Lange schon hat uns das Management beschwichtigen wollen, dass nun mal die Komplexität der Arbeitswelt zunähme – es entstünden ja überall neue globale Beziehungen und Wechselwirkungen. In der letzten Zeit ist aber unsere immer lauter werdende Verzweiflung in der Hierarchie nach oben gestiegen. Unsere Chefs sind ebenfalls mutloser geworden. Da jedoch Chefs nicht mutlos sein dürfen, müssen sie ständig behaupten, gut aufgestellt zu sein. Sie haben weltweit einheitlich vereinbart, Probleme einfach zu verleugnen, indem sie von Herausforderungen sprechen. Wir dachten schon früher manchmal, unsere Chefs spinnen, wenn sie ihren seltsam unpassenden Optimismus versprühten. Aber sie müssen das tun! Sie können nicht wie wir am Kaffeeautomaten meckern. Unsere Chefs sind intelligente Menschen, aber auch sie versinken jetzt im Chaos. Und da sie das leugnen müssen, wirken sie, als würden sie spinnen.
Jeder Einzelne von uns ist für die eigene Arbeit intelligent genug. Aber die Arbeit der Einzelnen passt nicht mehr zusammen. Ich versuche es mal so auf den Punkt zu bringen: Als Einzelne sind wir klug und stark, aber als Team spinnen wir. Wir agieren als Unternehmen, als Team, als Gremium gemeinschaftlich so, wie wir es einzeln als Mensch ohne Fesseln und Zwänge nie täten. Wir sind aktiver Teil eines Ganzen, das gegen all das handelt, was unsere persönliche Intelligenz und unser eigenes Herz uns raten. Die Summe aller unserer Fähigkeiten ist größer als das, was wir zusammen leisten. Unsere Bosse klagen gebetsmühlenartig: „Ach, wenn wir es einmal schaffen würden, unsere volle Energie auf die Straße zu bringen, wären wir unbesiegbar.“ Das heißt, dass wir weit unter unseren gefühlten Möglichkeiten bleiben und darüber bei klarer Sicht (beim Bier am Abend) fast ins Verzweifeln kommen. Die Kompliziertheit stranguliert uns. Das Ganze ist dümmer als die Summe der Intelligenz der Einzelnen.
Daher mein Appell, auf die einfache Seite zu wechseln. Nicht auf die „simple“ Seite, sondern auf die „smarte“. Was ich damit meine, zeigt ein Blick auf die Web-Seite von Olivia Mitchell. Sie erläutert die große Kunst der Präsentation. Alles Wissen, das der Fachmann hat, ergibt ein hochkomplexes Geflecht von Wechselwirkungen, das man dem Zuhörer lieber nicht zumuten sollte. Es gibt zwei Möglichkeiten der Abhilfe: Zunächst kann man das Komplexe brutal simplifizieren (auf Englisch dumb down, wie „im Niveau herunterschrauben“ bzw. „verdummen“). Auf der anderen Seite kann man versuchen, das Komplexe durch paradigmatische Vorstellungsbilder so „genial einfach“ darzustellen, dass es für jedermann eingängig ist. In beiden Fällen ist das Komplexe für den Zuhörer vereinfacht worden. Der Redner hat die Wahl: Entweder er vereinfacht bis zur Niveaulosigkeit – das geht relativ leicht. Oder er denkt sehr lange über Metaphern, Visionen und sprechende Beispiele aus dem Erfahrungshorizont der Zuhörer nach, die das Wesentliche der komplexen Zusammenhänge auf den Punkt bringen.
