Europawahl Wie Brüssel Bremen antreibt

Mancher denkt bei EU an Überregulierung, andere fragen sich, was Brüssel den Menschen wirklich bringt. In Bremen reicht ein Spaziergang in die Überseestadt, um Europa konkret zu erleben.

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Das Wahrzeichen von Bremen: die Bremer Stadtmusikanten. Quelle: dpa

Bremen Der „Landmark Tower“ an der Weser ragt mit seinen 20 Stockwerken wie ein Zeigefinger in den Himmel, der auf eines der größten Städtebauprojekte in Europa hinweisen will. In Bremens Überseestadt entsteht in einem ausgedienten Hafenviertel in Sichtweite des Doms ein ganz neuer Stadtteil. In vielen Teilen des Projekts steckt die Europäische Union mit drin, ohne dass EU extra draufsteht. Die Promenade entlang des alten Europahafens ist mit Geld aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung EFRE finanziert. In den Flanierweg am Wasser und den noch nicht fertigen Überseepark fließen mehr als acht Millionen Euro, die Hälfte davon aus Brüssel.

Vor allem direkt entlang der Weser entstehen Hunderte Wohnungen. In 450 Unternehmen sollen einmal bis zu 9000 Menschen arbeiten, oft in innovativen und von der EU geförderten Projekten. Viele historische Speichergebäude auf dem insgesamt 300 Hektar großen Gelände - das ist fast doppelt so groß wie die Hamburger Außenalster - wurden umgebaut und bieten heute Platz für Restaurants, eine Hochschule, Museen und Sammlungen, Büros und Werkstätten.

Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) weiß genau, wie sehr das vom Strukturwandel stark betroffene, aus den Städten Bremen und Bremerhaven bestehende Land auf Geld aus Brüssel angewiesen ist. Ein Projekt wie die Überseestadt treibe Wirtschafts- und Stadtentwicklung gleichermaßen. „Ohne EFRE wäre dies nicht so möglich gewesen“, sagt er. „Die Überseestadt ist auch im europäischen Maßstab ein Projekt, das beispielhaft für eine sinnvolle Verwendung der Mittel aus dem europäischen Regionalfonds steht.“

Wer als Tourist oder Einheimischer durch Bremen spaziert, stößt an vielen Ecken auf Brüsseler Mitfinanzierung: Erholung bietet ein neuer Park am Weserwehr, zahlreiche Stadtteile erhielten Hilfen für ihre Entwicklung und rund um die Universität bekamen viele Forschungseinrichtungen Startunterstützung.


Deutschland bekommt weniger Geld aus dem EFRE-Fonds

In Bremerhaven stechen die Havenwelten mit dem Deutschen Auswandererhaus oder dem Zoo am Meer heraus. Einen Anschub gab es auch für die Entwicklung der Offshore-Branche in Bremerhaven.

In der aktuellen siebenjährigen Förderperiode bis 2020 bekommt Bremen rund 103 Millionen Euro aus dem EFRE-Programm. Das sind zwar 39 Millionen Euro weniger als in der abgelaufenen Förderperiode, das kleinste Bundesland liegt aber bei der Summe je Einwohner hinter Berlin und der Region Sachsen-Leipzig auf dem dritten Platz in Deutschland. Hintergrund ist eine Veränderung der Förderpolitik der EU. Deutschland bekommt insgesamt weniger Geld aus dem EFRE-Fonds.

Die wirtschaftliche Stärke des Landes Bremen beruht wesentlich auf dem internationalen Handel. In Bremerhaven werden jedes Jahr Millionen Container und Autos umgeschlagen, in Bremen werden High-Tech-Produkte zum Beispiel der Luft- und Raumfahrt für den Export hergestellt. „Bremens herausragende Rolle als Industrie- und Außenwirtschaftsstandort wäre ohne die Europäische Union schlicht nicht vorstellbar“, sagt der Präses der Handelskammer, Christoph Weiss.

Mehr als die Hälfte des Umsatzes aus dem produzierenden Gewerbe gehe in den Export, fast 60 Prozent davon in europäische Märkte. „Die Vorzüge des zollfreien Warenverkehrs und der stets vergleichbaren Rechtsregelungen, denen unsere Waren in allen europäischen Ländern unterliegen, nutzen Bremen in hohem Maße“, erläutert Weiss. Die Europäische Währungsunion senke des Risiko für die Exporteure.

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