Home Office Heimarbeiter werden fleißiger

Ein Feldversuch in einem chinesischen Callcenter zeigte deutliche Produktivitätsgewinne durch Heimarbeit. Obwohl viele Mitarbeiter am Ende doch im Büro bleiben wollten.

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"Pflanzenwand" im Atlantik-Hotel Essen Quelle: Die Raumbegrüner
Efeu Quelle: dpa
Blattfahne Quelle: Toshihiro Oimatsu CC Attribution 2.0 Generic
Bogenhanf Quelle: Die Raumbegrüner
Ficus benjamina Quelle: Franz Xaver CC Attribution-Share Alike 3.0 Unported
Drachenbäume Quelle: Blumenbüro Holland/dpa/gms
Chrysanthemum morifolium Quelle: dpa/dpaweb

Immer mehr Firmen lassen ihren Mitarbeitern weitgehende Freiheit zu entscheiden, ob sie statt im Büro lieber zuhause oder sonst wo arbeiten wollen. Zwar gibt es weiterhin Vorbehalte, doch Arbeitgeber, die wie Yahoo-Chefin Marissa Mayer 2013 das Rad zurückdrehen und Heimarbeit unterbinden, müssen mit öffentlichem und vor allem firmeninternem Unmut rechnen. Zu rechtfertigen – zumindest vor den Investoren – wäre das Verbot von Heimarbeit allenfalls, wenn es gute Argumente dafür gäbe, dass sie die Produktivität schwächt, weil sich die Angestellten zuhause verdrücken.

Die beiden Stanford-Ökonomen Nicholas Bloom und John Roberts haben das in einem Feldexperiment überprüft http://qje.oxfordjournals.org/content/early/2014/11/20/qje.qju032.full.pdf+html . Sie kamen zu einem Ergebnis, das selbst Befürworter von Heimarbeit positiv überraschen wird.

Ihr freiwilliges Versuchskaninchen war die Firma Ctrip, der größte Reiseveranstalter der Volksrepublik China. Das Unternehmen will Heimarbeit aus zwei Gründen einführen: um Büro-Kosten zu sparen (die in Ctrips Heimatstadt Schanghai enorm steigen) und um die enorme Fluktuation der Angestellten (50 Prozent in einem Jahr!) zu verringern, also um schlicht attraktiver am Arbeitsmarkt zu werden.

Der neun Monate laufende Test fand also nicht als Simulation unter Laborbedingungen statt, sondern im wahren Geschäftsleben. Außerdem war James Liang, einer der Mitgründer des Unternehmens und Vorstandsmitglied, in das Untersuchungsteam eingebunden.

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Alle Mitarbeiter des Call-Centers der Abteilung für Flug- und Hotelbuchungen in Schanghai durften sich entscheiden, ob sie für neun Monate an vier von fünf Arbeitstagen zu hause arbeiten möchten. 255 von 508 Mitarbeitern meldeten sich, die Hälfte von ihnen (diejenigen mit geradem Geburtsdatum) durfte von zuhause arbeiten. Die anderen blieben als Kontrollgruppe in der Firmenzentrale.    

Beide Gruppen arbeiten gleichzeitig in derselben Schicht, unter denselben Schichtleitern, mit demselben Computersystem. Nur der Arbeitsort unterschied sich. Ctrip registriert sehr genau mit Hilfe seines Computersystems, wie lange die Mitarbeiter arbeiten, wieviele Abschlüsse sie tätigen und auf welche Weise sie den Kunden begegnen. Diese Daten erlaubten Bloom und Roberts einen exakten Vergleich der durchschnittlichen Leistung der Heim- und der Büroarbeiter.

Ergebnis: Die messbare Leistung der Heimarbeiter nahm im Laufe der neun Wochen deutlich um 13 Prozent zu. Der Grund dafür war, dass ihre Netto-Arbeitszeit länger war, weil sie weniger lange Pausen machten und seltener krank waren als zuvor. Aber auch auf die Arbeitsminute umgerechnet waren die Heimarbeiter produktiver als die im Büro. In begleitenden Befragungen begründeten die Mitarbeiter dies mit den ruhigeren Arbeitsbedingungen zuhause.

Die Schwachen wollen ins Büro

Die Teilnehmer, die im Büro bleiben mussten (obwohl sie sich zur Heimarbeit gemeldet hatten), arbeiteten zwar nicht weniger effizient als zuvor, aber weniger effizient als die Heimarbeiter. Vor allem blieb bei ihnen die Fluktuation, also die Zahl der Kündigungen, etwa gleich hoch, während sie bei den Heimarbeitern um rund die Hälfte zurückging. In einer begleitenden psychologischen Befragung zeigten sie sich außerdem deutlich zufriedener mit der Arbeit und weniger erschöpft.  

Nach dem Feldversuch war die Führung von Ctrip so beeindruckt vom eindeutig positiven Ergebnis, dass sie beschloss, der gesamten Belegschaft Heimarbeit zu ermöglichen.

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Überraschend war allerdings, dass die Hälfte der versuchsweisen Heimarbeiter nach Ende des Versuchs lieber wieder im Büro arbeiten wollte. Von der Kontrollgruppe entscheiden sich drei Viertel weiter im Büro zu arbeiten. Die meisten begründeten dies damit, dass sie sich zuhause zu einsam fühlten. Außerdem zeigte sich, dass tendenziell die besonders leistungsfähigen, motivierten Angestellten Heimarbeit wählten. Sie trauen sich offensichtlich zu, den Verlockungen des Fernsehers oder Kühlschranks zuahuse eher widerstehen zu können, während die weniger Motivierten sich offenbar vor ihrer eigenen Ablenkbarkeit fürchten – und daher lieber im Büro bleiben.

„Dieses unerwartete Ergebnis macht deutlich, dass vor der Einführung solcher Managemententscheidungen ihre Folgen unklar bleiben, sowohl für Angestellte als auch für Manager“, schreiben Bloom und Roberts. Das sei auch ein Grund dafür, dass Unternehmen solche Entscheidungen nur sehr zögerlich träfen.

Roberts und Bloom wollen die Ergebnisse des Feldversuchs nicht generalisieren. Der Call-Center von Ctrip sei kaum mit anderen Büro-Arbeitsplätzen gleichzusetzen. Nicht nur ist die Arbeitsleistung leicht mess- und kontrollierbar, auch besteht kaum Notwendigkeit für Zusammenarbeit mit den Kollegen. Auch Innovationen werden von den Call-Center-Mitarbeitern nicht erwartet.  

“Wir raten Unternehmen, zumindest offen dafür zu sein, dass Angestellte gelegentlich zuhause arbeiten, um ihnen zu erlauben, sich auf individuelle Projekte und Ziele zu konzentrieren“, schreiben Bloom und Roberts. Und Marissa Mayer von Yahoo empfehlen beide explizit, der Heimarbeit eine zweite Chance zu geben. „Das ist entscheidend, um wichtige Angestellte zu halten und zu motivieren, und es ist ein essentieller Teil des Büros des 21. Jahrhunderts.“

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