Ein solides Stück Patchwork
Wenn Sie eine Einzelperson sind, können Sie sich entscheiden – so oder so. Wenn Sie aber als Team oder neudeutsch „Schwarm“ die Aufgabe haben, in einer Stunde eine Präsentation für den Chef zusammenzubasteln? (Ich kann Ihnen versichern: Manager sagen wirklich „basteln“!) Sie wissen, worauf es hinausläuft, wenn man „basteln“ sagt. Die Manager hetzen im Tagesgeschäft hin und her, keiner will sich da wertvolle Zeit freischaufeln, um in aller Ruhe die Präsentation alleine fertigzustellen. Aber getan werden muss es. Die Runde schaut sich an. Wer soll jetzt arbeiten? Da fällt der Zaubersatz: „Wir sollten das in einem Meeting machen.“ Sie atmen auf. Keiner muss allein arbeiten, sie basteln gemeinsam. Als das Meeting beginnt, erscheint nur etwas mehr als die Hälfte der Manager. Die anderen haben leider ein „wichtiges Verkaufsgespräch“ oder einen „entscheidenden Kundenbesuch“. Die tatsächlich im Meeting Anwesenden aber sind wegen des Stresses allesamt unvorbereitet gekommen (sie kommen immer unvorbereitet in die Meetings) und stellen nun per Copy and Paste etwas aus älteren Präsentationen zusammen.
Neue Managementmethoden mit flachen Hierarchien
Motivierender als klassische Seminare sind Veranstaltungen, die flache Hierarchien, Selbstorganisation und Ideenaustausch fördern.
Zu Beginn befragen sich jeweils zwei Teilnehmer gegenseitig zu einem Thema und veröffentlichen die Erkenntnisse auf einer Pinnwand. Anschließend bilden die Teilnehmer einen großen Kreis mit Pinnwänden, auf denen jeder Teilnehmer ein Thema vorschlagen kann. Dann verteilen sich die Anwesenden gemäß ihren Interessen. So entstehen Arbeitsgruppen, die anschließend die Themen vertiefen. Es gilt das „Gesetz der zwei Füße“: Wer sich langweilt, der schließt sich einer anderen Diskussion an. Am Ende stellen die Gruppen ihre Ergebnisse vor, die Zuhörer geben Feedback. Das Ziel: Aus der Diskussion soll ein konkretes Projekt entstehen.
Bei diesem Format werden nur Ort und Teilnehmer vorgegeben – Themen und Referenten ergeben sich spontan aus dem Teilnehmerkreis. Wer mag, kann einen Beitrag vorbereiten, andere referieren frei über ihr Fachgebiet, wobei sie aber nur eine Einführung geben und die anschließende Diskussion strukturieren. Da sich die vor Ort entstehende Agenda konsequent an den Interessen der Teilnehmer orientiert, wird keine Zeit verschwendet und nicht am Thema vorbei diskutiert. Es entsteht ein kritischer Dialog auf Augenhöhe, ohne starre Hierarchien.
In diesem Format, dessen Name sich vom gleichnamigen US-Paketdienst ableitet, beschäftigen sich Fachleute aus verschiedenen Bereichen einen Tag lang mit einem Thema, das außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegt. Die Idee: mit frischer Perspektive unbelastet von Fachexpertise über Problemstellungen nachdenken. Die Ergebnisse müssen am Ende des Tages präsentiert werden, so entstehen schnell neue Konzepte bis hin zu Prototypen.
Was kommt heraus? Das Ergebnis wirkt nicht wie aus einem Guss, weil noch alle ihre eigene Meinung einbauen wollen. Es ist ein solides Stück Patchwork, wie es der Chef als Grundlage nehmen kann. Er kann noch einen Grafiker über die Folien jagen, dann hebt das Design den dürftigen Inhalt auf akzeptables Niveau. Der Assistent vom Chef soll auch noch mal drüberschauen! Puh – geschafft! Schnell zum nächsten Meeting!
Als Einzelner können Sie autonom zwischen der Dumb-down-Richtung oder dem Versuch zum genial Einfachen wählen. Im Meeting aber bekommt das genial Einfache fast nie eine Chance. Diesen Effekt, dass im Meeting das Simple gegen das Exzellente gewinnt, thematisiere ich unter dem Begriff der Schwarmdummheit. Aber können Teams nicht auch klüger sein als Einzelne? Derzeit kursieren Hymnen über die neue Schwarmintelligenz! Man bejubelt die Höchstleistungen von Internet-Communitys und die Fruchtbarkeit des Team-Design-Thinking-Ansatzes. Die Loblieder klingen so: „Ein Team verfügt in den Mitgliedern über verschiedenste Talente, die kein Einzelner allein vorweisen kann. Teams können über sich hinauswachsen, das Team ist mehr wert als die Summe der Einzelnen. Ein Team bildet Schwarmintelligenz aus!“