Fed Wenn höhere Zinsen die Inflation antreiben

Sollte die Fed heute den Leitzins anheben, könnte die Inflation steigen. Wirtschaftlicher Nonsens? Nein, sagen „Neo-Fisherianer“. Sie berufen sich auf eine über 100 Jahre alte Theorie von Irving Fisher.

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Normalerweise sinkt dann die Inflation. Doch laut einer Theorie von Irving Fisher könnte genau das Gegenteil passieren. Quelle: Reuters

Zehn Jahre sind seit der letzten Zinserhöhung in die USA vergangen. Zehn Jahre lang hält nun schon eine Phase beispielloser monetärer Stimulation durch die Notenbank Federal Reserve (Fed) an. Und doch bleibt die Inflation im Keller. Im November stiegen die Verbraucherpreise im Vergleich zum Vormonat lediglich um 0,5 Prozent. Dabei strebt die Fed ein Inflationsziel von zwei Prozent an.

Die anhaltend niedrige Teuerungsrate verwirrt viele Ökonomen so sehr, dass sie sich neuerdings einer über 100 Jahre alten bizarren Wirtschaftstheorie wieder zuwenden. Die besagt, dass ausgerechnet höhere Zinsen die Inflation antreiben könnten.

Das läuft im Grunde allem zuwider, was in den Grundkursen der Wirtschaftswissenschaften gelehrt wird. Dort wird vermittelt, dass höhere Leitzinsen die Konsumentenausgaben senken, anstatt sie zu erhöhen. In der Folge sinke auch die Inflation.

Allerdings hat sich in letzter Zeit gezeigt, dass der Leitzins von nahe null Prozent kaum einen Effekt auf die Teuerungsrate hatte. Hier kommt die nun hervorgekramte historische Theorie ins Spiel. Sie geht wie folgt: Höhere Zinsen lassen die Menschen glauben, dass sich die Konjunktur im Aufschwung befindet. Also geben sie mehr Geld für ihren persönlichen Konsum aus. Schließlich steigt dadurch die Inflation.

Zu den neuzeitlichen Verfechtern dieses Gedanken zählt unter anderem John Cochrane, ein Senior Fellow am Hoover-Institut der Stanford Universität. „In Debatten sagen uns die Leute, dass wir verrückt seien“, erklärt Cochrane. Aber nachdem die Fed die Zinsen auf ein Null-Niveau gesenkt hatte, sei weder eine Deflationsspirale noch eine Hyperinflation ausgebrochen. „Das ist bemerkenswert.“

Schon bald könnte sich die Theorie der Realität stellen. Die Währungshüter der Fed werden aller Voraussicht nach am Mittwoch den Leitzins anheben. Diejenigen, die eine steigende Inflation erwarten – die Fed inbegriffen – erklären, dass steigende Preise sieben Jahre nach der Finanzkrise für ein robustes Wachstum sorgen könnten.


Im schlimmsten Fall droht eine Kapitalmarktblase

Ende des 19. Jahrhunderts verbreitete der Ökonom Irving Fisher als Erster die Idee, dass steigende Zinsen zu mehr Inflation führen könnten. Seine heute wachsende Zahl seiner Anhänger wird deshalb auch als „Neo-Fisherianer“ bezeichnet.

Neben Cochrane von der Stanford Universität zählen sowohl Stephen Williamson, Wirtschaftswissenschaftler der Federal Reserve von St. Louis, als auch die Beiden Columbia-Ökonomen Stephanie Schmitt-Grohe und Martin Uribe zu Anhängern der Fisher-Theorie. Sie alle sagen, dass höhere Zinsen im jetzigen Umfeld die Inflation sowie die Beschäftigung antreiben könnten. Sogar der Präsident der Federal Reserve von St. Louis, James Bullard, ist von der Theorie angetan. In Reden im August und November erklärte er, dass der US-Wirtschaft eine konstant niedrige Inflation drohen könne, wenn die Fed den Leitzins weiterhin nahe null Prozent beibehalten würde.

Höhere Zinsen wären vor allem für diejenigen von Vorteil, die bereits Darlehen aufgenommen haben. Schließlich reduziert die Inflation ihre reale Schuldenlast. Für all jene, die einen neuen Kredit aufnehmen, wirken die Zinsen allerdings genau gegenteilig. Sie führen dann zu höheren Kosten.

Gleichzeitig könnte die Banken dank erhöhter Zinsen mehr Geld verdienen. Das würde wiederum dazu führen, dass die Geldhäuser mehr Geld an Konsumenten und Unternehmen verleihen, sagt Brian Jacobsen, Chef der Portfolio-Strategie beim Advantage Fonds von Wells Fargo. Im schlimmsten Falle könnte allerdings eine Kapitalmarktblase entstehen, erklärt Jacobsen.

Sollte sich die Theorie der Neo-Fisherianer als korrekt erweisen und steigende Zinsen die Inflation tatsächlich antreiben, würden das die Zentralbanker durchaus begrüßen. Zwar versuchen die normalerweise das genaue Gegenteil zu erreichen, wenn sie Zinsen anheben. Doch die aktuelle Lage in den USA und in Japan bewegt einige Intellektuelle zu einem Umdenken hinsichtlich etablierter ökonomischer Dogmen.

„Derzeit ist unsicher, wie sich die Dinge am Ende entwickeln“, sagt Cochrane. „Das ist sicherlich ein Grund zur Vorsicht.“ Denn auch die Möglichkeit bestehe: Dass alles anders komme als gedacht.

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