Anlagebetrug Dubiose Geschäftemacher machen Kasse mit Schweizer Aktien

Anleger werden in Frankfurt offenbar mit Schweizer Aktien übers Ohr gehauen. Um die Unternehmen rankt sich ein Netzwerk dubioser Geschäftemacher.

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Mit der Amitelo-Aktie ging es Quelle: dpa

Amitelo – der Unternehmensname klingt nach Amore, doch Anleger lieben die Firma nicht mehr. Die Telekommunikations-Aktie erlebte seit ihrem Börsengang einen Absturz, der an die Wildwest-Zeiten des Neuen Marktes erinnert. Das allein wäre noch nicht der Rede wert. Doch der Absturz um mehr als 99 Prozent ist kein Einzelfall. Der Schweizer Finanzdienstleister 3D Capital, der Amitelo an die Börse führte, sitzt inmitten eines schillernden Netzwerks aus Finanzunternehmen, Agenturen und obskuren Börsenbriefen. Ein Netzwerk, das in den Absturz einer ganzen Reihe von Schweizer Aktien, die an der Frankfurter Börse notiert sind, involviert ist.

Und es gibt Verbindungen zu einer umstrittenen Figur der Börsen-Szene, dem norddeutschen Investor Torsten Prochnow. Der Mittdreißiger war mehrere Jahre maßgeblich an 3D Capital beteiligt – in seiner zweiten Karriere. In der ersten brachte er es zur Jahrtausendwende mit seinem Startup World of Internet bis zum Sponsor des Fußballclubs FC St. Pauli und des Formel-1- Teams Jordan. Im Jahr 2000 kam jedoch das böse Erwachen: Die amerikanische Börsenaufsicht SEC warf Prochnow vor, Kurse gezielt in die Höhe getrieben und die betreffenden Aktien selbst mit Gewinn verkauft zu haben. Dabei habe er andere Anleger in die Irre geführt. Prochnow stimmte einem Vergleich mit der SEC zu, zahlte ein Bußgeld von 50.000 Dollar sowie, gemeinsam mit einem Co-Unternehmer, einen Ausgleich in Höhe von 117 964,50 Dollar.

Wertlose Unternehmen an die Börse bringen

Bei Amitelo und anderen Schweizer Absturz-Aktien deuten Indizien darauf hin, dass Hintermänner bewusst wertlose Unternehmen an die Börse brachten, die Kurse mittels geschönter Unternehmensmeldungen erst anfeuerten und dann selbst Kasse gemacht haben. Interne E-Mails deuten zudem daraufhin, dass Jan Malkus, bis zum 2. Oktober Amitelo-Chef, seine Finger im Spiel dubioser Nachrichten und merkwürdiger Verträge hatte: In einem elektronischen Schriftwechsel zwischen Amitelo und 3D Capital, der der WirtschaftsWoche vorliegt, machte sich Malkus mit einer Mitarbeiterin von 3D Capital Gedanken darüber, wie man die Daten von Verträgen über Aktiengeschäfte so hinbiegen könne, beispielsweise über Rückdatierungen, dass sie in das Raster von Amitelos offiziellen Zahlen passen würden. „Es ging darum, Verträge, die abgeschlossen waren, in eine bessere Passform zu bringen“, sagt Malkus dazu. Es sei aber nicht geplant gewesen, diese Verträge nachträglich zu ändern.

Die Börsenstory begann vielversprechend. Im November 2005, kurz nach dem Start im Entry Standard, dem Frankfurter Börsensegment für junge Unternehmen, notierte die zu 1,28 Euro an die Börse gebrachte Amitelo-Aktie schon bei 2,85 Euro. Doch bis in den Sommer dieses Jahres fiel der Kurs des in der Schweiz angesiedelten Unternehmens bis auf wenige Cent. Anleger verloren mit dem Unglückspapier Amitelo Millionen. Der Dortmunder Klaus Vietz etwa investierte rund 70.000 Euro. Anfang August 2008 zählte er nur noch 20.000 Euro. „Ich habe immer gehofft, dass die Aktie irgendwann wieder steigt“, sagt er.

