Auf gewisse Weise müssen Chefs Alleskönner sein. Sie sollen ihr Unternehmen zum Erfolg führen. Die Mitarbeiter bei Laune halten. Und im schlimmsten Fall den Kopf hinhalten, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Eine anspruchsvolle, bisweilen verzwickte Aufgabe, die nicht allen liegt.
Eine Studie aus den USA kommt gar zu dem Schluss, dass der Mensch für die Rolle der Führungspersönlichkeit nicht gemacht ist. Forscher haben nachgewiesen, dass Teams effizienter arbeiten und ihre Mitglieder zufriedener sind, wenn sie Anweisungen von Robotern befolgen.
Eine Erkenntnis, die Chefs zum Nachdenken anregen sollte. Wie schaffen sie es, erfolgreich zu wirtschaften und gleichzeitig bei Mitarbeitern beliebt zu sein? Handelsblatt Online hat bei Experten nachgefragt.
Für Jutta Rump, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability an der Hochschule Ludwigshafen, lassen sich beide Eigenschaften miteinander verbinden. „Als Chef kann ich klare Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen und gleichzeitig meine Mitarbeiter mitnehmen“, sagt Rump. „Das ist kein Entweder-oder.“
10 Tipps für den perfekten Chef
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Darin liegt die Größe eines wirklich „perfekten“ Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, „jemand zu sein“, sondern verstehen sich als „jemand, der wird“ und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Eine wesentliche Eigenschaft von „perfekten“ Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Der „perfekte“ Chef sagt und meint „Wir!“ und nicht „Ich!“ Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Der „perfekte“ Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der „perfekte“ Chef gibt sich mit dem zweitbesten Ergebnis nicht zufrieden.
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der „perfekte“ Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Grundvoraussetzung eines „perfekten“ Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Letztlich geht es um das wesentliche: Der „perfekte“ Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der „perfekte“ Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.
Quelle: Perspektive Mittelstand
Die Bedingung: Ein Vorgesetzter behält trotz unpopulärer Maßnahmen die Akzeptanz innerhalb seines Teams. „Ein guter Chef“, sagt Personalexpertin Rump, „integriert Mitarbeiter in Entscheidungen und lässt sie bei Entscheidungsfindungen teilhaben.“ Partizipation heißt dieses Zauberwort, das in so vielen Ratgebern über erfolgreiche Führungsstile auftaucht.
Eine Anforderung, die in den vergangenen Jahren offenbar zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Noch 2009 waren laut einer Erhebung des Geva-Instituts, einer Beratungsgesellschaft aus München, 80 Prozent der Deutschen der Meinung, dass sich ein guter Chef in erster Linie durch Entschlusskraft und Durchsetzungsfähigkeit auszeichne.
Für Führungspersönlichkeiten waren das geradezu paradiesische Bedingungen. Sie konnten Karriere machen, sich selbst verwirklichen - und zur Not ihre Macht demonstrieren, wenn Widerstand aus der Belegschaft kam.
„Chefs sind abhängig“
Inzwischen haben sich die Verhältnisse in Unternehmen etwas verschoben. „Als Chef bin ich deutlich abhängiger von meinen Mitarbeitern als sie von mir“, sagt Carsten Steinert, Experte für Personalmanagement an der Hochschule Osnabrück.
Bedeutet: Wer heute als Führungspersönlichkeit erfolgreich sein will, muss Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnen. Ihnen Wertschätzung entgegen bringen – und trotzdem eine respektvolle Distanz wahren. „Mit einem guten Chef kann man Pferde stehlen, aber nicht Schlitten fahren“, sagt Steinert.
Was Chefs von Louis van Gaal lernen können
Ein Prinzip, das funktionieren mag, so lange ein Chef keine harten Entscheidungen treffen muss. In so einem Fall „kann er geliebt werden, wie er will“, sagt Carsten Steinert. „Kein Mitarbeiter wird bei seiner Entlassung danke sagen.“ Es sind Situationen wie diese, die die Position von Führungskräften so undankbar macht, so angreifbar.
Vielleicht ist das ein Grund dafür, weshalb sich einige Chefs von Natur aus emotional distanzieren von ihren Mitarbeitern. Mitunter sogar soweit, dass ihnen Empathie und Menschlichkeit verloren geht. Ein anderer ist der Druck, das Unternehmen auf Dauer wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Gelingt das nicht, „sitzt ein Chef letztlich als erstes auf der Straße“, sagt Personalexperte Steinert.
