Funktionsfürst“ soll sich plötzlich dem neuen Paradigma der Prozessorientierung unterordnen. Das empfinden viele Führungskräfte als Statusverlust. Zu erkennen, dass dieses Empfinden trügt, erfordert jedoch auf Ebene der einzelnen Führungskraft sozusagen einen individuellen Kulturwandel, einen Wandel des Mindsets. Kollektiv, das heißt auf organisatorischer Ebene, erfordert es einen Wandel der Firmenkultur. Anstatt lineares, hierarchisches Funktionsdenken zu incentivieren und zu sanktionieren, sollte die neue 4.0-kompatible Kultur interdisziplinäres Pro-zessdenken fordern und fördern – sonst wird die Kultur zum Hindernis der Strategie. Wie schon Peter Drucker sagte: „Culture eats strategy for breakfast.“

5. Weg mit den Wagenburgen!

Ein besonders Industrie-4.0-feindlicher Aspekt bislang durchaus funktionierender, ja erfolgreicher Firmenkulturen ist die Wagenburg-Mentalität der „Firma in der Firma“ mit ihren symptomatischen Abteilungsegoismen und Schnittstellen-Friktionen zwischen einzelnen Abteilungen. Jede Firma zerfällt in viele Funktions-Silos, zwischen denen dicke Stahl-wände gewachsen sind, die nur unter bürokratischen Alpträumen zu überwinden sind, geschweige denn so agil und flexibel agieren können, wie es Startups und digitale Unternehmen vormachen.

Ein Leben als Millionär, reisen im Firmen-Jet und das Kommando über Tausende Mitarbeiter. Dax-Vorstand zu sein, hat Vorzüge. Haben Sie das Zeug, einen solchen Top-Posten zu bekleiden? Der ultimative Karriere-Test.

Alle Unternehmen, denen Industrie 4.0 gelingt, haben die Wagenburg-Mentalität durch das neue Prozess-Paradigma ersetzt: Der gelungene Auftragsprozess von A bis Z macht Kunden glücklich – ganz gleich, welche Abteilung/ Funktion daran höchst interdisziplinär mitarbeitet. Wenn die Firmenkultur dieses simple Prinzip paradigmatisch verinnerlicht und Führungskräfte als Vorbilder voranschreiten, werden die Wagenburgen nach und nach eingerissen.

6. Fail fast: Macht Fehler!

Kein Kind lernt Laufen ohne blutige Knie und blaue Flecken. Veränderung bringt nicht nur Fehler mit sich, sie erfordert sie geradezu. Im Silicon Valley ist „Fail fast! Fail often!“ ein Mantra. Nicht hierzulande. Unser Mantra ist „Cover your ass!“. Wir gehen auf Nummer sicher. Wir analysieren eine Idee schon mal vor Marktreife zu Tode. „Bringen Sie mir keine Probleme, bringen Sie mir Lösungen!“ ist ein häufiger Spruch von Vorgesetzten. Solche fehlerfeindlichen Maßgaben sind kontraproduktiv. Wer bei der Industrie 4.0 keine Fehler machen darf, bremst seine Migration aufs Tempo einer Wanderdüne.

Deutsche Gründlichkeit und umsichtiges Sicherheitsdenken sind wichtig – aber nicht in einem Ausmaß, das die Migration der Industrie 4.0 be- und verhindert. Wer migriert, muss Fehler machen dürfen, nein, soll Fehler machen. Fail! Fail often! Fail better! Startups pflegen diese Fast Failure Culture. Unternehmen, die diesen Startup-Spirit teilen, sind schneller und erfolgreicher bei der Industrie 4.0. Es versteht sich von selbst, dass die Kunst des Fehlermachens darin besteht, bei einem Fehler nicht das ganze Schiff zu versenken, sondern Fehler-Experimente stets auf „Sandkastengröße“ zu beschränken. Digital Natives sind sehr kreativ darin, solche Arenen agilen Lernens mit managbaren Risiko zu entwerfen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%