Mitte August stieg der Aktienkurs dann tatsächlich – auf dem Papier zumindest. Amitelo legte 100 alte Aktien zu einer neuen zusammen – ein umgekehrter Aktiensplit (Reverse-Split), der den Kurs rechnerisch verhundertfachen müsste. Tatsächlich vertausendfachte sich der Kurs sogar. Anleger Vietz verkaufte sein Paket häppchenweise, immerhin für 30.000 Euro. Zu früh gefreut: Mitte September wurde, nachdem die Deutsche Börse den Amitelo-Handel gestoppt hatte, der Reverse-Split rückgängig gemacht. Grund: Der Split war von den Aktionären weder genehmigt noch ins Handelsregister eingetragen worden.

Vietz bekam seine alten Aktienbestände wieder, die Gutschrift für den Verkauf buchte seine Bank zurück. Sein Depotkonto ist seitdem tiefrot. Insgesamt mussten bei Anlegern diesen September Transaktionen mit Amitelo-Aktien in einem Gesamtwert von mehr als 47 Millionen Euro annulliert werden. Geld was wohl endgültig futsch ist: Nach Wiederaufnahme des Handels am 6. Oktober ist das Papier erneut bis auf wenige Cent abgestürzt. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) prüft jetzt, ob es sich bei Amitelos Reverse-Split um Marktmanipulation handeln könnte.

amitelo

Das Unternehmen selbst sieht sich als Opfer eines Missverständnisses: Amitelo habe Mitte August nur die Entscheidung über einen Reverse-Split angekündigt, den Schritt selbst aber weder bestätigt, beantragt noch durchgeführt, teilte Malkus noch im September mit.

Alles nur ein Versehen? „Die Rückabwicklung war die einzig richtige Konsequenz“, sagt Börsenbrief-Herausgeber Bernd M. Otto aus Zürich. „Es ging bei dem Reverse-Split vermutlich nur darum, Altaktionären die Möglichkeit zu geben, ihre Amitelo-Aktien abzuverkaufen.“ Alleine mit den Geschäften nach dem Split hätten die Hintermänner einen siebenstelligen Betrag gewinnen können, schätzt er. Nur die Rückabwicklung des Reverse-Splits habe dies unmöglich gemacht. Wer die Aktien heute hält, ist unklar – im Entry Standard gibt es keine Meldepflichten für Aktienbesitzer. Prochnow hält nach eigenen Angaben keine mehr, weder direkt noch indirekt. Zumindest hatte er indirekt mal welche. Die Spur: Amitelo wurde 2005 vom Schweizer Finanzunternehmen 3D Capital an die Börse gebracht. 3D hielt Amitelo-Aktien, im Jahr 2006 laut Geschäftsbericht rund 3,6 Prozent des Kapitals.

An 3D Capital wiederum waren bis ins vergangene Jahr zwei Deutsche über ihre Unternehmen beteiligt: Prochnow und sein Geschäftsfreund Rainer Bergmann, Geschäftsführer der Maklerfirma RG Securities. 2005 hielten sie jeder 50 Prozent, Ende 2006 noch je 41,3 Prozent. Beide kennen den Amitelo-Ex-Chef Malkus. Den Amitelo-Handel auf dem Frankfurter Parkett organisiert RG Securities.

Das Sündenregister von 3D Capital ist lang

Interne Geschäftsunterlagen deuten darauf hin, dass Miteigentümer Torsten Prochnow im operativen Geschäft von 3D Capital durchaus aktiv war. So wurden etwa Rechnungen an das Unternehmen auf seinen Namen ausgestellt. „Im operativen Geschäft der 3D Capital war ich nicht eingesetzt, weder als Angestellter noch als Mitglied der Geschäftsleitung“, sagt Prochnow heute. Über eines seiner Unternehmen habe er allerdings einige Aufgaben, etwa die Vermittlung von Neukunden, für 3D Capital übernommen. Inwiefern er dafür Aktien der jeweiligen Unternehmen bekam und verkaufte, sagte Prochnow – obwohl danach gefragt – in einer sehr ausführlichen und von seinem Anwalt übermittelten Stellungnahme an die WirtschaftsWoche nicht.