Wer Chef sein will, muss also auch Überlebenskünstler sein. Mit etwas Phantasie lässt sich diese Rolle mit dem Rädelsführer eines Löwenrudels vergleichen. Je mehr Rivalen er klein hält oder vertreibt, desto unantastbarer wird seine Stellung gegenüber anderen Mitgliedern des Rudels. Einem starken Anführer ordnen sich Herdentiere in der Regel unter.
In diesem Punkt sind Mensch und Tier dann aber wiederum verschieden. Einem menschlichen Oberhaupt droht die Isolation, je mächtiger es wird. „Wenn eine Führungskraft sich das Image aneignet, über Leichen zu gehen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis ihn sein Team fallen lässt“, sagt Carsten Steinert.
Ein Beispiel aus dem Fußball zeigt, was er meint. Bei Bundesliga-Krösus Bayern München gilt Louis van Gaal noch immer als einer der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte. Unter dem Niederländer gewann der Klub in zwei Jahren zweimal das Double. Am Ende wurde van Gaal trotzdem mit Schimpf und Schande von der Säbener Straße vertrieben. „Er hat es trotz sportlichen Erfolgs nicht geschafft, die Leute menschlich hinter sich zu bringen“, sagt Steinert.
Die Erwartungen der Mitarbeiter
Typen vom Schlag van Gaal hätten es heutzutage vermutlich schwer, in der Bundesliga noch einmal unterzukommen. Ähnliches gilt für Chefs von Unternehmen, die nicht offen sind für die Bedürfnisse von Mitarbeitern.
Die nämlich haben bisweilen ziemlich konkrete Anforderungen an ihren Arbeitgeber.
Was gute Führung ausmacht
Laut einer Umfrage der "Initiative Neue Qualität der Arbeit" unter 400 Führungskräften sind Flexibilität und Diversität sind weitgehend akzeptierte Erfolgsfaktoren. Das Arbeiten in beweglichen Führungsstrukturen, mit individueller Zeiteinteilung und in wechselnden Teamkonstellationen ist aus Sicht der meisten Führungskräfte bereits auf einem guten Weg. Die Idee der Förderung von Unterschiedlichkeit ist demnach in den Unternehmen angekommen und wird umgesetzt. Die Beiträge zur Führungskultur gerade aus weiblichen Erfahrungswelten werden äußerst positiv bewertet.
Prozesskompetenz ist für alle das aktuell wichtigste Entwicklungsziel. 100 Prozent der interviewten Führungskräfte halten die Fähigkeit zur professionellen Gestaltung ergebnisoffener Prozesse für eine Schlüsselkompetenz. Angesichts instabiler Marktdynamik, abnehmender Vorhersagbarkeit und überraschender Hypes erscheint ein schrittweises Vortasten Erfolg versprechender als die Ausrichtung des Handelns an Planungen, deren Verfallsdatum ungewiss ist.
Selbst organisierende Netzwerke sind das favorisierte Zukunftsmodell. Die meisten Führungskräfte sind sich sicher, dass die Organisation in Netzwerkstrukturen am besten geeignet ist, um die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zu bewältigen. Mit der kollektiven Intelligenz selbst organisierender Netzwerke verbinden diese Führungskräfte die Hoffnung auf mehr kreative Impulse, höhere Innovationskraft, Beschleunigung der Prozesse und Verringerung von Komplexität.
Hierarchisch steuerndem Management wird mehrheitlich eine Absage erteilt. Die meisten Führungskräfte stimmen darin überein, dass Steuerung und Regelung angesichts der Komplexität und Dynamik der zukünftigen Arbeitswelt nicht mehr angemessen sind. Zunehmende Volatilität und abnehmende Planbarkeit verringern die Tauglichkeit ergebnissichernder Managementwerkzeuge wie Zielemanagement und Controlling. Überwiegend wird die klassische Linienhierarchie klar abgelehnt und geradezu zum Gegenentwurf von „guter Führung“ stilisiert.
Kooperationsfähigkeit hat Vorrang vor alleiniger Renditefixierung. Über die Hälfte der interviewten Führungskräfte geht davon aus, dass traditionelle Wettbewerbsstrategien die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben und das Prinzip Kooperation weiter an Bedeutung gewinnt. Nur noch 29,25 Prozent der Führungskräfte präferieren ein effizienzorientiertes und auf die Maximierung von Profiten ausgerichtetes Management als ihr persönliches Idealmodell von Führung.
