Banken Kartell der Derivate-Zocker

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Eine Schlüsselrolle in dem vermuteten Kartell spielt die Londoner Markit. Das Unternehmen beobachtet mit 2000 Mitarbeitern im Auftrag der Dealer-Banken den weltweiten Markt für CDS. Markit hat Büros in allen wichtigen Finanzzentren der Welt und liefert Preisdaten zu rund 3000 Kreditderivaten. Markit Group arbeitet dabei mit rund 25 bis 30 großen Banken aus Europa und den USA zusammen.

Die Preisdaten verkauft Markit weltweit an rund 300 Kunden. Die Wettbewerbshüter der EU gehen nun dem Verdacht nach, dass das Unternehmen seine Eigentümer ein klein wenig früher mit den Preisdaten beliefert als andere Geschäftspartner. Wer als Erster die aktuellen Preise kennt, hat bei Spekulationen die besten Chancen.

Gotha der Finanzwelt

Die Eigentümer von Markit sind exakt die 16 Banken, die die EU-Kommission unter Kartellverdacht stellt. Die Liste liest sich wie ein Gotha der Finanzwelt: Neben der Commerzbank und der Deutschen Bank sind aus der Schweiz Credit Suisse und UBS dabei. Die französischen Großbanken BNP Paribas, Crédit Agricole und Société Générale halten ebenso Anteile an Markit wie ihre britischen Konkurrenten Barclays, HSBC und Royal Bank of Scotland. Die Wall Street ist mit Citigroup, Goldman Sachs, JP Morgan, Morgan Stanley und der Bank of America mitsamt der Tochter Merrill Lynch vertreten. Deutsche Bank, Commerzbank und andere Finanzinstitute äußerten sich auf Anfrage nicht zu den Ermittlungen.

Zweiter Vorwurf der Kartellwächter: Die Eigentümerbanken sollen Markit bevorzugt mit Rohdaten versorgt haben, aus denen die Firma die veröffentlichten CDS-Preise errechnet. Damit würden Konkurrenten wie die Agenturen Bloomberg und Reuters benachteiligt. Eine Firmensprecherin dementiert: Markit habe „keine exklusiven Vereinbarungen mit bestimmten Datenlieferanten, und es stellt seine Daten und darauf beruhende Produkte den globalen Marktteilnehmern auf einer breiten Basis zur Verfügung“.

Was läuft bei der ICE?

 Im Zentrum eines zweiten Kartellverfahrens, das die EU-Kommission in Sachen CDS gestartet hat, stehen die Derivate-börse ICE in Atlanta und ihre Tochter ICE Trust. Ermittelt wird gegen die Deutsche Bank, die beiden Schweizer Großbanken, die britische Barclays und fünf führende Adressen der Wall Street. Diese Banken kassieren 50 Prozent der Gewinne, die ICE Trust bei der Verrechnung (Clearing) von CDS-Geschäft macht.

 Nach der Finanzkrise, in deren Verlauf der Derivatehandel dramatisch eingebrochen war, versprachen die Großbanken, eine Verrechnungsstelle (Clearing-Stelle) für CDS aufzubauen. Durchgesetzt hatte die Selbstverpflichtung Timothy Geithner, damals Präsident der Federal Reserve Bank von New York, heute US-Finanzminister. Theo Lubke, bei Geithner für die Reform des privaten Derivatemarkts verantwortlich, hatte mehrfach moniert, es dürfe nicht sein, dass eine „Handvoll großer Händler das Konzept und die Struktur des Derivatemarkts beherrschen kann“.

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