Um die Öffentlichkeitsarbeit von Amitelo kümmerte sich bis zum Sommer 2007 die Capital Communication AG, an der 3D Capital laut des Geschäftsberichtes 2006 mit einem Anteil von 1,25 Prozent beteiligt war. Im Mai ging das Schweizer Unternehmen in Konkurs. Aktionär bei Capital Communication war auch Prochnow, über eines seiner Unternehmen. „Genau wie bei der 3D Capital hat Prochnow sich früher in unser Geschäft eingemischt“, sagt Harald Schwab, Ex-Direktor von Capital Communication. Prochnow sagt dagegen, er sei operativ nicht engagiert gewesen.

Das Sündenregister der 3D Capital ist lang. Darin verzeichnet sind, neben Amitelo, vor allem Papiere kleiner Rohstofffirmen, die im Rohstoffboom der vergangenen zwei Jahre schon zum Börsenstart die Möglichkeit boten, Anlegern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Etwa Accel Energy, ein Unternehmen, das 3D Capital im Dezember 2006 an die Börse brachte. Rund zehn Prozent der Aktien hielt, na wer schon – 3D Capital. Als Accel Energy an der Börse startete, klang die Story gut. Man wollte große Geschäfte mit China machen, zum Beispiel im Straßenbau. Im Frühjahr 2007 lag der Kurs über 2,50 Euro, begleitet von hohen Börsenumsätzen. So wechselten allein am 1. Februar 2007 Aktien von Accel Energy im Wert von rund 3,7 Millionen Euro den Besitzer. Doch dann stürzte der Kurs ab.

Offenbar kaufte RG Securities der 3D noch im April 2007 laut einem der WirtschaftsWoche vorliegenden Kaufvertrag, der allerdings nur einseitig von RG-Chef Rainer Bergmann unterzeichnet wurde, einen Anteil von 130.000 Aktien ab. Aktuell notieren Accel Energy bei rund fünf Cent, trotz des Wertverlustes immer noch achtmal höher als der Aktiennennwert von einem Schweizer Rappen (0,6 Cent). Manipulateure könnten auch mit solchen Verkaufskursen noch Gewinne erzielen. Das zeigt eine einfache Rechnung: 77 Millionen Aktien mit einem Nennwert von 0,6 Cent hat Accel Energy ausgegeben. Selbst wenn all diese Papiere nur zu fünf Cent verkauft würden, wäre ein Profit von 3,4 Millionen Euro möglich. Käufer finden sich immer noch. Zwischen August und Ende September betrug der Handelsumsatz mit der Aktie mehr als zwei Millionen Euro. „Der echte Wert dieser kleinen Schweizer Unternehmen lässt sich von außen nicht erkennen“, warnt Matthias Schrade, Nebenwerte-Experte bei GSC Research in Düsseldorf. Oft gebe es nur Indizien, dass einiges im Argen liegt.

Bankenviertel Frankfurt: Quelle: AP

Amitelo und Accel Energy sind nicht die einzigen Problemfälle, bei denen 3D Capital dunkle Spuren hinterließ. Im Mai 2007, die Anleger rissen sich damals noch um Bergbau- und Energiewerte, brachte 3D Miramonte Mining und die Schweizer Mammut Energy in den Frankfurter Freiverkehr. An beiden hielt 3D vorbörslich 20 Prozent. Auch nach dem Börsenstart dealte 3D noch mit den Mammut-Aktien. Ein Paket im Gesamtpreis von 305.500 Euro verkaufte 3D an die RG Securities. Laut einer Rechnung vom Juni 2007 erhielt 3D von beiden Unternehmen, Miramonte Mining und Mammut Energy, jeweils zwei Millionen Aktien für Beratungsdienstleistungen. Aktuell kosten Miramonte und Mammut Energy nur noch wenige Cent, genauso wie das angebliche IT-Unternehmen Sysix Solutions, von dem 3D Capital 2006 rund 4,6 Millionen Aktien besaß.