Persönliches Coaching ist ein unverzichtbares Werkzeug für Führung. Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisung werde immer schwieriger oder sei gar nicht mehr möglich. Mächtig ist nur, was auf Resonanz trifft. Einfühlungsvermögen und Einsichtsfähigkeit werden dadurch immer wichtiger. Alle Akteure, ob nun Führungskraft oder geführte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bräuchten im Unternehmen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung.
Motivation wird an Selbstbestimmung und Wertschätzung gekoppelt. Die Führungskräfte gehen davon aus, dass die motivierende Wirkung von Gehalt und anderen materiellen Anreizen tendenziell abnimmt. Persönliches Engagement wird mehr mit Wertschätzung, Entscheidungsfreiräumen und Eigenverantwortung assoziiert. Autonomie werde wichtiger als Statussymbole und der wahrgenommene Sinnzusammenhang einer Tätigkeit bestimme den Grad der Einsatzbereitschaft.
Gesellschaftliche Themen rücken in den Fokus der Aufmerksamkeit. In der intuitiven Schwerpunktsetzung der Führungskräfte nimmt die Stakeholder-Perspektive des Ausgleichs der Ansprüche und Interessen von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einen wachsenden Raum ein. Über 15 Prozent aller frei genannten Beschreibungen im Führungskontext beschäftigen sich mit Fragen der gesellschaftlichen Solidarität und der sozialen Verantwortung von Unternehmen.
Die Online-Plattform Kununu, auf der Angestellte und Bewerber Unternehmen bewerten können, hat in einer aktuellen Studie die dringlichsten Wünsche von Mitarbeitern gemessen. Das Ergebnis: Flexible Arbeitszeiten, die Nutzung des Home Office sowie Verpflegung am Arbeitsplatz sind Beschäftigten im Berufsleben am wichtigsten – viel wichtiger als monetäre Anreize.
Hart in der Sache, fair im Umgang
„Wir sehen anhand der Suchanfragen, dass die Bewerber gezielt nach Benefits verlangen. Eine gesunde Work-Life-Balance steht klar im Vordergrund“, sagt Kununu-Geschäftsführer Florian Mann. Ein Chef, der diesen Anforderungen einen hohen Stellenwert einräumt, hat bei seinen Mitarbeitern einen guten Stand, diesen Schluss lässt eine andere Erhebung der Xing-Tochter Kununu zu.
Die Plattform hat vor kurzem ein Ranking der zehn Branchen mit den besten Chefs erstellt. Auf den vordersten Plätzen landen Internet/Multimedia, Beratung & Consulting, EDV/IT, Dienstleistungen und Versicherungen. Allesamt Branchen, in denen flexible Arbeitszeiten und Arbeit im Home Office bereits zum Alltag gehören.
Lob für die Personalführung
Bedeutet das im Umkehrschluss, dass nur Chefs dieser Branchen beliebt sein können? Mitnichten, findet Jutta Rump. Magret Suckale vom Chemieriesen BASF, das sei so eine Personalverantwortliche, die verstanden haben, worauf es bei Mitarbeiterführung ankomme, sagt Rump.
Suckale, das ist jene Frau, die die weiblichen Flaggen in einer von Männern dominierten Domäne hochhält: in einem Dax-Vorstand. Man wird nicht ohne Weiteres Personalchefin bei einem Konzern, der mehr als 100.000 Mitarbeiter hat und jährlich über 70 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Für diesen Posten braucht man vor allem eins: Verhandlungsgeschick. Hart in der Sache, fair im Umgang.
Eigenschaften, mit denen sich Suckale bereits bewährt hat, als sie noch in Tarifverhandlungen der Deutschen Bahn involviert war. Damals wie heute sagt man ihr nach, dass sie Entscheidungen trifft, die nicht jedem gefallen. „Und trotzdem strahlt sie in ihrem Verhalten etwas aus, das auf Mitarbeiter positiv wirkt“, sagt Personalexpertin Rump.
Unter Suckales Regiment hat sich BASF das auf die Fahnen geschrieben, was viele andere in Wirtschaft und Politik als leere Worthülsen benutzen: die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und zwar für alle Generationen. Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung hat das Unternehmen für seine Maßnahmen auf diesem Feld im vergangenen Jahr zum „Best Practice“ für „Personalentwicklung für Ältere“ gekürt.