Ex-Bosch-Chef Scholl wird 80 Detailverliebter Tüftler und harter Arbeiter

Hermann Scholl führte den Technikkonzern Bosch in den 90er Jahren zur Weltgröße. Unter seiner Ägide entwickelte das Unternehmen zahlreiche Innovationen wie das Anti-Blockier-System ABS. Jetzt wird Scholl 80 Jahre alt.

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Der harte Arbeiter bei Bosch: Der frühere Vorsitzende des Industriekonzerns wird 80 Jahre alt. Quelle: dpa

Gerlingen Nüchtern und bis zuletzt im Detail bei der Sache – Hermann Scholl galt bei Bosch immer als harter Arbeiter. So streng er mit sich selbst war, so streng war er mit anderen. Seine Nachfragen waren bei den Mitarbeitern gefürchtet. „Gegen gute Argumente ist er nicht verschlossen, aber die mussten ihn schon voll überzeugen. Denn er hat in der Regel auch immer gute“, erinnert sich sein Nachfolger an der Bosch-Spitze und im Aufsichtsrat, Franz Fehrenbach. An diesem Sonntag feiert Scholl seinen 80. Geburtstag.

Er ist ein Tüftler, dessen technische Expertise seinen Mitarbeitern Hochachtung abgewann. Gab es ein Problem, ging er ihm auf den Grund. „Was er nicht leiden konnte: Wenn klare organisatorische Festlegungen später aus dem Ruder liefen“, sagt Ex-Vize Tilman Todenhöfer.

Scholl arbeitete viel, nahm immer wieder Versuchswagen auch mit nach Hause. „Für Bosch hat er jede Mühe auf sich genommen - er hat Bosch sein Leben gewidmet“, erklärt Todenhöfer. Noch als Aufsichtsratschef lässt er es sich nicht nehmen, sich bei allen möglichen Anlässen an der Seite des damaligen Bosch-Chefs Fehrenbach zu zeigen. Scholl, der nun Ehrenvorsitzender des Technologie-Konzerns ist, kommt noch täglich ein paar Stunden ins Büro. Mit dem amtierenden Bosch-Chef Volkmar Denner hat er regelmäßig Kontakt.

„Wir tauschen uns aus, beispielsweise über die Entwicklung neuer Technologien“, sagt Scholl. Ein Thema sei die Elektromobilität. Wichtig seien hier leistungsfähigere und preiswertere Batterien. „Dann kommt der Durchbruch in voller Breite. Ich bin zuversichtlich, dass es gelingt.“

Der Schwabe war erst der vierte Unternehmenschef nach dem Firmengründer Robert Bosch selbst. Der gebürtige Stuttgarter steigerte in den zehn Jahren an der Spitze des Technologie-Konzerns den Umsatz von 16,6 auf 36,4 Milliarden Euro. Das Unternehmen trennte sich von der Telekommunikationssparte. Den hohen Umsatzanteil der konjunkturanfälligen Fahrzeugtechnik reduzierte Scholl durch die Übernahme der Mannesmann-Industriesparte.

Ganz entgegen der Art des ansonsten eher zurückhaltenden Unternehmens trieb er zudem aggressiv die feindliche Übernahme des Heizungsbauers Buderus voran. Dieser Prozess habe sich über mehrere Jahre hingezogen, so Scholl: „Im Bereich der Heizungstechnik standen wir unter einem gewissen Zugzwang. Damals hat eine Konzentration auf dem Markt stattgefunden.“ Der damalige Geschäftsbereich Junkers sei zu klein gewesen, um langfristig bestehen zu können.


„Sie haben Tausenden von Menschen das Leben gerettet“

Unter Scholls Führung brachte Bosch Technologien voran, die heutzutage für Autofahrer eine Selbstverständlichkeit sind. Er führte die Benzin-Direkteinspritzung zur Serienreife, unter seiner Ägide wurden das Anti-Blockier-System (ABS) und das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) entwickelt. „Sie haben durch Ihre Arbeit Tausenden von Menschen das Leben gerettet“, würdigte der ehemalige Trumpf-Chef Berthold Leibinger ihn einmal in einer Laudatio.

Auf ABS und ESP sei er schon ein bisschen stolz, sagt Scholl. „Heute ist ESP in Europa und den USA in jedem Neuwagen Pflicht. Und für 2016 wird es in Europa auch verbindlich für Motorräder vorgeschrieben.“ Scholl selbst meldete im Lauf seines Berufslebens über 50 Patente an.

Schon als Kind bastelte der Sohn eines Psychologen ein Tonbandgerät und eine Gangschaltung fürs Fahrrad. Dann studierte Scholl Nachrichtentechnik in Stuttgart, promovierte und arbeitete sich von 1962 an bei Bosch zielstrebig bis ganz nach oben. 1978 ist er mit 43 Jahren einer der jüngsten Geschäftsführer, die Bosch je hatte.

Fehrenbach sagte über Scholl, er habe einen überragenden analytischen Verstand: „Ich habe nie wieder jemanden kennengelernt, der so präzise arbeitet.“ Vorlagen, die auch nur sprachliche Fehler hatten, gab Scholl zurück. „Wenn etwas sprachlich nicht sauber ist, dann ist es auch sonst nicht durchdacht“, hat Scholl einmal gesagt. Unter anderem sei sprachliche Präzision nötig, um erfolgreich arbeiten zu können.

Und doch blieb Scholl gern im Hintergrund - so unbekannt war er lange, dass eine Regionalzeitung bei seinem Amtsantritt ein falsches Foto abdruckte. Der passionierte Cello-Spieler, der mit seinem Quartett nicht nur bei Bosch-Veranstaltungen auftrat, ist ein Freund der leisen Töne. „Ich spiele jeden Tag eine halbe bis eine Stunde Cello. Das mache ich, um fit zu bleiben.“

Sein Abschied vom operativen Geschäft ist entsprechend nüchtern: eine Aufsichtsratssitzung, ein Abendessen. Bescheiden, zurückhaltend. Seinen Geburtstag will er ebenso begehen: Im privaten Kreis, sagt er.

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