Heute sind die Überreste von 3D Capital unter dem neuen Namen Sherbrooke Equity gelistet und ebenfalls nur noch ein Pennystock. Der neue Verwaltungsrats-Chef, Louis Philippe Antunes, will das Geschäft neu ausrichten – ähnliches Geschäftsmodell aber bessere Kunden, erklärt er. Zu Amitelo habe er keinen Kontakt. Zum Ende des Monats soll dort ein neuer Skontroführer den Handel organisieren, die Zusammenarbeit mit RG Securities will Amitelo beenden. An der Börse solle die Aktie jedoch bleiben, teilte Ex-Chef Malkus nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen mit.

Dubiöse Aktien werden von vielen Seiten angepriesen

Bemerkenswert ist, dass die hochriskanten Schweizer Aktien, die alle nur in Deutschland gehandelt werden, von vielen Seiten angepriesen werden. Ob Accel Energy, Mammut Energy oder Patron Mining – die 2006 sowohl mit 3D Capital als auch mit Onyx Capital von Torsten Prochnow einen Kreditvertrag abgeschlossen haben –, in Internet-Foren sind den Aktien aus dem Umfeld von 3D Capital und Prochnow viele unkritische Kommentare sicher. „Endlich mal wieder ein interessanter Wert hier, sehr positive Zahlen“, schreibt etwa ein Nutzer mit dem Namen „PascalNouma“ noch Ende Februar zu Accel Energy. Doch der Kurs fiel weiter.

Diverse gratis an Anleger verschickte Börsenbriefe teilen die positive Sicht. Auffallend oft haben der „Oberbayerische Börsenbrief“ und „Invest Inside“ die wenig werthaltigen Aktien empfohlen. Kein Wunder: Viele Börsenbriefe werden von Unternehmen oder deren Hintermännern bezahlt. „Anleger sollten den Informationen nicht blind vertrauen“, warnt daher der Vorstand des Deutschen Instituts für Anlegerschutz, Volker Pietsch. So kostet etwa die Buchung des Oberbayerischen Börsenbriefs laut einer Angebotsliste des Internet-Portals Aktiencheck vom Juni 2007 schlappe 5200 Euro. Dafür würden 130.000 Abonnenten erreicht. Auch die Betreuung von Internet-Foren für 2500 Euro im Monat will Aktiencheck vermitteln und dort „gute Nachrichten“ der Unternehmen verbreiten lassen.

Laut der WirtschaftsWoche vorliegenden Rechnungen buchten Partnerunternehmen im Auftrag der 3D auch Angebote des umstrittenen Ex-Bäckermeisters Markus Frick. Der selbst ernannte Aktienexperte hat immer wieder aufgeblasene, wertlose Aktien zum Kauf empfohlen und musste zuletzt auch Anleger dafür entschädigen. In Fricks Magazin wurde die 3D Capital selbst vorgestellt – und zahlte dafür: Laut einer Rechnung vom April 2007 fiel für die Bereitstellung eines „Präsentationsfensters“ im „Markus Frick Magazin“ ein Pauschalbetrag von 25.000 Euro an.

Nach Informationen der WirtschaftsWoche ermittelt das Bundeskriminalamt gegen Prochnow. Offiziell will die Behörde dies weder bestätigen noch dementieren. Prochnow weiß nichts von Ermittlungen der Polizei oder der Staatsanwaltschaft. Er sei nie an irgendwelchen Aktivitäten, um illegal Kurse zu manipulieren, beteiligt gewesen, sagt er.

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